Dipl.-Ing. Cornelia von Quistorp
Weil Alkoholmissbrauch in der Gesamtbevölkerung so weit verbreitet ist (bis zu 5 % sind behandlungsbedürftig betroffen), muss davon ausgegangen werden, dass statistisch bis zu 10 % der Erwerbstätigen alkoholkrank oder erheblich gefährdet sind. Demnach dürfte kaum ein Betrieb davon nicht betroffen sein. Trotzdem tun sich Betriebe vielfach schwer mit dem Thema Alkohol – und erst recht mit sonstigem Substanz- und Drogenmissbrauch. Sie fürchten
- die Auseinandersetzung mit einem in jeder Hinsicht unangenehmen Thema,
- eine unangemessene Einmischung in die Privatsphäre der Beschäftigten,
- eine ungünstige Wirkung in der Öffentlichkeit und
- ungeklärte rechtliche Rahmenbedingungen.
Folgende Ansätze können einen Einstieg in das Thema erleichtern:
- Suchtprobleme beginnen i. d. R. im Verborgenen. Es gehört dazu, dass Betroffene gerade am Arbeitsplatz so lange wie irgend möglich die Probleme verbergen. Es wird daher von niemandem im Betrieb erwartet, Diagnosen zu stellen oder gezielt "Jagd" auf potenzielle Betroffene zu machen.
- Jedoch: Alkoholkrankheit erledigt sich in aller Regel nicht von alleine. Weggucken verschleppt die alkoholbedingten Probleme auf unbestimmte Zeit, mit allen negativen Folgen für den Betrieb und nicht zuletzt für die Betroffenen, deren Leidensweg verlängert wird.
- Vorgesetzte und Kollegen sind keine Therapeuten. Wohlgemeinte Hilfsversuche (z. B. den Betroffenen entschuldigen, seiner Verantwortung entheben, ihn vor Alkohol "schützen") führen in aller Regel dazu, dass die "Helfer" ungewollt in das Suchtgeschehen mit einbezogen werden ("Co-Alkoholismus"). Hier ist professionelle Beratung und Therapie erforderlich.
- Arbeitgebende Unternehmen sind u. U. mit Interventionen gegenüber einem Suchterkrankten eher als Angehörige in der Lage, diesen dazu zu bewegen, sich seiner Erkrankung zu stellen. Weil eine Suchterkrankung aber v. a. das familiäre Umfeld eines Betroffenen massiv und langfristig schädigt, trägt ein Unternehmen an dieser Stelle eine gewisse gesellschaftliche Verantwortung.
Suchtberatungsstellen, Berufsgenossenschaften und andere Einrichtungen der Gesundheitspflege stellen Informationen und Hilfestellungen für den sinnvollen Umgang mit Alkoholkranken im Betrieb zur Verfügung. Zusammengefasst geht es darum,
- den/die Betroffene/n konsequent mit dokumentierten Tatsachen (Ausfallzeiten, Leistungsabfällen, Alkoholvorräten usw.) zu konfrontieren, nicht mit Gerüchten und Unterstellungen;
- auf Hilfsangebote (Gespräch mit dem Betriebsarzt, Suchtberatung, Therapie) hinzuweisen;
- Konsequenzen festzusetzen und einzuhalten, wenn der Betroffene Vorgaben nicht einhält oder sein Verhalten nicht ändert – bis hin zur Kündigung, möglichst mit Aussicht auf Wiedereinstellung bei erfolgreicher Therapie.
Eine solche Vorgehensweise kann in einer Betriebsvereinbarung festgehalten werden und ermöglicht ein hohes Maß an Rechtssicherheit.
Das Arbeitsschutzrecht sieht von sich aus kein generelles Alkoholverbot in der Arbeitswelt vor. In § 15 Abs. 2 DGUV-V 1 heißt es: "Versicherte dürfen sich durch den Konsum von Alkohol, Drogen oder anderen berauschenden Mitteln nicht in einen Zustand versetzen, durch den sie sich selbst oder andere gefährden können."
Ein Alkoholverbot kann aber jederzeit vom Betrieb, z. B. aus Sicherheitsgründen, ausgesprochen werden, lebt allerdings, wie auch die Betriebsvereinbarung, von der konsequenten Umsetzung (Verhalten bei Betriebsfeiern überdenken!).
Umgang mit Alkoholmissbrauch und -abhängigkeit bei der Arbeit
Unter diesem Titel und der Bezeichnung DGUV Information 206-054 stellen die Berufsgenossenschaften aktuelle und praxisbezogene Informationen für Unternehmen und Führungskräfte bereit.