Rz. 20

Die Regelungssperre greift zunächst ein, wenn der Betrieb im persönlichen, fachlichen und räumlichen Geltungsbereich eines aktuell geltenden Tarifvertrags liegt. Dabei kann es sich sowohl um einen Verbandstarifvertrag als auch um einen Firmentarifvertrag handeln.

 
Hinweis

Für die Regelungssperre kommt es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber tarifgebunden ist. Maßgeblich ist allein, dass der Betrieb in den Geltungsbereich eines Tarifvertrags fällt.

In diesem Fall greift § 77 Abs. 3 BetrVG ein, auch wenn der Betrieb nicht Mitglied des Arbeitgeberverbands ist. Es ist auch unerheblich, wie viele Arbeitnehmer des Betriebs in der tarifschließenden Gewerkschaft organisiert sind. Die Betriebspartner können also weder Bestimmungen über Tarifentgelte treffen noch über deren Höhe disponieren.[1] Auch sind Regelungen in einer Betriebsvereinbarung, die die vergütungspflichtigen Fahrtzeiten eines Außendienstmitarbeiters verkürzen, unwirksam, wenn die betreffenden Zeiten nach den Bestimmungen des einschlägigen Tarifvertrags uneingeschränkt der entgeltpflichtigen Arbeitszeit zuzurechnen und mit der tariflichen Grundvergütung abzugelten sind.[2]

Die Sperrwirkung reicht so weit wie der Geltungsbereich des Tarifvertrags. Welchen Geltungsbereich ein Tarifvertrag hat, legen die Tarifparteien fest. Eine entsprechende Klausel findet sich meist in den ersten Paragrafen eines Tarifvertrags. Diese Bestimmungen können auslegungsfähig sein, und die Auslegung kann dazu führen, dass eine über die Betriebe der tatsächlichen Mitgliedsunternehmen hinausgehende Sperrwirkung besteht. Konkret hat das BAG einen Tarifvertrag im Bereich der Technischen Überwachungsvereine so ausgelegt, dass er sich nicht nur auf aktuelle Mitgliedsunternehmen bezieht, sondern auch auf die Unternehmen, die die in der Satzung vorgesehenen Voraussetzungen einer Aufnahme in die Tarifgemeinschaft Technischer Überwachungs-Vereine e. V. erfüllen.[3] Es ist stets zu prüfen, ob die konkrete Regelung einer Betriebsvereinbarung gegen den Tarifvorrang verstößt. Dessen Geltungsbereich kann nicht nur in räumlicher Hinsicht begrenzt sein. Es können auch bestimmte Arbeitnehmergruppen von der Tarifgeltung ausgenommen sein, für die dann Regelungen durch eine Betriebsvereinbarung getroffen werden können.[4] Dies gilt grundsätzlich für außertarifliche Angestellte (AT-Angestellte). In diesem Bereich können Betriebsvereinbarungen ohne die hier beschriebenen Beschränkungen abgeschlossen werden.[5] Die Sperrwirkung wird nach Ansicht des LAG Niedersachsen[6] nicht ausgelöst, wenn über eine Betriebsvereinbarung mittelbar die Höhe des Entgelts für das einzelne Arbeitsverhältnis bestimmt wird. Der Tarifvertrag kann in bestimmten Bereichen auch lückenhafte und ergänzungsbedürftige Rahmenbedingungen enthalten. Diese können dann durch Betriebsvereinbarungen ausgefüllt werden.

 
Praxis-Beispiel

Ein Tarifvertrag, der die Höhe des Entgelts und die Eingruppierung regelt, entfaltet nicht notwendigerweise eine Sperrwirkung gegenüber Betriebsvereinbarungen, die Schmutz- und Erschwerniszulagen, Funktionszulagen, Gratifikationen aus besonderem Anlass oder Zusatzurlaub bei längerer Betriebszugehörigkeit regeln. Wohl aber ist eine Betriebs- oder Dienstvereinbarung, die einen Sonderkündigungsschutz für langjährig Beschäftigte vorsieht, wegen § 17 Nr. 3 des Manteltarifvertrages für das private Bankgewerbe und die öffentlichen Banken vom 12.11.1975 (MTV Banken) unwirksam.[7]

 

Rz. 21

Es darf sich bei der betrieblichen Regelung jedoch nicht um versteckte Zuschläge auf den Tariflohn handeln. Maßgeblich ist stets der Einzelfall.

 
Hinweis

Arbeitgeber und Betriebsrat können auch keine Regelungen über die Weitergabe von Tariferhöhungen treffen. Die Frage, ob und inwieweit Tariferhöhungen auf übertarifliche Zulagen angerechnet werden, darf hingegen in einer Betriebsvereinbarung geregelt werden.[8]

Kommen mehrere Tarifverträge in Betracht, wurde früher angenommen, dass der mit der größten betrieblichen, räumlichen und fachlichen Nähe maßgebend sei. Dies dürfte mit der Aufgabe des Grundsatzes der Tarifeinheit durch den 4. Senat des BAG[9] nicht mehr gelten. Vielmehr dürfte jeder einschlägige Tarifvertrag geeignet sein, die Regelungssperre auszulösen. Auch ein Firmentarifvertrag löst die Regelungssperre aus, jedoch nur für die jeweilige Firma und für die Materie, die er regelt. Auch wenn in einer Branche vielfach Firmentarifverträge existieren, ist die Sperrwirkung nur auf die jeweils betroffenen Firmen beschränkt.[10] Ein Tarifvertrag, dessen Geltungsdauer abgelaufen ist und der nur noch wegen der gesetzlich (§ 4 Abs. 5 TVG) angeordneten Nachwirkung gilt, steht einer Betriebsvereinbarung nicht im Weg. Jedoch wird hier meist eine Tarifüblichkeit vorliegen.

Firmentarifverträge entfalten keine Sperrwirkung bei anderen Unternehmen außerhalb ihres Geltungsbereichs.[11] In dem Unternehmen, für das der Firmentarifvertrag abgeschlossen wurde, tritt die Sperrwirkung jedoch ein. Daraus kann sich ergeben, dass aus einer Gesamtbetriebs...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Haufe Personal Office Platin enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge