Rz. 23
Die Sperre des § 77 Abs. 3 BetrVG gilt absolut. Sie führt sogar dann zur Unwirksamkeit von Betriebsvereinbarungen, wenn
- sie vor Inkrafttreten des Tarifvertrags abgeschlossen worden waren,
- sie für den Arbeitnehmer günstiger sind als die tarifliche Regelung oder
- sie den Wortlaut des einschlägigen Tarifvertrags übernehmen.
Die Regelungssperre betrifft nicht die einzelvertraglichen Absprachen mit den Arbeitnehmern. Die Geltung eines Tarifvertrags kann daher in den jeweiligen Verträgen vereinbart werden.
Auch eine Regelungsabrede mit dem Betriebsrat unterfällt nicht dem Verbot des § 77 Abs. 3 BetrVG.
Rz. 24
Ein Verstoß gegen diese Vorschrift führt zur Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung. Wird nur ein Teil der Betriebsvereinbarung von der Regelungssperre erfasst, etwa weil der andere Teil mitbestimmungspflichtige Tatbestände betrifft, tritt grundsätzlich nur eine Teilnichtigkeit ein. Nur wenn der Rest keine sinnvolle, in sich geschlossene Regelung mehr darstellt, ist die gesamte Betriebsvereinbarung unwirksam. Soweit die Betriebsvereinbarung unwirksam ist, können die Arbeitnehmer keine Ansprüche hieraus ableiten. In eng begrenzten Ausnahmefällen kommt jedoch eine Umdeutung in ein Vertragsangebot an alle Arbeitnehmer in Betracht, das diese nicht ausdrücklich annehmen müssen. Hierzu kann es aber nur kommen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, der Arbeitgeber wolle sich auf jeden Fall, auch unabhängig von der Wirksamkeit der Betriebsvereinbarung zu der Leistung verpflichten.
Der Arbeitgeber verpflichtet sich in einer Betriebsvereinbarung zu einer höheren Prämie als tarifvertraglich vereinbart. Obwohl er mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass die Betriebsvereinbarung nichtig ist, leistet er die Zahlungen weiter und erklärt, dass sie den Arbeitnehmern auf jeden Fall zukommen sollten. Hierin ist ein gebündeltes Vertragsangebot an die Arbeitnehmer zu sehen, die trotz Nichtigkeit der Betriebsvereinbarung entsprechende Ansprüche erworben haben. Dies stellt jedoch einen Ausnahmefall dar. In der Regel hat der Arbeitnehmer keinerlei Ansprüche aus einer wegen § 77 Abs. 3 BetrVG unwirksamen Betriebsvereinbarung.
Jede tarifliche Regelung, an die der Arbeitgeber gebunden ist, verdrängt das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats insgesamt auch hinsichtlich anderweitig oder nicht tarifgebundenen Arbeitnehmern und nicht nur für solche, die an den die Sperrwirkung auslösenden Tarifvertrag gebunden sind. Dies gilt auch für tarifplurale Betriebe. Leistungen, die der Arbeitgeber aufgrund der unwirksamen Betriebsvereinbarung in der Vergangenheit erbracht hat, kann er nicht zurückfordern, sondern sie nur für die Zukunft einstellen. Für die Vergangenheit können jedoch Arbeitnehmer, die nicht unter den Geltungsbereich der nichtigen Betriebsvereinbarung fielen, keine Ansprüche etwa aus dem Gleichbehandlungsgrundsatz ableiten.
Die Betriebsvereinbarung sah Zulagen für vollzeitbeschäftigte Arbeitnehmer vor. Aufgrund einer bestehenden tariflichen Regelung war diese unwirksam, es erfolgten jedoch Auszahlungen, bevor dies erkannt wurde. Hier können die teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer nicht unter Hinweis auf den Gleichbehandlungsgrundsatz ebenfalls die Zahlung für die Vergangenheit verlangen.