Cesare Vannucchi, Dr. Brigitta Liebscher
Rz. 817
Nur objektiv miteinander vergleichbare Arbeitnehmer sind in die Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 KSchG einzubeziehen, d. h. die Arbeitnehmer müssen – bezogen auf die Merkmale des Arbeitsplatzes – grds. gegeneinander austauschbar sein. Die Austauschbarkeit bezieht sich nach st. Rspr. des BAG sowohl auf die Fähigkeiten und Kenntnisse der Arbeitnehmer als auch auf den Inhalt der von ihnen vertraglich geschuldeten Aufgaben. Allerdings genügt für die Annahme der Austauschbarkeit die teilweise Übereinstimmung der Aufgabenbereiche, eine völlige Identität ist nicht erforderlich. Vielmehr ist eine Übereinstimmung in dem Maße ausreichend, dass der dem zu kündigenden Arbeitnehmer vergleichbare Arbeitnehmer ohne erhebliche Einarbeitungszeit dessen Arbeitsplatz übernehmen könnte. Gefordert ist also eine zeitnahe Substituierbarkeit. Eine Vergleichbarkeit ist daher auch dann gegeben, wenn der Arbeitnehmer aufgrund seiner bisherigen Aufgaben im Betrieb sowie seiner beruflichen Qualifikation in der Lage ist, die andersartige, aber gleichwertige Arbeit eines Kollegen zu verrichten.
Auch in einem Betrieb, der Arbeitnehmerüberlassung betreibt, erstreckt sich die Sozialauswahl grds. auf die verliehenen und nicht verliehenen Arbeitnehmer mit vergleichbarem Tätigkeitsprofil. Die soziale Auswahl bezieht sich dabei nach der Rechtsprechung auf den Betrieb und nicht auf das Unternehmen (vgl. Rz. 13 ff.).
Im Rahmen einer Änderungskündigung, bei der ebenfalls eine Sozialauswahl durchzuführen ist, kommt es darauf an, ob die Arbeitnehmer auch in Bezug auf die Tätigkeit, die Gegenstand des Änderungsangebots ist, austauschbar sind.
Rz. 818
Nach der st. Rspr. des BAG richtet sich der Kreis der in die soziale Auswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer primär nach arbeitsplatzbezogenen Merkmalen, also zunächst nach der ausgeübten Tätigkeit. Vergleichbar sind auch Arbeitnehmer, die zwar keine identische Tätigkeit ausüben, sondern auch Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer Fähigkeiten und ihrer Ausbildung eine andersartige, aber gleichwertige Tätigkeit aufnehmen können. Die Notwendigkeit einer kurzen Einarbeitungszeit steht dabei der Vergleichbarkeit nach Ansicht des Gerichts nicht entgegen.
Eine Vergleichbarkeit scheidet hingegen aus, wenn eine Versetzung des Arbeitnehmers auf den frei werdenden Arbeitsplatz einseitig nicht möglich ist, z. B. weil ein Arbeitnehmer für eine bestimmte Tätigkeit eingestellt wurde und das Direktionsrecht des Arbeitgebers daher eine Versetzung nicht ohne Weiteres umfasst.
Rz. 819
Ferner kann die Zuordnung des Arbeitnehmers zu einem bestimmten Arbeitsbereich im Betrieb von Bedeutung sein und den Kreis der in die Sozialauswahl einzubeziehenden Arbeitnehmer einschränken. Wurde z. B. einem Arbeitnehmer unter Abänderung seines Arbeitsvertrags die Leitung eines konkreten Arbeitsbereichs übertragen und kündigt der Arbeitgeber diesem Arbeitnehmer später betriebsbedingt, weil der Arbeitsbereich wegfällt, so sind die ehemals vergleichbaren, ohne Leitungsfunktion in anderen Arbeitsbereichen beschäftigten Arbeitnehmer i. d. R. nicht in die soziale Auswahl einzubeziehen.
Auch wenn ein Arbeitnehmer nach dem Arbeitsvertrag nur innerhalb eines bestimmten Arbeitsbereichs versetzt werden kann, ist bei einer wegen Wegfalls dieses Arbeitsbereichs erforderlichen betriebsbedingten Kündigung keine Sozialauswahl unter Einbeziehung der vom Tätigkeitsfeld vergleichbaren Arbeitnehmer anderer Arbeitsbereiche vorzunehmen.
Verrichtet ein Arbeitnehmer seine Arbeit im Home-Office, so kommt es für die Vergleichbarkeit mit anderen Arbeitnehmern darauf an, dass deren Tätigkeit es ebenfalls zulässt, sie von zu Hause aus zu erbringen.