Rz. 11
Kommt der Arbeitgeber im Anschluss an eine von ihm ausgesprochene unwirksame fristlose Kündigung in Annahmeverzug, so endet dieser auch dann nicht, wenn er dem Arbeitnehmer vorsorglich einen für die Dauer des Kündigungsrechtsstreits befristeten neuen Arbeitsvertrag zu den bisherigen Bedingungen oder eine durch die rechtskräftige Feststellung der Wirksamkeit der Kündigung auflösend bedingte Fortsetzung des Vertrags anbietet und der Arbeitnehmer dieses Angebot ablehnt. Der Arbeitnehmer ist arbeitsvertraglich nicht verpflichtet, während eines noch laufenden Kündigungsschutzverfahrens einer Prozessbeschäftigung zuzustimmen. Die Weigerung der Arbeitsaufnahme im Rahmen einer Prozessbeschäftigung oder eines Prozessarbeitsverhältnisses kann auch nicht zu den Bestand des Arbeitsverhältnisses gefährdenden Sanktionen (Abmahnung, Kündigung) führen. Die Ablehnung eines solchen Angebots des Arbeitgebers kann jedoch ein böswilliges Unterlassen anderweitigen Erwerbs i. S. d. § 615 Satz 2 BGB darstellen.
Lehnt der Arbeitnehmer es ab, für die Dauer des Kündigungsschutzprozesses bei seinem bisherigen Arbeitgeber weiterzuarbeiten, indiziert dies alleine nicht fehlenden Leistungswillen i. S. d. § 297 BGB. Die möglichen Rechtsfolgen der Ablehnung einer Prozessbeschäftigung richten sich ausschließlich nach § 11 Nr. 2 KSchG.
Für diese Beurteilung kommt es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere auf Art und Begründung der Kündigung und das Verhalten des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess, an. Auf eine dauerhafte Änderung des Arbeitsvertrags muss sich der Arbeitnehmer aber nicht einlassen.
Wird eine Kündigung auf verhaltensbedingte Gründe gestützt, spricht dieser Umstand eher für die Unzumutbarkeit der vorläufigen Weiterarbeit für den Arbeitnehmer im Betrieb. Die in § 242 BGB gründende Obliegenheit des Arbeitnehmers, während des Kündigungsschutzprozesses unter Umständen auch beim kündigenden Arbeitgeber zu dessen finanzieller Entlastung arbeiten zu müssen, findet dort eine Grenze, wo der Arbeitgeber selbst in einer mit § 242 BGB nicht zu vereinbarenden Art und Weise sich widersprüchlich verhält, indem er im Bestreben, ein finanzielles Risiko zu vermeiden, Arbeitsleistung einfordert, obwohl er gleichzeitig schwere Vorwürfe gegen den gekündigten Arbeitnehmer erhebt und dessen Weiterbeschäftigung für unzumutbar hält.
Während eines laufenden Kündigungsschutzprozesses ist der gekündigte Arbeitnehmer, soweit er in erster Instanz ein vorläufig vollstreckbares Weiterbeschäftigungsurteil erstritten hat, nicht verpflichtet, neben dem gekündigten Arbeitsverhältnis ein befristetes Prozessarbeitsverhältnis einzugehen. § 11 Nr. 2 KSchG regelt – wie § 615 Satz 2 BGB – eine aus § 242 BGB hergeleitete Obliegenheit, aus Rücksichtnahme gegenüber dem Arbeitgeber einen zumutbaren Zwischenverdienst zu erzielen. Die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers findet jedoch dort eine Grenze, wo der Arbeitnehmer einen (vorläufig) vollstreckbaren Titel und damit einen den Arbeitgeber bindenden Rechtsanspruch hat. Das Beharren des Arbeitnehmers darauf, dass der Arbeitgeber seine aus dem (vorläufig) vollstreckbaren Titel folgende Rechtspflicht erfüllt, ist nicht treuwidrig i. S. d. § 242 BGB.
Die nach Ausspruch einer Kündigung getroffene Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, den Arbeitnehmer nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses befristet weiter zu beschäftigen, bedarf zu ihrer Wirksamkeit nach § 14 Abs. 4 TzBfG der Schriftform.