Mindestlohn im Yoga Ashram

Ein Arbeitgeber muss drei ehemaligen Ashram-Mitgliedern Mindestlohn nachzahlen. Das LAG Hamm entschied, dass eine Juristin sowie weitere ehemalige Mitglieder der Yoga Vidya Gemeinschaft für ihre jahrelange Tätigkeit für den Verein entsprechend bezahlt werden müssen. Dass die Mitglieder in einem Arbeitsverhältnis standen, hatte zuvor bereits das Bundesarbeitsgericht entschieden. 

Ein Leben für die Verbreitung der Yoga-Lehre nach indischer Tradition: dem hatte sich eine Juristin über acht Jahre als Mitglied des gemeinnützigen Vereins Yoga Vidya verschrieben. Der Verein bietet Kurse, Ausbildungen und Weiterbildungen im Bereich Yoga, Meditation, Ayurveda, Massage, Gesundheit und Spiritualität an. Er versteht sich als spirituelle Gemeinschaft, die sich selbst verwaltet. Die Mitglieder leben als sogenannte Sevaka in Lebensgemeinschaften zusammen. In Seminarhäusern, auch Ashrams genannt, widmen sie sich der spirituellen Praxis und verrichten zudem je nach Eignung unterschiedliche Dienste "zum Wohl der Gemeinschaft, der Verbreitung des Yoga sowie des spirituellen Wachstums".

So auch die Juristin im vorliegenden Fall. Nach dem Ende ihrer Mitgliedschaft kam es zum Rechtsstreit, als sie ebenso wie zwei weitere Mitglieder für ihre Tätigkeiten rückwirkend zumindest den Mindestlohn forderte. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gab ihr Recht, konnte aber über die Höhe des Mindestlohnanspruchs aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht entscheiden. Den Rechtsstreit verwies es daher zurück an das LAG Hamm. Das Gericht entschied nun, dass der Juristin rückwirkend Mindestlohn von rund 42.000 Euro zusteht. 

Der Fall: Ehemaliges Mitglied von Yoga Vidya fordert Gehalt

Die Juristin lebte von 2012 bis 2020 im Ashram des Vereins in Bad Meinberg in Nordrhein-Westfalen. Zu den Tätigkeiten, die die Mitglieder dort ausführen, gehören solche in Lehre, Haushalt oder Büro. Laut Vertrag tun sie dies als Sevaka uneigennützig "zum Dienste der Gemeinschaft und zur eigenen spirituellen Entwicklung", wohlwissend, dass sie dafür kein Gehalt beziehen, wobei der Verein auch externe Mitarbeitende in einem Arbeitsverhältnis beschäftigt. Der Verein bietet dafür Unterkunft, Verpflegung, soziale Absicherung und ein Taschengeld in Höhe von maximal 400 Euro.

2020 beendete die langjährige Sevaka und ausgebildete Yoga Vidya Priesterin ihre Mitgliedschaft. Im Anschluss forderte sie rückwirkend ab 2017 von Yoga Vidya ein Gehalt von rund 200.000 Euro, zumindest den Mindestlohn in Höhe von 46.000 Euro für ihre Tätigkeiten. Nach eigenen Angaben war sie ab Mitte August 2017 rund 42 Stunden pro Woche im Team Social Media / Onlinemarketing tätig gewesen, wo sie Artikel und Videos veröffentlichte. Seit Oktober 2017 war sie stellvertretende Teamleitung im Onlinemarketing und seit September 2018 die dortige Teamleitung. In den darauffolgenden Jahren übernahm sie teilweise spirituelle Rituale, die Seminarplanung sowie Aufgaben im Bereich Datenschutz. 

Spirituelles Mitglied in hinduistischer Klostergemeinschaft oder Arbeitnehmerin?

Der Arbeitgeber berief sich darauf, dass die Frau gemeinnützige Seva-Dienste als Mitglied einer hinduistischen Ashramgemeinschaft und nicht in einem Arbeitsverhältnis geleistet habe. Die Religionsfreiheit nach Art. 4 Abs. 1 und Abs. 2 GG und das Selbstbestimmungsrecht aus Art. 140 GG iVm. Art. 137 WRV ermöglichten es, eine geistliche Lebensgemeinschaft zu schaffen, in der die Mitglieder außerhalb eines Arbeitsverhältnisses gemeinnützigen Dienst an der Gesellschaft leisteten.

BAG: Arbeitsverhältnis im Ashram

Anders als die Vorinstanz, das LAG Hamm, entschied das oberste Arbeitsgericht, dass das ehemalige Mitglied Arbeitnehmerin von Yoga Vidya e.V. war und damit Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn für den geforderten Zeitraum habe. Nach Auffassung des Gerichts war die Juristin vertraglich zu Seva-Diensten und damit im Sinne von § 611a Abs. 1 BGB zur Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit verpflichtet. Der Arbeitnehmereigenschaft standen aus Sicht des BAG im konkreten Fall weder die besonderen Gestaltungsrechte von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften noch die Vereinsautonomie des Art. 9 Abs. 1 GG entgegen.

Yoga Vidya ist keine Religion

Der Verein Yoga Vidya e.V. sei weder eine Religions- noch eine Weltanschauungsgemeinschaft. Dafür fehle das erforderliche Mindestmaß an Systembildung und Weltdeutung. In seiner Satzung beziehe sich der Verein auf Weisheitslehren, Philosophien und Praktiken aus Indien und anderen östlichen und westlichen Kulturen sowie auf spirituelle Praktiken aus Buddhismus, Hinduismus, Christentum, Taoismus und anderen Weltreligionen. Aufgrund dieses weit gefassten Spektrums war für das Gericht kein systemisches Gesamtgefüge religiöser bzw. weltanschaulicher Elemente und deren innerer Zusammenhang mit der Yoga Vidya Lehre hinreichend erkennbar.

Arbeiten für den Verein nur bei Existenzsicherung

Auch die grundgesetzlich geschützte Vereinsautonomie (Art. 9 Abs. 1 GG) erlaubt die Erbringung fremdbestimmter, weisungsgebundener Arbeitsleistung in persönlicher Abhängigkeit außerhalb eines Arbeitsverhältnisses allenfalls dann, wenn zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen nicht umgangen werden. Zu diesen zählt laut BAG eine Vergütungszusage, die den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn garantiert, auf den Kost und Logis nicht anzurechnen sind. Denn dieser bezwecke die Existenzsicherung durch Arbeitseinkommen als Ausdruck der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG).

BAG verweist zurück ans LAG Hamm

Nachdem das BAG diese rechtliche Bewertung in zwei Verfahren getroffen hatte, verwies es an das LAG Hamm zurück. Das Gericht hat bestätigt, dass es sich bei den jeweiligen Rechtsbeziehungen um Arbeitsverhältnisse handelt. Der Verein sei in den streitgegenständlichen Zeiträumen weder Religions- noch Weltanschauungsgemeinschaft gewesen. Auch die Vereinsautonomie stehe den Ansprüchen nicht entgegen. Dabei bestehe in zwei der Verfahren schon insoweit eine Bindungswirkung aufgrund der vorhergehenden Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts. Neue Tatsachen, die zu einer anderen rechtlichen Wertung führen würden, waren nach Angaben des Gerichts nicht gegeben.

Bei dem Umfang der Zahlungsansprüche berücksichtigte das LAG Hamm die tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden sowie weitere Zeiten, für die ein Zahlungsanspruch in Höhe des Mindestlohns besteht. Dabei stellte es fest, dass aufgrund der durch die Parteien vorgetragenen Tatsachen jeweils von einem geringeren Betrag auszugehen sei, als diese geltend gemacht hätten. Immerhin 42.000 Euro hielt das Gericht im Fall der Juristin für gerechtfertigt, ebenso für ein weiteres Mitglied, im dritten Fall waren es 19.000 Euro.


Hinweis: LAG Hamm, Urteile vom 14. Mai 2024, Az. 6 Sa 1128/23, Az. 6 Sa 1129/23, Az. 6 Sa 1112/23, zuvor Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. April 2023, Az: 9 AZR 253/22


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Schlagworte zum Thema:  Arbeitsverhältnis, Gehalt, Mindestlohn, BAG-Urteil