Rz. 17
Das Merkmal der persönlichen Abhängigkeit wird – gleichfalls entsprechend der Rechtsprechung des BAG vor Inkrafttreten des § 611a BGB – durch die fachliche Weisungsgebundenheit bei Erbringung der Arbeitsleistung in Abs. 1 Satz 2 konkretisiert. Das Gesetz spricht vom Weisungsrecht bezüglich des Inhalts und der Durchführung der Tätigkeit. Dass der Dienstverpflichtete hinsichtlich seiner Arbeitsleistung dem Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt, ist aber nur ein, wenn auch besonders wichtiges Indiz für die Feststellung eines Arbeitsverhältnisses. Für sich allein vermag es eine Arbeitnehmereigenschaft nicht belegen, denn auch ein durch freien Dienstvertrag Verpflichteter kann den Weisungen des Dienstgebers verpflichtet sein. Dies gilt selbst beim Werkvertrag, wie § 645 Abs. 1 BGB belegt. Damit die fachliche Weisungsgebundenheit ein Indiz bilden kann, müssen daher regelmäßig die Weisungen umfassend oder doch von einer gewissen Erheblichkeit sein und nicht nur den groben Rahmen vorgeben oder untergeordnete Teile der Tätigkeit betreffen. Weisungen gegenüber Selbstständigen sind regelmäßig sachbezogen und ergebnisorientiert, wohingegen arbeitsvertragliche Weisungen personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert sind und daher Anleitungen zur Vorgehensweise und zur Motivation des Mitarbeiters enthalten.
Fehlt andererseits die fachliche Weisungsgebundenheit, so spricht auch dies nicht notwendigerweise gegen die Arbeitnehmereigenschaft. Das gilt insbesondere bei Diensten höherer Art. Die Art der Tätigkeit kann es mit sich bringen, dass dem Dienstverpflichteten ein hohes Maß an Gestaltungsfreiheit, Eigeninitiative und fachlicher Selbstständigkeit verbleibt. Daher kann ein Chefarzt Arbeitnehmer sein. Das Gleiche gilt für Honorarlehrkräfte. Die Besonderheit der zu leistenden Arbeit hat hier zur Folge, dass eine fachliche Weisungsgebundenheit nicht in Betracht kommt. Ein Ausdruck fachlicher Weisungsgebundenheit sind Berichtspflichten oder sonstige Anzeigepflichten. Einer umfassenden Kontrolle unterliegt nur der Arbeitnehmer; der Selbstständige braucht sich Kontrollen nicht in gleichem Maße gefallen zu lassen.
Rz. 18
Neben der fachlichen Weisungsgebundenheit hat die Rechtsprechung sehr früh auch auf eine Weisungsgebundenheit nach Ort und Zeit der Arbeitsleistung abgestellt. Auch diese Kriterien sind nun in § 611a Abs. 1 Satz 2 ausdrücklich aufgenommen. Es kann hierbei unmittelbar an das Vorbild des § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB angeknüpft werden. Das BAG verneint deshalb bei freier Einteilung der Arbeitszeit häufig eine Arbeitnehmereigenschaft.
Wie die fachliche Weisungsgebundenheit ist aber auch die Weisungsgebundenheit nach Ort und Zeit der Arbeitsleistung nur ein Indiz, kein bindendes Kriterium für die Anerkennung der Arbeitnehmereigenschaft. Der Annahme einer persönlichen Abhängigkeit steht es daher nicht entgegen, dass sich die Tätigkeit eines Mitarbeiters nicht nach Zeit und Ort festlegen lässt; es genüge, dass sie "aus anderen Gründen fremdbestimmte Arbeit leisten".
Eine zeitliche Weisungsgebundenheit kann auch aus der Festlegung eines in einer bestimmten Zeitspanne zu erledigenden Mindestsolls folgen. Dies ist jedoch dann nicht anzunehmen, wenn die Grenzen so gesetzt sind, dass den Mitarbeitern ein erheblicher Spielraum verbleibt, denn auch im Rahmen von Dienst- und Werkverträgen können davon dem Dienstberechtigten oder dem Besteller Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne dass daraus eine zeitliche Weisungsabhängigkeit folgt, wie sie für ein Arbeitsverhältnis regelmäßig kennzeichnend ist.
Rz. 19
Die örtliche Weisungsgebundenheit wird in der Rechtsprechung des BAG stets im Zusammenhang mit der fachlichen und zeitlichen Weisungsgebundenheit benannt, ist aber soweit ersichtlich nie als entscheidendes Indiz herangezogen worden. Oftmals ergibt sich der Ort schon zwingend aus der Art der Tätigkeit. Das Kriterium der örtlichen Weisungsgebundenheit geht dann auf in dem Kriterium der Eingliederung in die betriebliche Organisation des Arbeitgebers. Bei anderen Mitarbeitern (Außendienst, Telearbeitsplätze, Journalist, Bildberichterstatter) entfällt die örtliche Weisungsgebundenheit gänzlich, ohne dass dies gegen den Arbeitnehmerstatus sprechen würde. Oft wird eine zeitliche Weisungsgebundenheit mit einer örtlichen zusammenfallen und damit ein gemeinsames, regelmäßig gewichtiges Indiz für die Arbeitnehmereigenschaft bilden.