Rz. 15

Objektivrechtlich muss der Arbeitgeber die mutterschutzrechtlichen Vorschriften bei Vorliegen einer Schwangerschaft unabhängig von seiner Kenntnis einhalten.[1] Praktisch kann die Erfüllung der Normen jedoch nur bei Kenntnis von der Schwangerschaft bzw. fahrlässiger Unkenntnis verlangt und sanktioniert werden.

 

Rz. 16

Dies bedeutet: Teilt die Arbeitnehmerin mit, sie sei schwanger, so darf sie nur noch entsprechend den Mutterschutzvorschriften beschäftigt werden. Sofern die Arbeitnehmerin tatsächlich schwanger ist, gilt dies sogar dann, wenn sie lediglich erklärt, sie sei vermutlich schwanger. Der Arbeitgeber wird dadurch hinreichend geschützt, dass er das ärztliche Zeugnis verlangen und sich damit Gewissheit verschaffen kann.[2]

 

Rz. 17

Erfährt der Arbeitgeber auf andere Weise, etwa durch Dritte, von der Schwangerschaft, kann ihn dies bereits zur Einhaltung der Vorschriften des MuSchG verpflichten. Zumeist wird er durch eine Nachfrage bei der Arbeitnehmerin eine Klärung herbeiführen können. Verweigert diese die Antwort oder erklärt sie unzutreffend, sie sei nicht schwanger, wird man dem Arbeitgeber i. d. R. keinen Schuldvorwurf machen können, wenn er nicht von einer Schwangerschaft ausgeht – es sei denn, er muss aufgrund anderer Umstände annehmen, dass eine Schwangerschaft vorliegt.

 

Rz. 18

Teilt die Arbeitnehmerin zu Unrecht mit, sie sei schwanger, kann dies bei schuldhaftem Verhalten eine Abmahnung bzw. bei vorsätzlicher Lüge eine Kündigung rechtfertigen. Im Übrigen hat der Arbeitgeber die Möglichkeit, das ärztliche Zeugnis gem. § 15 Abs. 2 zu verlangen. Die Arbeitnehmerin kann – bei Verschulden – zum Ersatz des Schadens verpflichtet sein, der dem Arbeitgeber durch die Einhaltung des Mutterschutzes entstanden ist (§ 280 Abs. 1 BGB). Unabhängig vom Verschulden muss die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber unverzüglich über die Fehlinformation aufklären.

 

Rz. 19

 
Praxis-Beispiel

Schadensersatzpflicht der Arbeitnehmerin

Im Hinblick auf die Mitteilung der Schwangerschaft wird der Arbeitnehmerin weder Mehrarbeit noch Nachtarbeit zugewiesen (§§ 4 Abs. 1, 5 MuSchG). Der Arbeitgeber muss deshalb eine Aushilfe einstellen und hat dadurch höhere Kosten. Wenn die Mitteilung der Schwangerschaft schuldhaft unzutreffend erfolgt war, ist die Arbeitnehmerin zum Ersatz dieser Kosten verpflichtet.

 

Rz. 20

Wenn die Schwangerschaft vorzeitig endet, muss eine Arbeitnehmerin, die den Arbeitgeber zuvor über das Vorliegen der Schwangerschaft informiert hatte, unaufgefordert Mitteilung über das Ende der Schwangerschaft machen.[3] Der Arbeitgeber hat einen Anspruch darauf zu erfahren, dass er die mutterschutzrechtlichen Vorschriften nicht mehr einzuhalten braucht. Gleiches gilt, wenn die schwangere Frau erfährt, dass sich der voraussichtliche Entbindungstermin verschiebt.[4] Hatte sie bereits ein ärztliches Zeugnis über den Entbindungstermin eingereicht, bleibt dieses allerdings maßgeblich, bis die korrigierte Bescheinigung vorliegt (§ 3 Abs. 1 MuSchG).

 

Rz. 21

Offenbart die Arbeitnehmerin die Schwangerschaft nicht, obwohl sie dazu aufgrund ihrer Rücksichtnahmepflicht (§ 241 Abs. 2 BGB) verpflichtet ist, liegt darin eine Pflichtverletzung, die letztlich zu Schadensersatzansprüchen führen kann. Die Grundsätze der gefahrgeneigten Arbeit finden keine Anwendung, da der Fehler nicht in Ausübung einer betrieblichen Tätigkeit erfolgt. Ob allerdings ein messbarer Schaden überhaupt eingetreten ist, ist eine Frage des Einzelfalls.

[1] Zur Sonderregelung im Zusammenhang mit dem Ausspruch einer Kündigung § 17, Rz. 24 ff. MuSchG.
[2] Vgl. Rz. 33 ff.
[4] Dazu Rz. 43.

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