2.1 Verfolgung wirtschaftlicher Zwecke

 

Rz. 4

Voraussetzung für das Eingreifen der geänderten Zuständigkeitsregelung bei Massenentlassungen ist zunächst, dass es sich um einen Betrieb mit wirtschaftlicher Zwecksetzung handelt. Gem. § 23 Abs. 2 KSchG gelten die Vorschriften des 3. Abschnitts – d. h. die Regelungen zu anzeigepflichtigen Entlassungen nach §§ 17 ff. KSchG – im Hinblick auf die von der öffentlichen Verwaltung geführten Betriebe nur, soweit diese wirtschaftliche Zwecke verfolgen.[1] Hiervon ist in Abgrenzung zu hoheitlichen Zwecken dann auszugehen, wenn der Betrieb Aufgaben verfolgt, die ein privates Unternehmen in gleicher Weise wahrnehmen könnte.[2]

[1] KR/Weigand/Heinkel, § 21 KSchG Rz. 3.
[2] Zu weiteren Einzelheiten vgl. Thüsing, § 23 Rz. 11 ff.

2.2 Geschäftsbereich der beiden Bundesministerien

 

Rz. 5

Der von der geplanten Entlassung betroffene Betrieb muss ferner zum Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr oder – derzeit ohne Anwendungsbereich (vgl. Rz. 3) – für Post und Telekommunikation gehören. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn der Betrieb aufgrund einer dem Eigentum vergleichbaren Rechtsposition[1] unmittelbar dem jeweiligen Bundesministerium untersteht und damit die Entlassungen durch ministerielle Weisung erfolgen können.[2] Das ist z. B. bei den für Bundeswasserstraßen, Bundesautobahnen und Bundesfernstraßen zuständigen Verkehrsanstalten des öffentlichen Rechts der Fall.[3] Nicht ausreichend ist dagegen, dass lediglich ein beherrschender Einfluss aufgrund einer Konzernbeziehung besteht, da es insbesondere bei Aktiengesellschaften ohne Beherrschungsvertrag angesichts der Weisungsfreiheit des Vorstands (vgl. § 76 Abs. 1 AktG) am erforderlichen direkten Zugriff des jeweiligen Bundesministeriums fehlt.[4] Ebenso wenig genügt eine öffentlich-rechtliche Zuständigkeit für die Erteilung der Betriebserlaubnis und/oder die Überwachung der Betriebsführung. Demnach fallen Betriebe von privaten Verkehrsunternehmen (Luftlinien, Privatbahnen, Regionalverkehrslinien), private Paket- und Briefdienste sowie Telekommunikationsgesellschaften nicht unter § 21 KSchG.[5] Konkret bedeutet dies, dass es im Hinblick auf die Deutsche Lufthansa AG, die Deutsche Bahn AG, die Deutsche Post AG, die Deutsche Postbank AG oder die Deutsche Telekom AG bei der Zuständigkeitsregelung des § 20 KSchG verbleibt.[6]

[1] Vgl. BAG, Urteil v. 4.3.1993, 2 AZR 451/92, AP KSchG 1969 § 1 Betriebsbedingte Kündigung Nr. 60.
[2] KR/Weigand/Heinkel, § 21 KSchG Rz. 3; APS/Moll, § 21 KSchG Rz. 7.
[3] Vgl. in der inzwischen von den FW abgelösten GA KSchG 21.5; KR/Weigand/Heinkel, § 21 KSchG Rz. 1, 3.
[4] APS/Moll, § 21 KSchG Rz. 7; a. A LKB/Bayreuther, KSchG, 15. Aufl. 2013, § 21 KSchG Rz. 2.
[5] Vgl. in der inzwischen von den FW abgelösten GA KSchG 21.5.
[6] APS/Moll, 21 KSchG Rz. 7; a. A. LKB/Bayreuther, KSchG, § 21 KSchG Rz. 2.

2.3 Überschreiten des Schwellenwerts

 

Rz. 6

Voraussetzung für die Anwendung des § 21 KSchG ist schließlich auch, dass es sich um eine Entlassung von mehr als 500 Arbeitnehmern handelt. Bleibt die Anzahl der zu entlassenden Arbeitnehmer darunter, gelten die allgemeinen Vorschriften. Bei der Berechnung des Schwellenwerts kommt es dabei auf einen einzelnen Betrieb an,[1] wobei insoweit auf den (unionsrechtlichen) Betriebsbegriff des § 17 abzustellen ist.[2] Aufgrund des insofern eindeutigen Wortlauts und der an den Betriebsbegriff anknüpfenden Gesetzessystematik des 3. Abschnitts sind mehrere Betriebe nicht zusammenzurechnen.[3] Die Arbeitnehmer unterschiedlicher Arbeitgeber sind nur dann zusammenzurechnen, wenn und soweit die Unternehmen einen Gemeinschaftsbetrieb bilden.

[1] KR/Weigand/Heinkel, § 21 KSchG Rz. 6; LKB/Bayreuther, KSchG, § 21 KSchG Rz. 3; NK-ArbR/Boemke, 2. Aufl. 2023, § 21 KSchG Rz. 1; BeckOGK/Holthusen, § 21 KSchG Rz. 11.
[2] KR/Weigand/Heinkel, § 21 KSchG Rz. 6; BeckOGK/Holthusen, § 21 KSchG Rz. 11; BeckOK-ArbR/Volkening, § 21 KSchG Rz. 4.
[3] APS/Moll, § 21 KSchG Rz. 8; LKB/Bayreuther, KSchG, § 21 KSchG Rz. 3; KR/Weigand/Heinkel, § 21 KSchG Rz. 6.

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