Rz. 3
Voraussetzung für die Anwendung des § 125 InsO ist zunächst – ebenso wie bei § 1 Abs. 5 KSchG – eine Betriebsänderung i. S. d. §§ 111, 112 BetrVG; bei der Insolvenz eines Kleinunternehmens mit weniger als 20 Arbeitnehmern oder eines Tendenzbetriebs nach § 118 Abs. 2 BetrVG kann der Verwalter daher nicht auf die Vorschrift zurückgreifen.
Rz. 4
Ferner verlangt auch § 125 InsO einen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Betriebsänderung und Interessenausgleich. Allerdings ist § 125 InsO insoweit weniger streng formuliert als § 1 Abs. 5 KSchG: Nach dem Wortlaut der Vorschrift genügt eine "geplante" Betriebsänderung. Daher ist es unschädlich, wenn die ursprünglich beabsichtigte Maßnahme im Laufe der weiteren Planungen oder Verhandlungen mit dem Betriebsrat nur einen geringeren Umfang erreicht und schließlich nicht mehr die Schwelle des § 111 BetrVG überschreitet. Gleichwohl ist es unzulässig, einen Interessenausgleich nach § 125 Abs. 1 InsO gewissermaßen "auf Vorrat" abzuschließen. Ein Insolvenzverwalter, der sich auf die Vermutungswirkung nach § 125 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO beruft, muss nachweisen, dass zum Zeitpunkt der Kündigung ein rechtswirksamer Interessenausgleich mit Namensliste vorlag und auch tatsächlich eine Betriebsänderung geplant war. Eine Betriebsänderung im Sinne der Insolvenzordnung ist geplant, wenn der Insolvenzverwalter ernsthaft beabsichtigt, sie durchzuführen – rein vorsorglich geführte Verhandlungen reichen nicht aus. Der Betriebsrat muss während der Verhandlung die Möglichkeit haben, auf die Willensbildung des Insolvenzverwalters einzuwirken und geplante Betriebsänderungen u. U. noch zu verhindern. Maßgeblich ist auch, dass die Voraussetzungen der geplanten Betriebsänderung zum Zeitpunkt des Abschlusses des Interessensausgleichs weiterhin vorliegen. Solange der Insolvenzverwalter noch eine Chance sieht, den Betrieb weiterzuführen, kann ein Interessenausgleich nicht mit den Vermutungswirkungen des § 125 InsO geschlossen werden.
Rz. 5
Der Interessenausgleich in § 125 InsO entspricht im Übrigen dem Interessenausgleich nach § 112 BetrVG. Das Schriftformerfordernis gilt sowohl für den Interessenausgleich als auch für die Namensliste; beide Dokumente müssen eine einheitliche Urkunde bilden. Ein Interessenausgleich, der mit Blick auf eine Betriebsänderung bereits verhandelt und abgeschlossen wurde, kann auch nachträglich um eine Namensliste ergänzt werden. Das BAG hat offengelassen, ob dies selbst dann gilt, wenn der Insolvenzverwalter bereits mit der Umsetzung der Maßnahme begonnen hat.
Dem Schriftformerfordernis wird auch Genüge getan, wenn die Namensliste zwar nicht im Interessenausgleich selbst, sondern in einer Anlage enthalten ist und Interessenausgleich und Namensliste eine einheitliche Urkunde bilden.
Dies ist unzweifelhaft der Fall, wenn sowohl Interessenausgleich und Namensliste unterschrieben und von Anfang an körperlich miteinander verbunden sind.
Ausreichend ist es jedoch auch, wenn lediglich die Haupturkunde unterschrieben ist, in ihr ausdrücklich Bezug auf die Anlage genommen wird sowie Haupturkunde und Anlage mittels Heftmaschine körperlich derart zu einer einheitlichen Urkunde verbunden sind, dass eine Lösung nur durch Gewaltanwendung (z. B. Lösen der Heftklammer) möglich ist.
Dagegen reicht es jedoch nicht aus, wenn eine bloße gedankliche Verbindung der Namensliste zum Interessenausgleich besteht. Im Augenblick der Unterzeichnung muss die Einheitlichkeit der Urkunde äußerlich erkennbar sein.
Ein freiwilliger Interessenausgleich kann die Rechtsfolgen des § 125 InsO dagegen nicht auslösen. Der Interessenausgleich muss insbesondere einer inhaltlichen Rechtskontrolle standhalten; er darf weder gegen die Grundsätze des § 75 Abs. 1 BetrVG noch gegen die Bestimmungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verstoßen.