Rz. 31
Da den Arbeitnehmern durch die Teilnahme an den regelmäßigen Betriebsversammlungen weder Verdienstausfall noch Kosten entstehen sollen, gewährt § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG den Arbeitnehmern einen Vergütungsanspruch auch für die zusätzlichen Wegezeiten und bestimmt § 44 Abs. 1 Satz 3 BetrVG, dass Fahrtkosten, die den Arbeitnehmern wegen der Teilnahme an der Betriebsversammlung entstehen, vom Arbeitgeber zu erstatten sind. Daraus folgt aber nicht, dass der Arbeitgeber – losgelöst von den für ihn geltenden tariflichen oder vertraglichen Bestimmungen – stets verpflichtet ist, die Zeit für die Fahrt von der Wohnung zu einer außerhalb des Betriebsgeländes stattfindenden Betriebsversammlung in vollem Umfang vergütungsrechtlich als Arbeitszeit zu bewerten. Die Höhe der Vergütung für die Teilnahme an der Betriebsversammlung und die Wegezeiten richten sich nach dem jeweiligen tarif- und arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch. Ist kein Anspruch auf volle vergütungsrechtliche Anrechnung der Fahrten zwischen der Wohnung und dem Ort der Betriebsversammlung vorgesehen, so besteht dieser nicht. Insbesondere handelt es sich bei diesen Fahrten nicht um Dienstreisen.
Rz. 32
Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die Zeiten der Teilnahme an der Betriebsversammlung sowie die Fahrzeiten zur selbigen arbeitszeitrechtlich als Arbeitszeit zu werten sind. Unter arbeitszeitrechtlichen Gesichtspunkten ist vor allem entscheidend, ob der Arbeitnehmer in den Zeiten zur Ruhe kommen und sich von der Arbeit erholen kann oder dieser Erholungswert nicht möglich ist.
Die Betriebsversammlung dient betrieblichen Interessen, nämlich der wechselseitigen Information des Betriebsrats und der Arbeitnehmer. Zudem bietet sie keinen Rückzugsraum für die Erholung des Arbeitnehmers. Deshalb ist die Zeit der Teilnahme an der Betriebsversammlung arbeitsschutzrechtlich nicht Ruhe, sondern als Arbeitszeit i. S. v. § 2 Abs. 1 Satz 1 ArbZG zu werten. Jede andere Auslegung dürfte kaum mit Sinn und Zweck der zugrundeliegenden EU-Arbeitszeitrichtlinie 2003/88/EG vereinbar sein. Der Arbeitgeber muss deshalb im Rahmen der Schichtplanung die Teilnahme von Mitarbeitern an der Betriebsversammlung als Arbeitszeit berücksichtigen. Davon unberührt bleibt jedoch die Tatsache, dass hinsichtlich der Vergütungspflicht, die Zeit der Teilnahme nicht als, sondern nur wie Arbeitszeit zu werten ist (dazu sogleich).
Rz. 33
Da das Lohnausfallprinzip (nach der Rechtsprechung des BAG) nicht gilt, kommt es bei der Bestimmung der Höhe nicht darauf an, ob und welchen Vergütungsanspruch der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Teilnahme an der Betriebsversammlung gehabt hätte. Die Teilnahme an der Betriebsversammlung ist nicht "wie Arbeitsleistung", sondern "wie Arbeitszeit" zu vergüten. Da die Zeit der Teilnahme an der Betriebsversammlung mithin nur wie Arbeitszeit zu vergüten, vergütungsrechtlich aber nicht Arbeitszeit ist, hat der Arbeitnehmer lediglich Anspruch auf die Grundvergütung und keinen Anspruch auf Mehrarbeitszuschlag, wenn infolge der Teilnahme die regelmäßige persönliche Arbeitszeit überschritten wird. Etwas anderes kann auch dann nicht gelten, wenn der Arbeitnehmer während der Betriebsversammlung normalerweise Mehrarbeit geleistet hätte und damit eine Mehrarbeitsvergütung angefallen wäre. Denn das Lohnausfallprinzip gilt nicht.
Auch Vergütungsbestandteile, die an die Leistung der Arbeit zu einem bestimmten Zeitpunkt knüpfen, wie etwa Feiertagszuschläge, bleiben unberücksichtigt. Sonstige Vergütungsbestandteile, die nicht an die Arbeitsleistung anknüpfen, wie etwa vermögenswirksame Leistungen, sind jedoch zu zahlen.
- Findet die Betriebsversammlung während der persönlichen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers statt, so hat dieser anstelle seines arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruchs den gesetzlichen Vergütungsanspruch aus § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG in gleicher Höhe.
- Findet die Betriebsversammlung außerhalb der persönlichen Arbeitszeit eines Arbeitnehmers statt, so erlangt dieser nach Rechtsprechung des BAG einen zusätzlichen eigenständigen Vergütungsanspruch für die Zeit der Teilnahme, dessen Höhe sich ebenfalls an dem arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch ausrichtet.
Rz. 34
Bei Akkordlohn ist der durchschnittliche Akkordverdienst zu zahlen.