Rz. 11
Arbeitsverfahren, Arbeitsabläufe und Arbeitsplätze sind miteinander verbunden und können unter dem Oberbegriff Arbeitsstrukturierung zusammengefasst werden. Unter Arbeitsverfahren ist die Technologie zur Veränderung der Arbeitsgegenstände, zur Erfüllung der Arbeitsaufgabe, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Beanspruchung und Belastung zu verstehen. Von dem Begriff erfasst wird auch die Methode der Arbeitserbringung (z. B. körperliche oder geistige Tätigkeit). Als Arbeitsablauf wird hingegen die räumliche und zeitliche Folge des Zusammenwirkens von Mensch, Arbeitsmittel, Stoff, Energie und Informationen in einem Arbeitssystem, also das Geschehen bei der Erfüllung von Arbeitsaufgaben definiert. Daraus folgt unmittelbar, dass die Kontrolle des Arbeitsablaufs nicht § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG unterfällt.
Rz. 12
Software-Anwendungen aus dem Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) sind inzwischen auch im Personalmanagement auf dem Vormarsch. KI-Funktionen ermöglichen laut der Bewerbung durch ihre Anbieter eine digitale Produktionssteuerung nicht allein durch Nutzung von Maschinen-, Prozess- und Betriebsdaten, sondern können überdies zur Personalbedarfsermittlung und der Personaleinsatzplanung mit dem Ziel der Produktivitätssteigerung analysiert werden. Der Gesetzgeber hat sich daher veranlasst gesehen, die Mitbestimmung des Betriebsrats in Bezug auf KI durch das Betriebsrätemodernisierungsgesetz zu erweitern. Den Begriff der KI definiert das Gesetz indes nicht. Künstliche Intelligenz ist der Überbegriff für Anwendungen, bei denen Maschinen menschenähnliche Intelligenzleistungen erbringen. Darunter fallen das maschinelle Lernen, das Verarbeiten natürlicher Sprache und das sog. Deep Learning. Die Grundidee besteht darin, durch Maschinen eine Annäherung an wichtige Funktionen des menschlichen Gehirns zu schaffen – Lernen, Urteilen und Problemlösung. Die Maschine erkennt Strukturen, kann diese evaluieren und sich in mehreren vorwärts wie rückwärts gerichteten Durchläufen selbständig verbessern. Dabei verwendet der Algorithmus mehrere Knotenebenen (Neuronen) parallel, um fundierte Entscheidungen zu treffen. Bei künstlichen neuronalen Netzen handelt es sich um eine Rechenstruktur, die der Neurophysiologie des menschlichen Gehirns bzw. der Informationsverarbeitung bei Wirbeltieren nachempfunden ist. Indem auf den Aufbau und die Funktionsweise von Nervenzellen zurückgegriffen wird, macht man sich deren einzigartige Mechanismen der Informationsverarbeitung zunutze. Selbst die Programmierer dieser Systeme können in der Regel nicht sämtliche Entscheidungsprozesse vollständig nachvollziehen und erklären, da die involvierte Logik über tausende neuronale Netze verteilt ist. Wenn sich KI aber von den Vorgaben der Programmierer löst und sich nicht mehr (nur) im vorgegebenen Rahmen selbst fortentwickelt und der Mensch damit die Schritte der KI nicht mehr vorhersagen und auch kaum mehr nachvollziehen kann, geht damit der Verlust der vollständigen Kontrolle über Handlungen der KI einher: es entsteht eine sog. "Blackbox": Die Ausgangsprogrammierung ist noch transparent, intransparent werden dann jedoch die Trainings- und Lernprozesse, wenn und soweit diese von der KI selbst initiiert und/oder modifiziert werden. Wie den sich daraus ergebenden Rechtsproblemen begegnet werden kann, war lange Zeit ungeklärt. Insbesondere mit Blick auf den bedeutsamen Aspekt der Intransparenz durch Black-Box-Anwendungen sind die Betriebspartner besonders gefordert, sich über die Anwendung von KI auszutauschen und zu verständigen. Die Erweiterung von § 90 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG trägt dem ebenso Rechnung wie der neu gefasste § 95 Abs. 2a BetrVG.
Rz. 13
Mit der Einführung der KI-Verordnung zum 1.8.2024 (sog. "AI Act") hat das Europäische Parlament auf Vorschlag der EU-Kommission klare Anforderungen festgelegt, die KI-Entwickler und -Betreiber je nach der spezifischen Verwendung der KI zu erfüllen haben. Gleichzeitig wird der administrative und finanzielle Aufwand für Unternehmen verringert. Auch den Betriebspartnern wird mit der KI-Verordnung eine Handreichung für die betriebliche Mitbestimmung gegeben. Durch sie ist ein einheitlicher Rahmen für alle EU-Länder eingeführt worden, der auf einer zukunftsgewandten Begriffsbestimmung für KI und einem risikobasierten Ansatz beruht:
- Minimales Risiko: Die meisten KI-Systeme, z. B. Spamfilter und KI-gestützte Videospiele, unterliegen keinen besonderen Verpflichtungen, doch Unternehmen können freiwillig zusätzliche Verhaltenskodizes aufstellen.
- Besondere Transparenzverpflichtungen: Systeme wie Chatbots müssen ihre Nutzer deutlich darauf hinweisen, dass sie es mit einer Maschine zu tun haben, und bestimmte durch KI erzeugte Inhalte müssen als solche gekennzeichnet werden.
- Hohes Risiko: Für KI-Systeme, die als hochriskant eingestuft werden (z. B. KI-basierte medizinische Software oder KI-Systeme für die Personaleinstellung), gelten strenge Anforderungen, z. B. im Hinblick auf Risikom...