Die Allgemeinverbindlicherklärung von Tarifverträgen hat eine Schutz- und eine Ordnungsfunktion. Durch die Allgemeinverbindlichkeit eines Tarifvertrags soll die Vereinbarung von untertariflichen Arbeitsbedingungen zulasten der betroffenen Arbeitnehmer verhindert werden. Die Allgemeinverbindlichkeit wirkt dabei wie ein staatliches Gesetz über Mindestarbeitsbedingungen und trägt so dem sozialen Schutzgedanken für die nichttarifgebundenen Arbeitsverhältnisse Rechnung. Die Allgemeinverbindlicherklärung hat insbesondere Bedeutung erlangt bei den Beschäftigungsverhältnissen in der Baubranche.
Daneben wird die staatliche Rechtssetzung vereinfacht. Durch die Möglichkeit der Allgemeinverbindlicherklärung von bereits ausgehandelten und vorhandenen Tarifverträgen wird ein ansonsten notwendiges aufwendiges Gesetzgebungsverfahren entbehrlich. Daneben bieten die branchenspezifisch ausgehandelten Tarifverträge eine erhöhte Gewähr für angemessene Arbeitsbedingungen, die durch ein für alle Arbeitsverhältnisse geltendes Gesetz nicht erreicht werden könnte.
Bedeutsam ist die Allgemeinverbindlicherklärung auch für die sog. gemeinsamen Einrichtungen der Tarifvertragsparteien. Dies sind von den Tarifvertragsparteien geschaffene und getragene Institutionen, die zu den Arbeitgebern und Arbeitnehmern in eigenen rechtlichen Beziehungen stehen und regelmäßig über eigenes Vermögen verfügen. Beispiele sind Lohnausgleichs- und Urlaubskassen sowie Kassen zur Aufstockung der Vergütung bei Altersteilzeit (vgl. § 9 Abs. 2 Altersteilzeitgesetz). Durch die Allgemeinverbindlicherklärung werden die nichttarifgebundenen Arbeitgeber in die gemeinsame Einrichtung einbezogen und ggf. der Beitragspflicht unterworfen; auf diese Weise wird vielfach erst die Grundlage für die gemeinsame Einrichtung geschaffen.
Schließlich kommt der Allgemeinverbindlicherklärung eine Ordnungsfunktion zu; durch sie werden die Arbeitsverhältnisse in ihrem Geltungsbereich umfassend geregelt und etwaige Regelungslücken verhindert. Allerdings wird durch die Allgemeinverbindlicherklärung der Wettbewerb zwischen den organisierten und nichtorganisierten Arbeitgebern teilweise eingeschränkt, da im Geltungsbereich eines allgemeinverbindlichen Tarifvertrags für alle Arbeitgeber identische Mindestarbeitsbedingungen bestehen. Damit wird die ohnehin schon durch Tarifverträge bestehende Kartellwirkung verstärkt. Zugleich wird dadurch der Anreiz verringert, aus dem Arbeitgeberverband auszutreten.