Rz. 1
Die Vorschrift wurde durch das Gesetz zur Neuregelung des Mutterschutzrechts v. 23.5.2017 geschaffen. Die Norm des § 28 steht im Zusammenhang mit dem in § 5 MuSchG geregelten Verbot der Nachtarbeit für Schwangere und Stillende. Unter den in § 28 geregelten Voraussetzungen darf der Arbeitgeber schwangere oder stillende Frauen in der Zeit zwischen 20 Uhr und 22 Uhr beschäftigen. Mit der neuen Regelung wurde branchenunabhängig die Pflicht des Arbeitgebers eingeführt, eine Genehmigung für die Beschäftigung einer schwangeren oder stillenden Frau zwischen 20 Uhr und 22 Uhr bei der Aufsichtsbehörde zu beantragen. Hierdurch sollen Frauen in der Phase, in der sie durch Schwangerschaft und Stillzeit körperlich stärker beansprucht sind, vor Überlastungen durch besonders belastende Arbeitszeiten geschützt werden.
Nach der Gesetzesbegründung soll mit der Einführung eines behördlichen Genehmigungsverfahrens für die Beschäftigung zwischen 20 Uhr und 22 Uhr dem Gesundheitsschutz und den spezifischen Bedürfnissen der schwangeren oder stillenden Frau und ihres Kindes für diese Form der Beschäftigung Rechnung getragen werden. Zudem bezweckt das Gesetz eine Erleichterung der Weiterbeschäftigung der Frau während der Schwangerschaft und Stillzeit, sodass hierdurch den gemeinsamen Interessen der Frau und des Arbeitgebers Rechnung getragen werden soll.
Rz. 2
Die Vorgängerregelung des § 8 MuSchG a. F. sah im Abs. 3 für bestimmte Wirtschaftsbereiche Ausnahmen beim Verbot der Nachtarbeit vor, um damit den Interessen solcher Betriebe gerecht zu werden, in denen traditionell so viele Frauen beschäftigt werden, dass mit häufigen Mutterschaftsfällen gerechnet wird. Die Neuregelung enthält nun für alle Berufsgruppen Ausnahmen vom grds. Verbot der Nachtarbeit in der Zeit bis 22 Uhr, sofern die in § 28 geregelten Voraussetzungen erfüllt sind. Sah der Regierungsentwurf noch die Zulässigkeit der Nachtarbeit bis 22 Uhr ohne behördliches Genehmigungsverfahren vor, verlangt das Mutterschutzgesetz nun doch die Genehmigung der Aufsichtsbehörde für die Zulässigkeit der Arbeit zwischen 20 Uhr und 22 Uhr. Allerdings darf der Arbeitgeber die Frau beschäftigen, sobald der Antrag gestellt wurde, dieser nicht abgelehnt wurde oder die Beschäftigung nicht vorläufig von der Aufsichtsbehörde untersagt wird. Die ursprüngliche Absicht des Regierungsentwurfs, durch die Abschaffung des Genehmigungsverfahrens im Vergleich zur Vorgängerregelung eine Verminderung des Aufwands für Arbeitgeber und Verwaltung zu erreichen, um hiermit einen Beitrag zur Entbürokratisierung zu leisten, konnte so letztlich nicht vollständig erreicht werden.
Rz. 3
Von dem absoluten Verbot der Arbeit zwischen 22 Uhr und 6 Uhr nach § 5 Abs. 1 MuSchG kann auch nicht durch ein Einverständnis der Arbeitnehmerin abgewichen werden. Eine Beschäftigung oder Tätigkeit nach 22 Uhr ist nur in besonders begründeten Einzelfällen mit einer Ausnahmegenehmigung der Aufsichtsbehörde nach § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 MuSchG möglich. Bei der Erteilung einer solchen Ausnahmegenehmigung muss die Behörde die allgemeinen Voraussetzungen des § 28 Abs. 1 Satz 2 sowie insbesondere auch die persönliche Situation der schwangeren oder stillenden Frau sowie die Bedeutung der Tätigkeit nach 22 Uhr für den Betrieb oder das Unternehmen berücksichtigen.
Dagegen erlaubt die Neuregelung in § 5 Abs. 1 Satz 2 MuSchG i. V. m. § 28 Abs. 1 eine Beschäftigung der Schwangeren oder Stillenden in der Zeit zwischen 20 Uhr bis 22 Uhr, wenn der Arbeitgeber diese bei der Aufsichtsbehörde beantragt, die Frau hierzu ausdrücklich bereit ist, nach ärztlichem Zeugnis nichts gegen die Beschäftigung der Frau in dieser Zeit spricht und insbesondere eine unverantwortbare Gefährdung für die schwangere Frau oder ihr Kind durch Alleinarbeit ausgeschlossen ist.
Rz. 4
Die aufgrund Art. 7 Mutterschutzrichtlinie (92/85/EWG) unionsrechtlich erforderliche Einwilligung der schwangeren oder stillenden Beschäftigten soll es ihr ermöglichen, die familiäre und berufliche Situation sowie Wegezeiten zum Arbeitsplatz in die Entscheidung, ob sie bis 22 Uhr arbeiten möchte, miteinzubeziehen. Letztlich bezweckt der Gesetzgeber so eine Stärkung der Autonomie der schwangeren und stillenden Frau.
Die Vorgängerregelung des § 8 Abs. 3 MuSchG a. F. ließ Ausnahmen nur für die ersten 4 Monate der Schwangerschaft zu. Der Gesetzgeber sieht für eine Beschränkung der Ausnahme auf die ersten 4 Monate der Schwangerschaft aber keinen Anlass, da nach arbeitsmedizinischen Erkenntnissen die Nachtarbeit in den ersten 4 Monaten der Schwangerschaft nicht weniger gesundheitlich belastend ist als in den Folgemonaten.