Ein weiterer maßgeblicher Faktor ist der so genannte "neue psychologische Vertrag".

Kurz gesagt: Der "traditionelle psychologische Vertrag" – Arbeitsplatzsicherheit gegen Arbeitnehmerloyalität hat – aus verschiedenen Gründen – seit den 90er Jahren arbeitgeberseitig abgenommen.

Arbeitnehmer haben darauf reagiert und sich ebenfalls an die veränderten Realitäten angepasst. Ein (!) Aspekt daraus ist, dass Mitarbeiter für ihre eigene Beschäftigungsfähigkeit – sei es auf dem internen oder externen Arbeitsmarkt – engagiert Sorge tragen, ihre Wünsche und Erwartungen an ein erfülltes (Arbeits-) Leben mit Blick auf Karriere und Entwicklung zunehmend in die eigene Hand nehmen.

 

Exkurs: Was ist ein psychologischer Vertrag?

Ohne auf Details und Besonderheiten einzugehen, kann man sagen: Bei einem Arbeitsvertrag handelt es sich zunächst um eine Willenserklärung zweier Vertragspartner.

In (zumeist üblicherweise) schriftlich geschlossenen und juristisch bindenden Arbeitsverträgen findet man Informationen über die Vertragsparteien, die Art des Vertrags (z. B. befristet/unbefristet), die auszuübende Tätigkeit, Vergütungsbestandteile, Urlaub, Kündigung, Ausschlussfristen etc.

Geht es um Vereinbarungen für ganze Gruppen von Mitarbeitern, existieren in Unternehmungen häufig Betriebsvereinbarungen oder es wirken Tarifverträge.

All diese Regelwerke enthalten Abmachungen dazu, wie sich der Arbeitnehmer zu verhalten hat und was er vom Arbeitgeber dafür bekommt.

Was in den genannten Schriftstücken nicht steht, sind häufig mündlich getroffene Übereinkünfte und unausgesprochene Erwartungen – zum Beispiel zu persönlicher Entwicklung und Karriere auf Seiten des Arbeitnehmers oder seitens des Arbeitgebers zu Engagement und Initiative oder zu Loyalität und Commitment.

Hinzu kommt, dass wir nicht immer Klarheit über die eigenen Wünsche und Erwartungen haben. Wie die eigenen Hoffnungen aussehen, fällt unter Umständen erst dann auf, wenn sie nicht erfüllt werden. Diese wechselseitigen Erwartungen und implizite Hoffnungen reichen über die fixierten Inhalte eines formalen juristischen Vertrags hinaus und werden in der Wissenschaft seit 1960 als "psychologischer Vertrag" bezeichnet[1].

 
  Juristischer Vertrag Psychologischer Vertrag
Form schriftlich mündlich oder individuelle Wahrnehmung der Vertragspartner
Vertragspartner juristische Person und Privatperson unbestimmt, da aufseiten des Arbeitgebers verschiedene Organisationsvertreter Vertragspartner sein können (z. B. direkte Führungskraft, HR-Manager, Unternehmensleitung etc.)
Vertragsinhalt

je nach Art des Vertrags z. B. Kündigungsfristen, Vergütung, Urlaub, Ausschlussfristen etc.

transaktional (Arbeitskraft gegen Entgelt)

Annahmen und Erwartungen aufgrund von impliziten oder expliziten Aussagen (z. B. über Loyalität, Sicherheit, Fairness, Leistungsbereitschaft, individuelle Entwicklungschancen etc.) im Sinne eines moralischen Tauschgeschäfts

transaktional (z. B. Erwartung an leistungsorientiertes Entgelt)

relational (Arbeitsplatzsicherheit, Karriere etc.)
Normative Wirkung ja, rechtlich bindend nein
Reaktionen bei Vertragsbruch Kündigung und Austritt aus dem Unternehmen

Kündigung und Austritt aus dem Unternehmen

innere Kündigung und ggf. Verbleib im Unternehmen
Erkennbarkeit unmittelbar muss von beiden Seiten erfragt werden
Standard häufig innerhalb einer Organisation von Mitarbeiter zu Mitarbeiter verschieden

Juristischer vs. psychologischer Vertrag (angelehnt an Richter, 2003)

Die Arbeitgebererwartungen an die Mitarbeiter haben sich stets gewandelt und besonders in den 1990er-Jahren markant verändert. Rationalisierungsmaßnahmen, höherer Kostendruck und die global wachsende Konkurrenz führten (und führen immer noch) zu Restrukturierungswellen, in denen ein Arbeitsplatzversprechen deplatziert wirkt[2].

Es wird vor allem mehr Flexibilität (in Bezug auf Arbeitsaufgabe, Arbeitszeit und Arbeitsort) erwartet. Gemeint war damit häufig die Flexibilität der Arbeitnehmer, sich auf die veränderte Haltung der Unternehmen einzulassen und größere Unsicherheit in der Arbeitsbeziehung (weniger Loyalität seitens des Unternehmens) zu akzeptieren und trotzdem engagiert und leistungsbereit zu sein. Unternehmen, die so agiert haben – nicht immer aus purer wirtschaftlicher Not heraus, sondern auch aus einem Übermaß an Gewinnorientierung – haben ihren Teil des Deals aus dem psychologischen Vertrag verändert. Handschlagsmentalität und lebenslange Beschäftigungssicherung weichen Rationalisierungsinteressen.

Die Folge: Auch die Perspektive der Mitarbeiter auf ihren Teil der Abmachung ändert sich. In der Forschung über den Einfluss von Arbeitsflexibilisierung auf den psychologischen Vertrag[3] wurde herausgefunden, dass sich der Vertrag drastischer verändert, je stärker ein Unternehmen auf Flexibilität setzt.

Kurzum: Der alte Deal von Loyalität gegen Arbeitsplatzsicherheit geht immer weniger auf. Zwar wünschen sich Mitarbeiter nach wie vor Arbeitsplatzsicherheit, kalkulieren jedoch Unsicherheit eher mit ein.

Über viele Jahre wurde de...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge