Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der Einigungsstelle
Leitsatz (amtlich)
– Zuständigkeit der Einigungsstelle zur Entscheidung über die Berechtigung von Beschwerden von Arbeitnehmern über das Verhalten des Arbeitgebers bei Ausspruch einer Abmahnung
– Prüfungsmaßstab des § 98 Abs. 1 Satz 1 ArbGG
Normenkette
ArbGG § 98; BetrVG § 85 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Erfurt (Entscheidung vom 19.12.2001; Aktenzeichen 4 BV 26/01) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Erfurt vom 19.12.2001, Az.: 4 BV 26/01, abgeändert.
Der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht B. wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle bestellt, die über die Berechtigung der Beschwerden der Arbeitnehmer R. S., D. K. und J. B. über das Verhalten des Arbeitgebers anlässlich des Ausspruchs der Abmahnungen vom 29.06.2001 und 14.06.2001 zu entscheiden hat.
Die Anzahl der Beisitzer wird auf je zwei pro Seite festgesetzt, wobei je Seite ein Beisitzer dem Betrieb angehören muss.
Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I)
Der im Betrieb des Arbeitgebers (Beschwerdegegnerin und Beteiligte zu 2)) gebildete Betriebsrat (Beschwerdeführer, Antragsteller und Beteiligter zu 1)) behauptet, es lägen ihm Beschwerden von Arbeitnehmern vor, über deren Berechtigung die Einigungsstelle zu entscheiden habe.
Der Arbeitgeber habe Abmahnungen erteilt, ohne vorab ein klärendes Gespräch geführt zu haben. Auf die Gegenvorstellungen der Arbeitnehmer habe der Arbeitgeber nur formelhaft geantwortet und auch insoweit ein Gespräch verweigert. Die Art und Weise der Erteilung der Abmahnung stelle eine Missachtung der Persönlichkeit der betroffenen Arbeitnehmer dar.
Der Arbeitgeber ist der Auffassung, die Beschwerden der Arbeitnehmer beträfen lediglich die Berechtigung der in der Abmahnung enthaltenen Rüge des arbeitsvertragswidrigen Verhaltens und damit den Inhalt der erteilten Abmahnung. Auf Entfernung der Abmahnung aus den Personalakten bestehe ein Rechtsanspruch. Die Einigungsstelle sei nicht zuständig.
Das Arbeitsgericht hat den Antrag des Betriebsrats auf Bestellung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle abgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des Beschlusses (Bl. 61 – 68 d. A.) verwiesen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde des Betriebsrats. Unter Vertiefung seines bisherigen Vorbringens beantragt er,
- den Beschluss des Arbeitsgerichts abzuändern und
- zwecks Einrichtung einer Einigungsstelle betreffend die Beschwerden der Arbeitnehmer R. S., D. K. und J. B. über das Verhalten des Arbeitgebers – hilfsweise, darüber, dass vor Ausspruch der Abmahnungen keine diesbezüglichen Gespräche mit den betroffenen Arbeitnehmern geführt worden – anlässlich des Ausspruchs der Abmahnungen vom 14. und 29. Juni 2001, Herrn Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht B. zum Vorsitzenden der Einigungsstelle zu bestellen und die Anzahl der Beisitzer auf je 3 pro Seite festzulegen.
Der Arbeitgeber beantragt,
Der Arbeitgeber verteidigt den angefochtenen Beschluss mit den aus der Beschwerdebeantwortung vom 19.02.2002 ersichtlichen Gründen.
Entscheidungsgründe
II)
Die Beschwerde ist zulässig. Das Arbeitsgerichts hat den Beschluss nicht mit der gem. § 98 Abs. 2 S. 2 ArbGG zutreffenden Rechtsmittelbelehrung versehen. Der Betriebsrats hat die Beschwerde jedoch rechtzeitig eingelegt und begründet.
Die Beschwerde ist im Wesentlichen begründet. Die Einigungsstelle ist für die Entscheidung über die Berechtigung der Beschwerden gem. § 85 Abs. 2 S. 2 BetrVG nicht offensichtlich unzuständig.
Das Arbeitsgericht hat den Prüfungsmaßstab verkannt. Gem. § 98 Abs. 1 S. 2 ArbGG kann der Antrag auf Bestellung des Vorsitzenden einer Einigungsstelle nur zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist. Ob sie zuständig ist, prüft die Einigungsstelle dagegen in eigener Kompetenz.
Das Arbeitsgericht hat die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle angenommen, weil es zum einen Zweifel an der Richtigkeit der Behauptung des Betriebsrats über den Gegenstand der Beschwerde der Arbeitnehmer hatte und zum anderen, weil es meinte, dass in der Verweigerung eines Gespräches über den Inhalt der Abmahnung keine Verletzung des Persönlichkeitsrechts der betroffenen Arbeitnehmer gesehen werden könne.
Dem folgt das Beschwerdegericht nicht.
Der Umstand, dass es dem Betriebsrat ganz offenkundig zunächst ausschließlich darum ging, mit dem Arbeitgeber über die inhaltliche Berechtigung der Abmahnung und damit über einen Rechtsanspruch der Arbeitnehmer auf Beseitigung der Abmahnung i. S. des § 85 Abs. 2 S. 3 BetrVG zu sprechen, lässt nicht die Schlussfolgerung zu, dass sich die abgemahnten Arbeitnehmer nicht auch über die Art und Weise der Erteilung der Abmahnung beim Betriebsrat beschwert haben können. Der Betriebsrat hat jedenfalls bereits vor Einleitung des Bestellu...