Rz. 67
Im Arbeitsverhältnis hat aufgrund der im Zivilrecht geltenden Privatautonomie jede Partei grds. selbst für die Wahrnehmung ihrer Interessen zu sorgen. Daher ist der Arbeitgeber gegenüber dem Arbeitnehmer nicht generell zur Erteilung von Auskünften und zur Aufklärung verpflichtet. Aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB können Hinweis- und Aufklärungspflichten sowie Schutz- und Rücksichtnahmepflichten nur aus den besonderen Umständen des Einzelfalls und als Ergebnis einer umfassenden Interessenabwägung hergeleitet werden. Die erkennbaren Informationsbedürfnisse des Arbeitnehmers einerseits und die Beratungsmöglichkeiten des Arbeitgebers andererseits sind stets zu beachten. Wie groß das Informationsbedürfnis des Arbeitnehmers ist, hängt insbesondere von der Schwierigkeit der Rechtsmaterie sowie dem Ausmaß der drohenden Nachteile und deren Vorhersehbarkeit ab. Erteilt der Arbeitgeber auf ein vom Arbeitnehmer offenbartes Informationsbedürfnis hin – unter Umständen überobligatorisch – Auskunft, dann ergibt sich aus der Rücksichtnahmepflicht i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB, dass diese Auskunft richtig, eindeutig und vollständig sein muss. Der Arbeitgeber haftet dem Arbeitnehmer nach § 241 Abs. 2 i. V. m. § 280 Abs. 1 BGB für Schäden, für die eine von ihm schuldhaft erteilte fehlerhafte Auskunft ursächlich war. Eine Auskunft, die zu einem Schadensersatzanspruch führen kann, liegt aber nur vor, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer entweder auf dessen ausdrückliches Verlangen nach Information falsch informiert oder wenn er im Rahmen von Vertragsverhandlungen, die der Arbeitgeber initiiert hat, den Arbeitnehmer falsch berät. Regelmäßig muss sich der Arbeitnehmer vor Abschluss eines Aufhebungsvertrags also selbst Klarheit über die Folgen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses verschaffen. Ist der Arbeitnehmer durch einen Rechtsanwalt vertreten, kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass dieser den Arbeitnehmer hinreichend über die mit dem Abschluss des Aufhebungsvertrags verbundenen Risiken informiert. Bietet ein alkoholkranker Arbeitnehmer dem Arbeitgeber in einem Abmahngespräch den Abschluss eines Aufhebungsvertrags an, muss der Arbeitgeber dieses nicht ablehnen; so weit geht die Fürsorgepflicht nicht.
Rz. 67a
Hinweis- und Aufklärungspflichten können den Arbeitgeber vor allem dann treffen, wenn eine zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führende Vereinbarung auf seine Initiative hin und in seinem Interesse zustande kommt oder wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Arbeitnehmer durch eine sachgerechte und vom Arbeitgeber redlicherweise zu erwartende Aufklärung vor der Aufhebung des Arbeitsverhältnisses bewahrt werden muss, weil er sich durch diese aus Unkenntnis selbst schädigen würde. Dies kann der Fall sein, wenn Aufhebungsverträge auf Veranlassung des Arbeitgebers zustande kommen und der Arbeitgeber den Eindruck erweckt, er werde bei der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses auch die Interessen des Arbeitnehmers wahren und ihn nicht ohne ausreichende Aufklärung erheblichen Risiken für den Bestand seines Arbeitsverhältnisses aussetzen. Auch sonst kann eine Aufklärungspflicht bestehen, wenn der Arbeitgeber über eine größere Informationsnähe verfügt, etwa wenn er die Information besitzt oder sie – im Gegensatz zum Arbeitnehmer – ohne Schwierigkeiten beschaffen kann und der Arbeitnehmer sie benötigt. Erteilt schließlich der Arbeitgeber Auskünfte – ohne dass er im konkreten Fall zur Vermeidung von Rechtsnachteilen für den Arbeitnehmer gehalten ist, von sich aus geeignete Hinweise zu geben – müssen diese richtig, eindeutig und vollständig sein. Dies gilt für den Bereich der betrieblichen Altersversorgung in besonderem Maße im Hinblick auf die finanziellen Auswirkungen auf die langfristige Lebensplanung des Arbeitnehmers, die jedenfalls ein dem Arbeitgeber offenbares Informationsinteresse begründen.
Rz. 68
Vor diesem Hintergrund empfiehlt es sich grundsätzlich, den Arbeitnehmer im Aufhebungsvertrag auf etwaige sozialversicherungsrechtliche Nachteile hinzuweisen, wie etwa die Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Zudem soll der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses frühzeitig über die Notwendigkeit eigener Aktivitäten bei der Suche nach einer anderen Beschäftigung sowie über die Verpflichtung zur Meldung nach § 38 Abs. 1 SGB III bei der Agentur für Arbeit informieren. Die Vorschrift begründet jedoch eine bloße Obliegenheit des Arbeitgebers und keine Rechtspflicht. Daher führt ein unterlassener Hinweis nach § 2 Abs. 2 Nr. 3 SGB III nicht zu Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers. Der Hinweis im Aufhebungsvertrag ist deshalb nicht unbedingt erforderlich.