Der Verdacht einer Straftat oder Pflichtverletzung seitens des Arbeitnehmers muss bei einer Verdachtskündigung dringend sein. Bei kritischer Prüfung durch einen verständigen und gerecht abwägenden Arbeitgeber muss sich ergeben, dass eine auf Beweisanzeichen (Indizien) gestützte große Wahrscheinlichkeit für die Tat gerade dieses Arbeitnehmers besteht. Hierbei ist einerseits von Bedeutung, ob der verdächtigte Arbeitnehmer durch schuldhaftes Verhalten erhebliche Gründe für den Verdacht gegeben und sich nicht um die Aufklärung der ihm zur Last gelegten Tat bemüht hat.
Andererseits ist eine Verdachtskündigung als Reaktion auf die Störung des für die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses notwendigen Vertrauens dann unverhältnismäßig, wenn der Arbeitgeber vor Kündigungsausspruch nicht alle zumutbaren Anstrengungen zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat.
Verdachtsverstärkende Umstände können einschlägige Vorstrafen, ferner vor allem bei Eigentums- und Vermögensdelikten hohe Schulden und verschwenderischer Lebenswandel sein. Auch das prozessuale Verhalten des Arbeitnehmers im Kündigungsschutzverfahren (z. B. haltloses Verdachtsabwälzung auf andere Mitarbeiter, beharrliches Leugnen bis zur Aufklärung von Tatsachen), kann verdachtsverstärkend sein, wenn auch dies dem Arbeitgeber im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung zwangsläufig nicht bekannt ist. Verdachtsverstärkend ist in der Regel auch die Erhebung der Anklage durch die Staatsanwaltschaft und die Eröffnung des strafgerichtlichen Hauptverfahrens, allerdings ohne Bindungswirkung für die Arbeitsgerichte. Während eines Strafverfahrens kann es somit mehrfach Momente geben, zu denen eine Verdachtskündigung (erneut) in Betracht kommt. Sofern eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen werden soll, muss aber jedes Mal die 2-Wochen-Frist des § 626 Abs. 2 und ggf. auch die Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG beachtet werden.
Welchen Verlauf ein etwaiges Strafverfahren gegen den betroffenen Arbeitnehmer nimmt, hat dagegen keine unbedingt zwingenden Folgen für den Kündigungsschutzprozess. Die Arbeitsgerichte können die gleichen Tatumstände sowohl zugunsten als auch zulasten des Arbeitnehmers anders würdigen als die Strafgerichte, zumal es nicht Sache der Arbeitsgerichte ist, über Straftatbestände zu entscheiden, sondern festzustellen, ob eine außerordentliche Kündigung durch einen wichtigen Grund gerechtfertigt ist.
Nur bei einem rechtskräftigen Freispruch des Arbeitnehmers im strafgerichtlichen Verfahren wegen erwiesener Unschuld müssen auch die Arbeitsgerichte, wenn nicht neue Tatsachen eine andere Beurteilung rechtfertigen, davon ausgehen, dass der Verdacht von Anfang an unbegründet gewesen ist. Dieser Freispruch ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts noch im laufenden arbeitsgerichtlichen Kündigungsschutzprozess zu beachten. Wegen dieses Freispruchs kann dem Arbeitnehmer gegenüber seinem bisherigen Arbeitgeber nach einem inzwischen rechtskräftig abgeschlossenen Kündigungsschutzprozess ein Wiedereinstellungsanspruch zustehen.
- Staatsanwaltschaftliche Ermittlungsergebnisse (Einstellung des Strafverfahrens, Anklageerhebung) sind für die Arbeitsgerichte nicht bindend.
- Das Ergebnis eines wegen des Verdachts gegen den Arbeitnehmer eingeleiteten Strafverfahrens ist für den Kündigungsschutzprozess nicht bindend.
- Die Anklageerhebung und die Eröffnung des Hauptverfahrens wirken sich verdachtsverstärkend aus.
- Gerichtliche Entscheidungen im Strafverfahren sind für den Kündigungsschutzprozess ebenfalls nicht bindend. Bestreitet der Arbeitnehmer beispielsweise trotz rechtskräftiger Verurteilung weiterhin die Tatbegehung, hat das Arbeitsgericht ohne Bindung an das strafgerichtliche Urteil die erforderlichen Feststellungen selbst zu treffen. Die Ergebnisse des Strafverfahrens können dabei nur nach den allgemeinen Beweisregeln bewertet werden.
- Wird der Arbeitnehmer im Strafverfahren wegen erwiesener Unschuld freigesprochen, muss auch das Arbeitsgericht von der Unbegründetheit des Verdachts ausgehen, wenn sich nicht weitere neue Umstände ergeben.