Rz. 2

Die auf den Abschluss des Arbeitsvertrags gerichteten Willenserklärungen können wie jede andere Willenserklärung gemäß Abs. 1 angefochten werden, wenn bei ihrer Abgabe ein Inhalts- oder Erklärungsirrtum vorlag. Ein Erklärungsirrtum liegt dann vor, wenn der Erklärende eine Erklärung dieses Inhalts überhaupt nicht abgeben wollte. Bei einem Inhaltsirrtum irrt der Erklärende über die rechtliche Bedeutung seiner Willenserklärung.[1] Anders als beim Erklärungsirrtum entspricht zwar der äußere Tatbestand dem Willen des Erklärenden, er irrt sich jedoch über die Bedeutung oder die Tragweite seiner Erklärung.[2] Für eine Anfechtung gemäß Abs. 1 gelten keine arbeitsrechtlichen Besonderheiten.[3] Bereits nach dem Wortlaut der Bestimmung (deren Inhalt) kann ein Irrtum über die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung nur dann als Inhaltsirrtum zur Anfechtung der abgegebenen Willenserklärung berechtigen, wenn diese Rechtsfolgen selbst (ausdrücklich oder stillschweigend) Inhalt der rechtsgeschäftlichen Erklärung sind. Nicht nach Abs. 1 anfechtbar sind dagegen Erklärungen, die auf einem im Stadium der Willensbildung unterlaufenen Irrtum im Beweggrund[4] – Motivirrtum – oder auf einer Fehlvorstellung über die Rechtsfolgen beruhen, die sich nicht aus dem Inhalt der Erklärung ergeben, sondern insbesondere kraft Gesetzes eintreten.[5] So stellt ein Irrtum über die sozialrechtlichen Folgen einer Altersteilzeitvereinbarung nebst Freistellungsvereinbarung als bloßer Irrtum über die Rechtsfolgen einer Erklärung keinen zur Anfechtung nach Abs. 1 berechtigenden Inhaltsirrtum dar.[6] Ebenfalls kein Anfechtungsrecht hat in der Regel der Arbeitnehmer, der eine Erklärung über den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ungelesen oder als der deutschen Sprache nicht mächtiger Ausländer unverstanden unterschreibt.[7] Auch der Arbeitnehmer, der einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, weil er sich nicht darüber bewusst ist, dass der Abschluss dieses Vertrags eine Sperrzeit hinsichtlich des Bezugs von Arbeitslosengeld zur Folge haben kann, unterliegt einem Motivirrtum.[8] Wer alles unterschreibt, der ist mit allem einverstanden. So berechtigt auch der Eintritt einer über die tatsächlich gewollte Rechtsfolge hinausgehenden ungewollten Nebenfolge nicht zur Anfechtung wegen Irrtums.[9] Wer keine Vorstellung hat von dem, was er unterschreibt, der hat auch keine bewusste Fehlvorstellung.

[1] Benecke in MünchArbR, § 38, Rz. 25, 27.
[3] Preis in ErfK, § 611a BGB, Rz. 349; Benecke in MünchArbR, § 38, Rz. 25.; Söhl ArbrAktuell 2014, S. 16.
[5] BAG, Urteil v. 24.4.2014, 8 AZR 429/12, NZA 2015, 185, 186 f.; kritisch in Bezug auf diese Differenzierung Armbrüster in MüKoBGB, § 119, Rz. 81.
[6] BAG, Urteil v. 10.2.2004, 9 AZR 401/02, AP BGB § 119 Nr. 15.
[7] LAG Köln, Urteil v. 2.9.2004, 6 Sa 274/04, LAGReport 2005 S. 94; zur Anfechtung einer Ausgleichsquittung LAG Hessen, Urteil v. 1.4.2003, 13 Sa 1240/02, BeckRS 2003, 31154463.
[8] S. LAG Rheinland-Pfalz, Urteil v. 14.11.2019, 2 Sa 164/19, BeckRS 2019, 39069 (zu § 123 BGB, hier fehlte es bereits an einer Täuschung).

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge