Rz. 18
Die Vergütung des Zusatzurlaubs erfolgt nach den Regeln über den regulären Erholungsurlaub. Dem Arbeitnehmer steht für den Zusatzurlaub dieselbe Vergütung zu, wie für jeden Tag des Grundurlaubs. Kann der Zusatzurlaub wegen Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht gewährt werden, muss der Arbeitgeber ihn ebenso wie den regulären Erholungsurlaub abgelten.
Der Abgeltungsanspruch setzt nicht voraus, dass der Zusatzurlaubsanspruch zuvor geltend gemacht wurde, sondern entsteht auch dann, wenn der schwerbehinderte Mensch erstmals nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf seine Schwerbehinderung hinweist.
Da für den Schwerbehindertenzusatzurlaub dieselben Regeln gelten wie für den gesetzlichen Mindesturlaub, unterliegt der Anspruch auf Urlaubsabgeltung als rein finanzieller Geldanspruch sowohl den vertraglich oder tariflich vorgesehenen Ausschlussfristen sowie den Verjährungsregeln der §§ 195 ff. BGB.
Nach § 208 Abs. 3 SGB IX finden im Fall der rückwirkenden Feststellung der Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch auch für die Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs in das nächste Kalenderjahr die dem Beschäftigungsverhältnis zugrunde liegenden urlaubsrechtlichen Regelungen Anwendung. Dies ergänzt die Rechtsprechung des BAG, nach der die Ungewissheit über das Ergebnis des Feststellungsverfahrens keinen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Übertragungsgrund darstellt. Zweck der Regelung ist es, eine Kumulation von Ansprüchen auf Zusatzurlaub aus vorangegangenen Urlaubsjahren auszuschließen, wenn das Feststellungsverfahren länger andauert und es ggf. gar zu einer rückwirkenden Feststellung in mehrere vorangegangene Urlaubsjahre kommen könnte. Die rechtliche Unsicherheit über die Stellung als schwerbehinderter Mensch soll dabei keinen in der Person des Arbeitnehmers liegenden Grund im Sinne von § 7 Abs. 3 Satz 2 BUrlG für die Übertragung von Urlaubsansprüchen darstellen. Ist die rückwirkende Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft aber kein bei der Anwendung der urlaubsrechtlichen Regelungen über die Übertragbarkeit des Zusatzurlaubs auf das nächste Kalenderjahr besonders zu berücksichtigender Umstand, vermag sie auch keine abweichende Beurteilung hinsichtlich anwendbarer Verfallfristen zu begründen. Anders als beispielsweise in § 173 Abs. 3 SGB IX setzt § 208 SGB IX gerade nicht voraus, dass die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch zu einem bestimmten Zeitpunkt festgestellt ist.
Nach der neueren Rechtsprechung das BAG in der Folge der Entscheidungen Schultz-Hoff und KHS/Schulte des EuGH ist der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch nach § 7 Abs. 3 Satz 3 BUrlG befristet bis zum 31.3. des zweiten auf das jeweilige Urlaubsjahr folgenden Jahres, wenn der Arbeitnehmer dauernd arbeitsunfähig ist. Der noch nicht verfallene gesetzliche Mindesturlaub ist bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses – unabhängig von der Erfüllbarkeit des Freistellungsanspruchs in einem gedachten fortbestehenden Arbeitsverhältnis – nach § 7 Abs. 4 BUrlG abzugelten (s. hierzu Rz. 16). Der Zusatzurlaubsanspruch aus § 208 Abs. 1 Satz 1 SGB IX ist an das rechtliche Schicksal des Mindesturlaubsanspruchs gebunden. Dies hat zur Folge, dass der Schwerbehindertenzusatzurlaub aufgrund der durch die EuGH-Entscheidung in Sachen Schultz-Hoff erfolgten Änderung der Rechtsprechung des BAG auch dann abzugelten ist, wenn der Arbeitnehmer bis zum Ende des Übertragungszeitraums arbeitsunfähig ist. Durch die vom BAG aus § 7 Abs. 3 BUrlG abgeleitete Begrenzung der Übertragung des Urlaubsanspruchs bis maximal am 31.3. des zweiten auf das Urlaubsjahr folgenden Jahres, sind die wirtschaftlichen Folgen für den Arbeitgeber aber begrenzt, vorausgesetzt, der Arbeitgeber ist seiner nach der Rechtsprechung des EuGH bestehenden Aufforderungs- und Hinweisobliegenheit nachgekommen (hierzu oben Rz. 17). Es ist bei langjährig Erkrankten dann insbesondere nicht der gesamte Zusatzurlaub aus den vergangenen Jahren abzugelten.
Beispiel
Ein Arbeitnehmer ist seit dem 1.1.2018 durchgehend arbeitsunfähig erkrankt und seit dem 1.12.2017 als schwerbehinderter Mensch anerkannt. Der Arbeitgeber sieht im Hinblick auf einen gestellten Antrag auf Erwerbsminderungsrente von einer personenbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses ab. Der Rentenantrag des Arbeitnehmers wird abgelehnt, seine Klage vor dem Sozialgericht wird abgewiesen. Daraufhin kündigt der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis personenbedingt zum 30.6.2024, der Arbeitnehmer bleibt bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses arbeitsunfähig.
Lösung:
Der Arbeitgeber hat die Ansprüche auf Zusatzurlaub der Jahre 2023 und 2024 abzugelten. Dies sind 8 Tage (5 Tage für das Jahr 2023 und 3 Tage (2,5 aufgerundet) für die ersten 6 Monate des Jahres 2024). Die Ansprüche aus den früheren Jahren sind jeweils am 31.3. des zweiten auf das Ende des Urlaubsjahres folgenden Jahres verfallen. Auf die Frage der Erfüllung der Aufforderungs- und Hinweispflicht durch den Arbeitgeber kommt es in diesem Fall ni...