Rz. 10
Gegen § 242 BGB verstößt eine Kündigung, wenn ihr Grund verwirkt ist. Das Recht des Arbeitgebers zur ordentlichen Kündigung verwirkt, wenn er in Kenntnis eines Kündigungsgrunds längere Zeit untätig bleibt, d. h. die Kündigung nicht erklärt, obwohl ihm dies möglich und zumutbar wäre (sog. Zeitmoment), wenn er dadurch beim Arbeitnehmer das berechtigte Vertrauen erweckt, die Kündigung werde unterbleiben, und wenn der Arbeitnehmer sich deshalb auf den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses einrichtet (sog. Umstandsmoment); eine dann gleichwohl erklärte Kündigung aus diesem Grund stellt eine unzulässige Rechtsausübung dar und wäre nach Treu und Glauben rechtsunwirksam. Dabei müssen die genannten Voraussetzungen kumulativ vorliegen; der Zeitablauf und die Untätigkeit reichen jeweils allein zur Begründung des Umstandsmoments nicht aus. Für einen Verzicht oder gar eine Verzeihung, auf die ein Umstandsmoment gegründet werden kann, bedarf es eindeutiger Anhaltspunkte, die nicht schon darin liegen, dass die Kündigung zunächst nur mit einem anderen Kündigungssachverhalt begründet wurde; auch aus Gründen der Rechtssicherheit sind an eine entsprechende Erklärung durch schlüssiges Verhalten strenge Anforderungen zu stellen. Ist einem Arbeitnehmer also durch eine Kündigung deutlich gemacht worden, dass sich der Arbeitgeber von ihm trennen will, so kann dieser grds. nicht darauf vertrauen, der Arbeitgeber werde keine weiteren Gründe nachschieben oder aus solchen Gründen nicht erneut kündigen, etwa weil das Nachschieben im Prozess wegen der fehlenden Anhörung des Betriebsrats vor der ersten Kündigung keine Aussicht auf Erfolg verspricht.
Rz. 11
Kündigt aber der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis während der Wartezeit (§ 1 Abs. 1 KSchG) und stützt er sich zur Begründung der Kündigung auf Umstände, die bereits Gegenstand einer Abmahnung waren, ist die Kündigung unwirksam, denn mit dem Ausspruch einer Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber i. d. R. zugleich auf das Recht zur Kündigung aus den Gründen, wegen derer die Abmahnung erfolgt ist. Entsprechendes gilt, wenn die Gründe der Kündigung bereits zur Begründung einer vorhergehenden Kündigung gemacht wurden und diese Gründe in dem früheren Kündigungsschutzprozess mit dem Ergebnis materiell geprüft worden sind, dass sie die Kündigung nicht tragen. Mit einer Wiederholung dieser Gründe zur Stützung einer späteren Kündigung ist der Arbeitgeber dann ausgeschlossen. Eine solche Ausschlusswirkung entfaltet die Entscheidung über die frühere Kündigung allerdings nur bei identischem Kündigungssachverhalt; hat sich dieser wesentlich geändert, darf der Arbeitgeber ein weiteres Mal kündigen. Das gilt auch bei einem sog. Dauertatbestand. Die Präklusionswirkung tritt aber auch dann nicht ein, wenn die frühere Kündigung bereits aus formellen Gründen, also etwa wegen der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der Mitarbeitervertretung für unwirksam erklärt worden ist.