BMF, Schreiben vom 7.9.2021, III C 4 - S 6400/21/10002 :002 (DOK 2021/0956779), BStBl I 2021, 1813
Für die Auslegung und Anwendung des § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG bei der Versicherung von im Drittland belegenen Betriebsstätten und im Drittland ansässigen fremden Unternehmen gilt Folgendes:
I. Rechtstext
§ 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG lautet:
„Besteht das Versicherungsverhältnis mit einem in einem EWR-Staat niedergelassenen Versicherer und ergibt sich die Steuerpflicht nicht aus Satz 1, so besteht die Steuerpflicht bei der Versicherung
1. von Risiken mit Bezug auf Gegenstände im Sinne des Satzes 1 Nummer 1, die sich außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes befinden,
2. von Risiken mit Bezug auf Fahrzeuge im Sinne des Satzes 1 Nummer 2, die in ein amtliches Register eines Staates außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes einzutragen oder eingetragen sind,
3. von Reise- oder Ferienrisiken im Sinne des Satzes 1 Nummer 3, bei der der Versicherungsnehmer die zur Entstehung des Versicherungsverhältnisses erforderlichen Rechtshandlungen in einem Staat außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes vorgenommen hat, oder
4. einer außerhalb des Geltungsbereichs dieses Gesetzes belegenen Betriebsstätte oder sonstigen Einrichtung einer nicht natürlichen Person, wenn der Versicherungsnehmer seinen Sitz, Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich dieses Gesetzes hat, es sei denn, die Gegenstände im Sinne der Nummer 1 oder nicht natürlichen Person im Sinne der Nummer 4 sind in einem EWR-Staat belegen, das Fahrzeug im Sinne der Nummer 2 ist in einem amtlichen Register eines EWR-Staates eingetragen oder die zur Entstehung des Versicherungsverhältnisses im Sinne der Nummer 3 erforderlichen Rechtshandlungen werden in einem EWR-Staat vorgenommen.”
II. Grundlagen
1. Die Regelung betrifft die Versicherung von Risiken, die in einem Drittland belegen sind. Anknüpfungspunkt für die Besteuerung ist die Ansässigkeit des Versicherungsnehmers im Geltungsbereich des Gesetzes.
2. Versicherungsnehmer kann jede natürliche oder nicht natürliche Person sein.
3. Ob der Versicherungsnehmer eigene oder fremde Risiken versichert, ist nicht entscheidend. Dies gilt für alle in Satz 2 enthaltenen Tatbestände (Nrn. 1 bis 4). § 1 Abs. 2 Satz 2 VersStG stellt auf die Versicherung von im Drittland belegenen Risiken ab bzw. in der Nr. 3 auf die Abgabe einer Willenserklärung im Drittland. Eine eigene Beziehung des Versicherungsnehmers zum versicherten Risiko im Sinne der Versicherung eines eigenen Risikos wird nicht vorausgesetzt.
III. Verhältnis § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG zum allgemeinen Tatbestand § 1 Abs. 2 Satz 3 Nrn. 2 VersStG
Der allgemeine Tatbestand des § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VersStG betrifft „andere als die in Satz 1 genannten Risiken und Gegenstände” und damit auch die Versicherung von Betriebsstätten. § 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VersStG bestimmt die Steuerbarkeit für den Fall, dass sich die Betriebsstätte im Geltungsbereich des Gesetzes befindet. Daneben existiert mit § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG ein Spezialtatbestand, der die Steuerbarkeit für die Versicherung von im Drittland belegenen Betriebsstätten regelt. Die Vorschriften regeln jeweils die Steuerbarkeit der Versicherung von Betriebsstätten, die sich hinsichtlich der Örtlichkeit der Risikobelegenheit unterscheiden.
IV. Versicherung von Betriebsstätten (§ 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG)
1. Betriebsstätten
Betriebsstätten sind unselbständige Teile eines Unternehmens. Sie können zivilrechtlich nicht Eigentümer von Gegenständen wie z. B. von Grundstücken, Gebäuden und Fahrzeugen sein. Die Versicherung einer Betriebsstätte im engeren Sinn kann sich daher nicht auf derartige Gegenstände beziehen. Soweit eine Versicherungspolice auch derartige Gegenstände mitumfasst, betrifft die Versicherung den zivilrechtlichen Eigentümer dieser Gegenstände, nicht dagegen die Betriebsstätte als solche (siehe hierzu auch nachfolgend V.).
2. Versicherung einer Betriebsstätte
a) Das in § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 VersStG verwendete Merkmal „Versicherung einer … Betriebsstätte” ist nicht anders auszulegen, als die im allgemeinen Tatbestand (§ 1 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 VersStG) verwendete Formulierung „Betriebsstätte., auf die sich das Versicherungsverhältnis bezieht”. Die Formulierung des allgemeinen Tatbestands ist, da er insoweit der Umsetzung des Richtlinienrechts (Art. 13 Nr. 13d ii) dient, enger an dessen Wortlaut angelehnt. Beide Regelungen beziehen sich nicht auf den Inhalt der Versicherung einer Betriebsstätte, sondern auf deren örtliche Belegenheit.
b) Unter Betriebsstättenversicherung ist die Versicherung der Geschäftstätigkeit der Betriebsstätte zu verstehen. Sie umfasst die im Versicherungsvertrag konkretisierten Risiken. Diese können die mit der Ausübung der Geschäftstätigkeit verbundenen Risiken für die Betriebsstätte und für die ihr angehörenden Personen, aber auch für Dritte betreffen. Hierzu gehören beispielsweise die Betriebsstättenhaftpflichtversicherung, die Berufshaftpflichtversicherung für A...