Rz. 46
Als sonstige Grenze der Mitbestimmung wird ferner die unternehmerische Freiheit diskutiert. Der Arbeitgeber kann in sozialen Angelegenheiten bei seinen Entscheidungen nur insoweit zu einer Einigung mit dem Betriebsrat gezwungen werden, wie dadurch nicht in seine unternehmerische Betätigungsfreiheit eingegriffen wird. Die Frage, ob Mitentscheidungsbefugnisse des Betriebsrats bestehen, lässt sich also – in Abgrenzung zu der Möglichkeit einer freiwilligen Beteiligung des Betriebsrats – nur durch die Auslegung der entsprechenden Mitbestimmungstatbestände unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlich geschützten unternehmerischen Betätigungsfreiheit bestimmen.
Mit anderen Worten: Da durch die Mitbestimmung in die Entscheidungsbefugnisse des Arbeitgebers eingegriffen wird, sind dessen Rechtspositionen bei der Auslegung der Mitbestimmungstatbestände zu beachten. Dem Arbeitgeber obliegt als Eigentümer der Produktionsmittel eine Letztverantwortlichkeit für das wirtschaftliche Handeln. Wirtschaftliche Angelegenheiten nimmt das Betriebsverfassungsgesetz dementsprechend aus der Mitbestimmung weitgehend heraus (§§ 106 ff. BetrVG). Die aus den Grundrechten resultierende unternehmerische Entscheidungsfreiheit begrenzt ihrerseits die Mitbestimmungstatbestände. Das wird von Teilen der Literatur ausdrücklich anerkannt.
Rz. 47
Wenn die Rechtsprechung diese Schranke auch nie ausdrücklich benannt hat, so hat sie doch vielfach ihren Niederschlag gefunden. Die typische Trennung zwischen dem mitbestimmungsfreien "Ob" und dem mitbestimmungspflichtigen "Wie" bestimmter Regelungen, insbesondere im Bereich von § 87 Abs. 1 Nr. 8 und Nr. 10 BetrVG, mag dafür als Beispiel dienen. Im Bereich der Ladenöffnungszeiten wird diese Schranke allerdings von der Rechtsprechung hartnäckig ignoriert.
Die "Unternehmensautonomie" findet ihren Niederschlag aber auch in der Abgrenzung zwischen mitbestimmungsfreien Anordnungen des Arbeitgebers, die sich auf die Arbeitspflicht und die Ausführung der Arbeit beziehen, und den mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten der Ordnung des Betriebs (§ 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG). Maßnahmen, die sich auf das Arbeits- oder Leistungsverhalten des Arbeitnehmers beziehen, ohne einen Bezug zur betrieblichen Ordnung zu haben, müssen nicht zuletzt deshalb mitbestimmungsfrei bleiben, weil die Letztverantwortlichkeit des Arbeitgebers für das wirtschaftliche Handeln es gebietet, ihm im Gegenzug mitbestimmungsfreie Anordnungen hinsichtlich der Arbeitspflicht zu erhalten.
Das Bundesarbeitsgericht betont die Verpflichtung des Betriebsrats und gegebenenfalls der Einigungsstelle, die betrieblichen Belange zu beachten. Es führt aus: "Der Betriebsrat muss aber nach § 2 BetrVG bei der Ausübung seines Mitbestimmungsrechts die mögliche Beeinträchtigung betrieblicher Belange bedenken, die auch in der Gefährdung von Kundenbeziehungen liegen kann. Gleiches gilt für die Einigungsstelle bei einem die Einigung der Betriebsparteien ersetzenden Spruch." Dieser Grundsatz, der im Zusammenhang mit § 87 Abs. 1 Nr. 1 und § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG entwickelt wurde, ist auch auf Fragen zur Lage der Arbeitszeit und damit auch für den Problemkreis der Ladenöffnungszeiten zu beachten. Schließlich geht es dabei auch verstärkt um die Frage der "Kundenbeziehungen".