Dr. Thomas Becker-Evermann
Rz. 16
Die in Abs. 2 Satz 1 getroffene Regelung trägt dem aus dem informationellen Selbstbestimmungsrecht allgemein hergeleiteten verfassungsrechtlichen Gebot der Zweckbindung Rechnung, wobei sich dies dem Grunde nach bereits aus dem in Abs. 1 normierten Erforderlichkeitsgrundsatz ergibt. Danach dürfen die zu den Aufgabenzwecken des Abs. 1 erhobenen und gespeicherten personenbezogenen Daten anderen, als den in Abs. 1 genannten Verwendungszwecken nur zugeführt werden, wenn dies durch Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuchs angeordnet oder erlaubt ist. Den Pflegekassen sind damit für eine multifunktionale Nutzung der verfügbaren Pflegedaten eindeutige rechtliche Grenzen gesetzt. Nur mit entsprechender gesetzlicher Ermächtigung dürfen Sozialdaten bei Zweckänderung für die Erfüllung anderer (neuer) Aufgaben herangezogen werden. Eine besondere Bedeutung kommt Abs. 2 für die Offenbarung von Sozialdaten zu. Da jede im Drittinteresse liegende Übermittlung von personenbezogenen Daten eine Zweckänderung i. S. d. Vorschrift bedeutet, bestimmt sich ihre Zulässigkeit nach Abs. 2 i. V. m. §§ 67d bis 76 SGB X. Ein Fall des Satzes 1 ist in Satz 2 mit der Übermittlung der MDK-Gutachten an das Vormundschaftsgericht geregelt.
Rz. 17
Abs. 2 Satz 2 wurde mit Wirkung zum 1.1.2005 durch Art. 11 des 2. BtÄndG in das Gesetz aufgenommen. § 280 Abs. 1 FamG setzt für die Bestellung eines Betreuers voraus, dass von dem Vormundschaftsgericht zuvor ein Sachverständigengutachten über die Notwendigkeit der Betreuung eingeholt wird. Hiervon kann zur Vermeidung von Doppelbegutachtungen gemäß § 282 Abs. 1 FamG allerdings abgesehen werden, wenn durch die Verwendung eines bestehenden ärztlichen Gutachtens des MDK nach § 18 festgestellt werden kann, dass sich für den Betroffenen infolge einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Bestellung eines Betreuers als notwendig erweist. Deshalb hat die Pflegekasse dem Vormundschaftsgericht auf dessen Ersuchen zu dem in § 280 FamG genannten Zweck das nach § 18 erstellte Gutachten einschließlich der Befunde des MDK zur Vermeidung einer Doppel- und Mehrfachbegutachtung zu übermitteln, soweit der Betroffene oder sein Verfahrenspfleger einwilligt. Andere Gutachten, z. B. aus Gerichtsverfahren, können nicht übersandt werden. Nach dem Wortlaut können daher auch die von unabhängigen Gutachtern erstellten medizinischen Stellungnahmen nicht übermittelt werden, was dem Ziel des Abs. 2 Satz 2 jedoch widerspricht (vgl. Koch, in: BeckOGK, SGB XI, § 94 Rz. 18, der es als Redaktionsversehen ansieht).