Rz. 7
Der verfassungsrechtlich gebotene Mindestkündigungsschutz, den das BVerfG in seinen beiden Kleinbetriebsbeschlüssen entwickelte, gilt auch für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG. Danach ist der Arbeitnehmer während der gesetzlichen Wartezeit lediglich vor einer sitten- oder treuwidrigen Ausübung des Kündigungsrechts des Arbeitgebers geschützt. In dieser Zeit ist das Vertrauen des Arbeitnehmers in den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses dadurch beschränkt, dass er mit einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses ohne den Nachweis von Gründen rechnen muss, erst recht, wenn die Arbeitsvertragsparteien eine Probezeit vereinbart haben. Umgekehrt hat der Arbeitgeber bei der Einstellung eines Arbeitnehmers regelmäßig ein berechtigtes Interesse daran, prüfen zu können, ob der neue Mitarbeiter seinen Vorstellungen entspricht. In der Wartezeit erfolgt daher grundsätzlich nur eine Missbrauchskontrolle.
Diese Grundsätze gelten auch bei einer Einstellung im öffentlichen Dienst (Art. 33 Abs. 2 GG); die Wartezeit nach § 1 Abs. 1 KSchG gewährleistet dort das Recht des Arbeitgebers, während ihrer Dauer die Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des neu eingestellten Arbeitnehmers zu überprüfen. Auch für den Fall einer Kündigung während der Wartezeit gilt, dass die Umstände, die im Rahmen des § 1 KSchG zu würdigen sind und die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt erscheinen lassen können, als Verstöße gegen Treu und Glauben nicht in Betracht kommen; eine Kündigung verstößt nur dann gegen § 242 und ist nichtig, wenn sie aus Gründen, die von § 1 KSchG nicht erfasst sind, Treu und Glauben verletzt. Eine Kündigung kurz vor Ablauf der Wartezeit ist grds. nicht treuwidrig. Selbst eine Kündigung, die der Arbeitgeber am letzten Tag der Wartezeit wenige Stunden vor Feierabend und 7 Stunden vor Ablauf der Wartezeit ausspricht, kann nicht ohne Hinzutreten weiterer Umstände als treuwidrig angesehen werden. Kündigt die Arbeitgeberin nach einer Meinungsverschiedenheit mit der Arbeitnehmerin über das Zustandekommen einer Ausscheidensvereinbarung mit der Begründung, das für eine dauerhafte Zusammenarbeit erforderliche Vertrauensverhältnis zum Vorstand der Arbeitgeberin habe nicht aufgebaut werden können, ist dies ein Kündigungsgrund, der auch unter Berücksichtigung verfassungsrechtlicher Vorgaben und einer Missbrauchskontrolle den Willkürvorwurf entfallen lässt.
Rz. 8
Der Arbeitnehmer, dem vor der Erfüllung der 6-monatigen Wartezeit gekündigt wird, kann aber den allgemeinen Kündigungsschutz ausnahmsweise dann in Anspruch nehmen, wenn durch die Kündigung der Eintritt des allgemeinen Kündigungsschutzes vereitelt werden soll (vgl. § 162 Abs. 1 BGB); diese Folge tritt jedoch dann nicht ein, wenn der Arbeitgeber aus einem sachlichen Grund kündigt, der nicht notwendig den Anforderungen an eine sozial gerechtfertigte Kündigung genügen muss. Ein solcher Ausnahmefall wurde angenommen, wenn der Arbeitnehmer nach Art. 33 Abs. 2 GG mit Ablauf der Wartezeit einen Einstellungsanspruch gehabt hätte. Nicht schon jede kurz vor Erfüllung der Wartezeit ausgesprochene Kündigung kann daher als treuwidrige Vereitelung des Eintritts des Kündigungsschutzes angesehen werden. Der Rechtsgedanke des § 162 Abs. 1 BGB greift nicht schon dann ein, wenn der Arbeitgeber bereits während der Wartezeit kündigt, obwohl dies zur Wahrung der nach Gesetz oder Vertrag zu beachtenden Kündigungsfrist nicht erforderlich gewesen wäre. Eine analoge Anwendung des § 162 Abs. 1 BGB kommt erst dann in Betracht, wenn der Arbeitgeber die Kündigung nur deshalb vor Ablauf der 6-monatigen Wartefrist erklärt, um den Eintritt des Kündigungsschutzes zu verhindern und wenn dieses Vorgehen unter Berücksichtigung der im Einzelfall gegebenen Umstände gegen Treu und Glauben verstößt. Das BAG führte zur Begründung an, dass der Arbeitgeber während der gesamten Wartefrist frei kündigen könne und im Interesse der Rechtssicherheit eine gesetzlich festgelegte Frist genau beachtet werden müsse.
Selbst eine in der Wartezeit erklärte Kündigung, die am Tag nach einem Unfall erklärt wird, den der Arbeitnehmer bei Ausführung einer vom Arbeitgeber beauftragten Transportfahrt erlitten hat und bei dem er verletzt wurde, ist nicht ohne weiteres treuwidrig, zumindest dann nicht, wenn der Arbeitgeber mit der Arbeitsweise "offensichtlich nicht zufrieden" und der Ansicht war, der Arbeitnehmer habe den Unfall grob fahrlässig herbeigeführt.
Diskriminierende Kündigungen können, wenngleich nicht nach § 242 BGB, sondern nach § 134 BGB i. V. m. § 7 Abs. 1, §§ 1, 3 AGG, auch außerhalb der Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzes unwirksam sein. § 2 Abs. 4 AGG stehe nicht entgegen, weil die Vorschrift nur das Verhältnis zum KSchG und zu den speziell auf Kündigungen zugeschnittenen Bestimmungen regele; sie erfasse nicht die zivilrechtlichen Generalklauseln bei Kündigungen während der Wartezeit und im Kleinbetrieb, sondern verdränge diese. Or...