Skurrile Urteile aus dem Arbeitsrecht

Im Arbeitsrecht geht es immer um Menschen und das menschliche Miteinander. Und genau das bietet immer wieder Anlass für skurrile, absurde und auch witzige Momente. Grund genug, zehn Urteile mit einem ge­wissen Unterhaltungswert zusammenzustellen.

Kindergarten Arbeitsplatz

Die Spielchen aus dem Kindergarten haben zwei Kollegen am Arbeitsplatz fortgesetzt. Der eine sperrte den anderen nach einem Streit auf der Toilette ein. Nein, natürlich ist nicht bekannt, seit wann sich beide kannten und leider auch nicht der Grund für die Auseinandersetzung. Sicher ist aber, dass die fristlose Kündigung folgte.

Arbeitsgericht Siegburg, Urteil vom 11. Februar 2021, Az. 5 Ca 1397/20

Lügen wie der Arbeitgeber

Die Chefredakteurin eines Boulevardblatts war verantwortlich für die Veröffentlichung eines Interviews, das die Redaktion angeblich mit dem ehemaligen Rennfahrer Michael Schumacher geführt habe. Tatsächlich war das Gespräch mit KI gefaked, was in der Öffentlichkeit für viel Ärger sorgte. Der Verlag kündigte der verantwortlichen Redakteurin. Den Kündigungsrechtsstreit gewann sie allerdings. Interessant war die Begründung des Gerichts, die mehr oder weniger so lautete, dass die Chefredakteurin bei den üblichen zulässigen Lügen in der Yellow Press nicht habe wissen können, dass diese Geschichte das Maß aus Sicht des Arbeitgebers überspanne.

Arbeitsgericht München, Urteil vom 29. Februar 2024, Az. 13 Ca 4781/23

"Etwas Scheiß gebaut"

Nach der Firmenweihnachtsfeier in einem Restaurant stürzte ein Mitarbeiter einer südbadischen Winzergenossenschaft zusammen mit einem Kollegen im Aufenthaltsraum ab. Das Trinkgelage blieb nicht unbemerkt: Auf dem Tisch standen am nächsten Morgen vier leere Flaschen Wein, im Mülleimer lagen zahlreiche Zigarettenstummel, auf dem Fußboden eine zerquetschte Mandarine, die zuvor an die Wand geworfen worden war. Einer der beiden hatte sich zudem neben der Eingangstür erbrochen. Er habe "etwas Scheiße gebaut", fand der Mitarbeiter und wehrte sich gegen die vermeintlich ungerechtfertigte Kündigung. Das sahen die Richter in zweiter Instanz anders. Letztlich einigte man sich auf einen Vergleich.

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 24. März 2023, Az. 3 Sa 284/23

Silvester unter Palmen 

Bei einer Fernsehsendung mitzuwirken, gerade wenn sie mit einer Fernreise verbunden ist, übt auf Berufstätige immer wieder eine Faszination aus. Schade nur, wenn der Arbeitgeber eine Urlaubssperre verhängt. Eine Arbeitnehmerin, die dennoch eigenmächtig ihren Urlaub nach Venezuela antrat, kassierte die Kündigung, nachdem sie auf RTL 2 in einer Livesendung "Silvester unter Palmen zu sehen war". Ihre Begründung, sie habe nach einem psychischen Zusammenbruch einen Ortswechsel gebraucht und sei am Strand von einem Kamerateam angesprochen worden, überzeugte das Gericht nicht.

Arbeitsgericht Nürnberg, Urteil vom 28. Juli 1998, Az. 6 Ca 492/98

Ab ins Dschungelcamp

Auch eine Lehrerin wurde zu Recht entlassen, nachdem sie sich krankmeldete, um ihre Tochter zur Fernsehshow "Dschungelcamp" nach Australien zu begleiten.

OVG Niedersachsen, Urteil vom 10.Dezember 2019, Az. 3 LD 3/19

Montiert mobil? 

Ein Laptop ist üblicherweise dafür da, dass man mobil arbeiten kann. Darf ein Arbeitgeber seinem Betriebsrat das verweigern? Er verlangte, dass der Laptop fest im Betriebsratsbüro montiert werden sollte. Der Betriebsrat musste vor Gericht erkämpfen, den Laptop standortunabhängig nutzen zu dürfen – mit Erfolg. Eine Befestigung würde der definitionsgemäßen Verwendungsmöglichkeit entgegenstehen, erkannten die Richter.

Arbeitsgericht Köln, Beschluss vom 10. Januar 2023, Az. 14 BV 208/20

Mindestlohn im Yoga Ashram

Ein Leben für die Verbreitung der Yoga-Lehre nach indischer Tradition: dem hatte sich eine Juristin über acht Jahre als Mitglied des gemeinnützigen Vereins Yoga Vidya verschrieben. Nach dem Ende ihrer Mitgliedschaft kämpfte sie darum, für ihre jahrelangen Dienste "zum Wohl der Gemeinschaft, der Verbreitung des Yoga sowie des spirituellen Wachstums" bezahlt zu werden. Das BAG erkannte ein Arbeitsverhältnis und entschied: Wenigstens den Mindestlohn muss ihr der Arbeitgeber zahlen.

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25. April 2023, Az. 9 AZR 253/22

Nein, die rote Hose trag ich nicht

Warum ein Arbeitnehmer sich nach Jahren im Produktionsbetrieb plötzlich weigerte, eine vom Arbeitgeber gestellte rote Sicherheitshose zu tragen, um stattdessen nur noch in einer schwarzen Hose zu erscheinen, hat er vor Gericht nicht erklärt. War es ein neu erwachtes Modebewusstsein nach dem Motto "Schwarz macht schlank" oder doch Rot-Grün-Blindheit? Das Gericht stellte jedenfalls fest: Der Arbeitgeber darf auf die rote Hose bestehen. Die beharrliche Weigerung des Arbeitnehmers, eine solche zu tragen, rechtfertigte seine Kündigung.

LAG Düsseldorf, Urteil vom 21. Mai 2024, Az. 3 SLa 224/24

Schlafender Betriebsrat

Um den Schlaf eines Mitarbeiters ging es in einem anderen Fall. Der Arbeitgeber warf dem Betriebsratsmit­glied einen Arbeitszeitbetrug vor, weil er während der Arbeitszeit im Pausenraum tief und fest geschlafen habe. Das Gericht fand das Schlafbedürfnis nicht ganz so schlimm. Jedenfalls rechtfertige das  Überschreiten der Pausenzeit auch nach einschlägiger Abmahnung keine fristlose Kündigung.

Arbeitsgericht Siegburg, Beschluss vom 3. Mai 2017, Az. 4 BV 56/16

Vom "Du" zum "Sie"

Das Unternehmen, in dem ein Mitarbeiter tätig war, wurde von einem schwedischen Bekleidungsunternehmen übernommen. Damit war mit einer neuen Unternehmenskultur das "Duzen am Arbeitsplatz" die neue Normalität. Das Arbeitsverhältnis litt in der darauffolgenden Zeit, nicht erst als ein Mitarbeiter korrekte Umgangsformen, nämlich das Siezen wieder einforderte. Das Gericht urteilte, dass der Mitarbeiter nicht verlangen könne, gesiezt zu werden, da er das Du fast ein Jahr lang geduldet hatte.

LAG Hamm, Urteil vom 29. Juli 1998, Az. 14 Sa 1145/98

Vom Partyschiff gesprungen

Übertrieben hat es in den Augen seines Arbeitgebers auch ein Mitarbeiter, der während der Betriebsfeier von Bord des Partyschiffes sprang. Er entkleidete sich bis auf die Unterhose und schwamm im Rhein um das Schiff herum. Schon auf der letzten Feier hatte der Mitarbeiter für Aufsehen gesorgt, weil er mit einem lebensgroßen Deko-Plastik-Flamingo getanzt hatte. Diesmal quittierte der Arbeitgeber den Vorfall mit der Kündigung. Vor Gericht deutete sich eine Niederlage an, da vorher eine Abmahnung hätte erfolgen müssen. Letztlich verständigten sich die Parteien darauf, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen und der Trainee akzeptierte eine Abmahnung in seiner Personalakte.

LAG Düsseldorf, Vergleich vom 18. Juli 2023, Az. 3 Sa 211/23


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