Rz. 9
Der von § 618 BGB ausgehende Gefahrenschutz wird nicht schrankenlos gewährt. Der Dienstverpflichtete soll nur vor den mit der Dienstleistung spezifisch im Zusammenhang stehenden Gefahren geschützt werden. Nicht erfasst werden daher insbesondere allgemeine Lebensrisiken. Ob ein Risiko für den Dienstverpflichteten noch hinnehmbar ist, muss durch Abwägung ermittelt werden.
Rz. 10
Zudem wird der Schutzanspruch durch die "Natur" der Dienstleistung begrenzt. Der Dienstberechtigte ist nicht verpflichtet, solche Gefahren auszuräumen, die untrennbar mit den Besonderheiten der Dienstleistung verbunden sind und die nach dem jeweiligen Stand der Technik nicht beseitigt oder abgemildert werden können. So können Maßnahmen des Gesundheitsschutzes regelmäßig dann nicht verlangt werden, wenn diese zu einer Veränderung der unternehmerischen Betätigung führen würden. Die unternehmerische Betätigungsfreiheit ist jedoch nur geschützt, sofern sie im Einzelfall rechtmäßig ausgeübt wird. Sie kann durch gesetzliche Verbote beschränkt werden. Zu diesen zählen auch die landesrechtlichen Vorschriften über den Nichtraucherschutz. Ist es durch Landesgesetz verboten, in Gaststätten zu rauchen und fällt ein dort beschäftigter Arbeitnehmer außerhalb von Rauchergaststätten und Raucherräumen in den Schutzbereich dieses Rauchverbots, kann er nach § 618 Abs. 1 BGB i. V. m. § 5 Abs. 1 ArbStättV verlangen, auf einem tabakrauchfreien Arbeitsplatz beschäftigt zu werden. Dabei konkretisiert § 5 ArbStättV § 618 Abs. 1 BGB. Nach § 5 Abs. 1 ArbStättV hat der Arbeitgeber die erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit die nicht rauchenden Beschäftigten in Arbeitsstätten wirksam vor den Gesundheitsgefahren durch Tabakrauch geschützt sind. Allein aus der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers kann der Anspruch hingegen nicht hergeleitet werden. § 618 BGB konkretisiert i. V. m. den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen den Inhalt der Fürsorgepflichten, die dem Arbeitgeber hinsichtlich der Sicherheit und des Lebens der Arbeitnehmer zukommen. Den Vorschriften des technischen Arbeitsschutzes wohnt eine Doppelwirkung inne, soweit ihre Schutzpflichten über § 618 Abs. 1 BGB auf das Arbeitsvertragsrecht übertragen werden.
Rz. 11
Schließlich kann das Kriterium der Unzumutbarkeit eine Schranke des § 618 darstellen. Allerdings ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen, sodass eine Unzumutbarkeit nur dann gegeben ist, wenn die geeigneten Schutzmaßnahmen den Dienstberechtigten ungewöhnlich belasten oder in seiner unternehmerischen Freiheit tangieren. Ein Verzicht auf einzelne Maßnahmen unter Hinweis auf die damit einhergehenden Kosten oder deren Unüblichkeit in der betreffenden Region reicht somit nicht.
Das BAG hat jüngst entschieden, dass die Zuweisung eines Arbeitsplatzes, der nicht vollumfänglich den Vorgaben des § 618 Abs. 1 BGB i. V. m. den öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutznormen genügt, dennoch billigem Ermessen entsprechen kann, soweit lediglich geringfügige oder kurzzeitige Verstöße vorliegen, die keinen nachhaltigen Schaden bewirken können (BAG, Urteil v. 28.6.2018, 2 AZR 436/17).