Entscheidungsstichwort (Thema)
Transparenzgebot bei Freiwilligkeitsvorbehalten. Reiserichtlinie als Allgemeine Geschäftsbedingung. Keine betriebliche Übung bei wirksam vereinbartem Freiwilligkeitsvorbehalt
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt kann regelmäßig das Entstehen eines Rechtsanspruchs auf eine künftige Leistung wirksam verhindern. Ein solcher Freiwilligkeitsvorbehalt muss klar und verständlich i.S.v. § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB formuliert sein. Ist dies der Fall, fehlt es an einer versprochenen Leistung i.S.v. § 308 Nr. 4 BGB und es besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers zur Leistung.
2. Eine Reiserichtlinie als vorformulierte Vertragsbedingung ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung i.S.v. § 305 BGB. Ihre Auslegung orientiert sich in erster Linie an ihrem Wortlaut, hilfsweise daran, wie der Vertragstext aus Sicht von typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreisen zu verstehen ist.
3. Ein Freiwilligkeitsvorbehalt hindert regelmäßig das Entstehen eines vertraglichen Anspruchs aus betrieblicher Übung. Denn der Vertragspartner konnte gerade nicht darauf vertrauen, dass ihm eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer gewährt werden sollte.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 307 Abs. 1 S. 2, § 308 Nr. 4, § 612 Abs. 1, § 670; Arbeitsvertrag Nr. 5 Fassung: 2013-07-01, Nr. 18 Fassung: 2013-07-01; Reiserichtlinie Nr. 4 Fassung: 2013-01-01, Nr. 11 Fassung: 2013-01-01
Verfahrensgang
ArbG Gera (Entscheidung vom 11.04.2018; Aktenzeichen 1 Ca 225/17) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Gera vom 11.04.2018 - 1 Ca 225/17 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Erstattung von Verpflegungsmehraufwand.
Der Kläger war vom 01.07.2000 bis zum 31.08.2017 bei der Beklagten als IT-Betreuer im Außendienst mit einem monatlichen Grundgehalt von zuletzt 3.500,00 EUR beschäftigt. Er wurde mit Arbeitsvertrag vom 02.05.2000 (Bl. 9 f. d.A.) eingestellt. Die Parteien schlossen am 01.07.2013 einen neuen Arbeitsvertrag (Bl. 11 ff. d.A.) und eine Zusatzvereinbarung "Home Office" (Bl. 33 f. d.A.).
Der Arbeitsvertrag lautet auszugsweise wie folgt:
"5. Reisekosten
Zwischen der Arbeitgeberin und dem Mitarbeiter besteht Einigkeit, dass der Mitarbeit zu Dienstreisen verpflichtet ist. Die Anzahl, die jeweilige Dauer und der Zielort der Dienstreisen richten sich nach den Weisungen der Arbeitgeberin. Für die Erstattung der Kosten anlässlich von Dienstreisen gilt die jeweils gültige Dienstreiserichtlinie der Arbeitgeberin bzw. der ... Gruppe, sofern die Dienstreiserichtlinie unternehmensübergreifend erstellt ist.
...
18. Sonstige Vereinbarungen
...
18.6 Alle bestehenden Anstellungsverträge mit einer der ... Firmen sowie alle dazugehörigen Vertragsänderungen und-ergänzungen verlieren durch diesen Anstellungsvertrag ihre Gültigkeit.*
*betrifft alle Vertragsergänzungen vor dem 01.07.2013!
18.7 Nebenabreden außerhalb dieses Anstellungsvertrages bestehen nicht. Änderungen und Ergänzungen zu diesem Anstellungsvertrag bedürfen zu ihrer Rechtsgültigkeit der Schriftform. Dies gilt auch für die Aufhebung des Schriftformerfordernisses."
Bei der Beklagten galt zunächst die Reisekosten-und Bewirtungsordnung 2002 (Bl. 15 ff. d.A.) und seit dem 01.01.2005, dem 01.01.2010, dem 01.01.2013 sowie dem 01.11.2016 diverse Reiserichtlinien (Bl. 22 ff d.A.).
Die seit 01.01.2013 geltende Reiserichtlinie enthält, sofern hier von Bedeutung, folgende Bestimmungen:
"4. Verpflegungsmehraufwand-Pauschalbeträge
Eine Erstattung der lohnsteuerfreien Verpflegungsmehraufwendungspauschale wird grundsätzlich NICHT vorgenommen.
Die Mitarbeiter/innen erhalten auf Anfrage eine Bestätigung des Arbeitgebers für das jeweilige Finanzamt um die evtl. Verpflegungsmehraufwendungen in der jeweiligen Steuererklärung anzugeben.
Aufgrund einzelvertraglicher Regelungen kann eine Erstattung der lohnsteuerfreien Verpflegungsmehraufwendungspauschale (wie unten aufgeführt) an Mitarbeiter/innen vorgenommen werden.
...
11. Inkrafttreten
...
Eine wiederholte Gewährung von Leistungen während der beruflich veranlassten Auswärtstätigkeiten begründet keinen Anspruch für die Zukunft."
Nach der ab 01.11.2016 geltenden Reiserichtlinie wird der Verpflegungsmehraufwand grundsätzlich nicht mehr erstattet. Die Arbeitnehmer erhalten von der Beklagten nur noch eine Bestätigung für das zuständige Finanzamt.
Die Beklagte erstattete dem Kläger bis einschließlich Juli 2015 die steuerlichen Verpflegungsmehraufwandspauschalen nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 EStG i.V.m. § 9 Abs. 4a S. 3 EStG. Sie zahlte seit August 2015 keine Verpflegungsmehraufwendungen mehr, obwohl der Kläger monatliche Reisekostenabrechnungen für August 2015 bis März 2017 (Bl. 35 ff. d.A.), für April 2017 (Bl. 60/61 d.A.) und für Mai bis August 2017 (Bl. 140 ff. d.A.) erstellte. Der Kläger bat seinen Vorgesetzten mit E-Mail vom 21.12.2016 (Bl. 80 d.A.), sich für eine Nachzahlung und künftige Zahlung der Reisespesen einzusetzen. Die Beklagte lehnt...