Cesare Vannucchi, Dr. Brigitta Liebscher
Rz. 221
Die arbeitgeberseitige Kündigung muss nur dann sozial gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitnehmer allgemeinen Kündigungsschutz genießt. Die Voraussetzungen sind in §§ 1 Abs. 1, 14, 23 Abs. 1, 24 Abs. 1 und 25 KSchG geregelt.
1.4.1 Sachlicher Geltungsbereich
Rz. 222
Nach §§ 1 Abs. 1, 13 Abs. 1 Satz 1 KSchG muss nur eine ordentliche, arbeitgeberseitige (Beendigungs-)Kündigung sozial gerechtfertigt sein.
Rz. 223
Die soziale Rechtfertigung wird auch bei einer ordentlichen Änderungskündigung geprüft, und zwar
- wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot abgelehnt hat, denn dann wirkt die Änderungskündigung wie eine Beendigungskündigung,
- wenn der Arbeitnehmer das Änderungsangebot unter Vorbehalt angenommen hat, denn nach § 2 Satz 1 KSchG wird dann geprüft, ob die Änderung der Arbeitsbedingungen nach § 1 Abs. 2 Sätze 1–3, Abs. 3 Sätze 1 und 2 KSchG sozial gerechtfertigt ist.
Ausgenommen sind nach § 25 KSchG Kündigungen in Arbeitskämpfen.
1.4.2 Betrieblicher Geltungsbereich
Rz. 224
Nach § 23 Abs. 1 KSchG gilt der allgemeine Kündigungsschutz in allen Betrieben und Verwaltungen des privaten und des öffentlichen Rechts, aber nicht in sog. Kleinbetrieben, in denen i. d. R. 5 oder weniger Arbeitnehmer bzw. (bei Arbeitsverhältnissen nach dem 31.12.2003) 10 oder weniger Arbeitnehmer beschäftigt werden. Auch im Kleinbetrieb müssen jedoch die §§ 4–7, 13 Abs. 1 Sätze 1 und 2 KSchG beachtet werden.
§ 1 Abs. 1 KSchG unterscheidet zwischen "Betrieb" und "Unternehmen". Ein Privathaushalt ist weder ein "Betrieb" noch ein "Unternehmen".
§ 23 Abs. 1 KSchG stellt nur auf den Betrieb ab. Mangels Definition im KSchG gilt der Betriebsbegriff des § 1 BetrVG. Der Betriebsbezug des § 23 Abs. 1 KSchG ist verfassungsrechtlich unbedenklich, solange dadurch nicht im konkreten Fall die gesetzgeberischen Erwägungen für die Privilegierung von Kleinbetrieben ins Leere gehen und der Betriebsbegriff zu einer sachwidrigen Ungleichbehandlung betroffener Arbeitnehmer führt. Maßgeblich ist eine wertende Gesamtbetrachtung dahingehend, ob die Anwendung der Kleinbetriebsklausel unter Berücksichtigung der tatsächlichen Verhältnisse dem mit ihr verbundenen Sinn und Zweck (noch) gerecht wird. Der typische Kleinbetrieb ist geprägt von der engen Zusammenarbeit der Arbeitnehmer, sodass sich die Persönlichkeit und der Leistungsbeitrag eines jeden Einzelnen unmittelbar auf das Betriebsklima und die Funktionsfähigkeit der Einheiten auswirkt.
Ausnahmsweise kann auf die Unternehmensgröße abgestellt werden bei missbräuchlicher, willkürlicher Zersplitterung des Unternehmens in mehrere eigenständige Einheiten, allein darauf gerichtet, das Entstehen des allgemeinen Kündigungsschutzes zu verhindern.
Zu Schifffahrts- und Luftverkehrsbetrieben vgl. § 24 Abs. 1 KSchG.
1.4.3 Persönlicher Geltungsbereich/Wartezeit
Rz. 225
Nach § 1 Abs. 1 KSchG muss die ordentliche Kündigung des Arbeitgebers nur dann sozial gerechtfertigt sein, wenn das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als 6 Monate bestanden hat. Eine Sonderregelung für Besatzungsmitglieder im Dienst einer Reederei oder eines Luftverkehrsbetriebs enthält § 24 Abs. 2 KSchG.
Rz. 226
Da § 1 Abs. 1 KSchG nicht auf die Zeit der tatsächlichen Beschäftigung abstellt, sondern auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses, liegt der Sinn und Zweck der Wartezeit vorrangig darin, dass der Arbeitnehmer erst durch eine gewisse Dauer der Unternehmenszugehörigkeit das Recht auf die Arbeitsstelle erwerben soll. Daneben dient die Wartezeit dazu, dass die Parteien in einem Arbeitsverhältnis als Dauerschuldverhältnis eine gewisse Zeit lang prüfen können, ob sie sich auf Dauer binden wollen.
1.4.3.1 Berechnung der Wartezeit
Rz. 227
Der Arbeitnehmer hat die Wartezeit erfüllt, wenn sein Arbeitsverhältnis ohne Unterbrechung länger als 6 Monate in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb desselben Unternehmens bestanden hat.
Rz. 228
Die Frist wird anhand der §§ 187 Abs. 2 Satz 1, 188 Abs. 2 BGB berechnet. Demnach wird der 1. Tag des Arbeitsverhältnisses entsprechend der allgemeinen Verkehrsanschauung un...