Rz. 12
Eine Kündigung ist wegen Verstoßes gegen das aus § 242 BGB folgende Verbot des widersprüchlichen Verhaltens unwirksam, wenn sich der Arbeitgeber zur Begründung der Kündigung auf einen Umstand – im entschiedenen Fall ein fehlender Sicherheitsbescheid eines Sprachenüberprüfers und Dolmetschers bei der Bundeswehr – beruft, den er selbst erklärtermaßen bei Einstellung als nicht relevant angesehen hat.
Der Arbeitgeber kann bei einer (außerordentlichen und ordentlichen) Kündigung auf ein konkret bestehendes Kündigungsrecht, das er auf bestimmte Gründe stützt, ausdrücklich oder konkludent verzichten; der Verzicht ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung; vor Ablauf der Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB ist ein Verzicht aber nur dann anzunehmen, wenn der Kündigungsberechtigte eindeutig seine Bereitschaft zu erkennen gibt, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Der Verzichtende legt sich gegenüber dem Vertragspartner fest, aus einer ihm günstigen Tatsachenlage keine Konsequenzen zu ziehen; eine trotz Verzichts erklärte Kündigung ist ein Fall unzulässiger Rechtsausübung i. S. v. § 242 BGB in der Form des Verbots widersprüchlichen Verhaltens. Ob eine Äußerung oder ein Verhalten als eine auf Kündigungsverzicht gerichtete Willenserklärung zu verstehen ist, ist ggf. durch Auslegung nach §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Ein rechtsverbindlicher Verzicht auf Arbeitgeberrechte lässt sich nicht daraus herleiten, dass sich zwei Mitarbeiterinnen der Arbeitgeberin beim Vorstellungsgespräch gegenüber der Arbeitnehmerin dahingehend geäußert haben sollten, dass eine "Probezeit allenfalls pro forma" in den Vertrag aufgenommen werde und die Arbeitgeberin angesichts der Qualitäten und Berufserfahrung der Arbeitnehmerin davon keinen Gebrauch machen werde; die später erfolgte Kündigung stellt sich nicht als widersprüchlich dar. Das Kündigungsrecht erlischt durch Verzicht insgesamt, wenn der Arbeitgeber wegen des ihm bekannten Kündigungssachverhalts eine Abmahnung ausspricht und sich die für die Kündigung maßgebenden Umstände nicht später geändert haben.
Unwirksam ist eine Kündigung also i. d. R. dann, wenn sie aus einem Grund erfolgt, der bereits Gegenstand einer Abmahnung war, denn mit dem Ausspruch einer Abmahnung verzichtet der Arbeitgeber i. d. R. zugleich auf das Recht zur Kündigung aus den Gründen, wegen derer die Abmahnung erfolgt ist. Das ist nur dann anders, wenn der Abmahnung selbst oder den Umständen zu entnehmen ist (§§ 133, 157 BGB), dass der Arbeitgeber den zur Abmahnung führenden Sachverhalt mit der Abmahnung nicht als "erledigt" ansieht.
Weder als treuwidrig noch sittenwidrig wurde eine Kündigung im Kleinbetrieb erachtet, wenn der Arbeitgeber eines Kleinbetriebs im Kündigungsschreiben angibt, die Kündigung erfolge "aus betriebsbedingten Gründen", aber die Stelle unmittelbar im Zusammenhang mit der Kündigung anderweitig neu besetzt; betriebsbedingte Gründe seien nicht mit "dringenden betrieblichen Erfordernissen" i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG gleichzusetzen und die Kündigung nicht an diesem Maßstab zu prüfen, denn mit "betriebsbedingt" könnten jegliche Änderungen im Betrieb gemeint sein, und auch, dass eine Person aus Sicht des Arbeitgebers nicht mehr in den Betrieb passe; die Nennung "betriebsbedingter Gründe" im Kündigungsschreiben begründe keine Selbstbindung des Arbeitgebers im Kleinbetrieb an die Anforderungen des § 1 Abs. 2 KSchG.
Wenn der Arbeitgeber ein Arbeitsverhältnis, das dem allgemeinen Kündigungsschutz unterfällt, zunächst verhaltensbedingt außerordentlich und ordentlich kündigt, er aber daraufhin im Rahmen der Kündigungsschutzklage unterliegt und schließlich erneut, dann jedoch mit der Begründung kündigt, der Arbeitsplatz des Arbeitnehmers sei weggefallen, so beruht die zugrunde liegende unternehmerische Entscheidung nicht auf Rechtsmissbrauch. Dieser setzt voraus, dass ein Vertragspartner eine an sich rechtlich zulässige Gestaltung in einer mit Treu und Glauben unvereinbaren Weise nur dazu verwendet, sich zum Nachteil des anderen Vertragspartners Vorteile zu verschaffen, die nach dem Zweck der Norm oder des Rechtsinstituts nicht vorgesehen sind.
Dass eine später behauptete unternehmerische Entscheidung (auch) durch Gründe im Verhalten motiviert gewesen sein mag, führt nicht ohne Weiteres zur Annahme von Rechtsmissbrauch.