Rz. 54
Ein Gemeinschaftsbetrieb mehrerer Unternehmen liegt vor, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird. Die beteiligten Unternehmen müssen sich ferner zumindest stillschweigend zu einer gemeinsamen Führung rechtlich verbunden haben. Die einheitliche Leitung muss sich auf die wesentlichen Funktionen in personellen und sozialen Angelegenheiten (§§ 92 ff., 87 ff. BetrVG) erstrecken und institutionell einheitlich wahrgenommen werden.[1] In Zweifelsfällen kann auf die Vermutung des § 1 Abs. 2 BetrVG abgestellt werden. Bilden mehrere Unternehmen (Rechtsträger) einen gemeinschaftlichen Betrieb/Gemeinschaftsbetrieb, so ist bei der Ermittlung, ob die Schwellenwerte überschritten werden, auf die regelmäßige Arbeitnehmerzahl im Gemeinschaftsbetrieb abzustellen.[2] Dies gilt auch unter Berücksichtigung des im Rahmen des § 17 KSchG allein maßgeblichen unionsrechtlichen Betriebsbegriffs.[3] Bei einer Personalreduzierung im Gemeinschaftsbetrieb zweier Unternehmen ist also für die Anzeigepflicht nach § 17 Abs. 1 KSchG auf die Zahl der insgesamt von allen beteiligten Arbeitgebern zu Entlassenden im Verhältnis zur Zahl der im Gemeinschaftsbetrieb i. d. R. Beschäftigten abzustellen,[4] sofern der Gemeinschaftsbetrieb die unter Berücksichtigung des unionsrechtlichen Betriebsbegriffs maßgebliche Einheit ist. Erstattet nur einer der Arbeitgeber für die in seinem Unternehmen erfolgenden Entlassungen eine Massenentlassungsanzeige, während der andere Arbeitgeber bezogen auf die in seinem Unternehmen angestellten Arbeitnehmer des Gemeinschaftsbetriebs die Anzeige (pflichtwidrig) unterlässt, kann sich ein von der Anzeige nicht erfasster Arbeitnehmer auf die Fehlerhaftigkeit der Anzeige und die daraus folgende Unwirksamkeit der Kündigung berufen.[5] Die unterlassene Anzeige wird auch im Falle des § 125 Abs. 1 InsO nicht dadurch geheilt, dass der Massenentlassungsanzeige des einen Unternehmens ein Interessenausgleich mit Namensliste beigefügt wird, aus dem sich die Anzahl der insgesamt zu Entlassenden, einschließlich derer des Partnerunternehmens, ergibt.[6]
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