Eine im Ausland ausgeübte unselbstständige Tätigkeit eines Arbeitnehmers kann
- für seinen zivilrechtlichen Arbeitgeber,
- für seinen wirtschaftlichen Arbeitgeber im Rahmen einer Arbeitnehmerentsendung zwischen verbundenen Unternehmen oder
- für einen nicht verbundenen Unternehmer erfolgen.
Wirtschaftlicher Arbeitgeber
Wird die unselbstständige Tätigkeit eines im Inland ansässigen Arbeitnehmers bei einem im Ausland ansässigen verbundenen Unternehmen (Art. 9 OECD-MA) ausgeübt, ist zu prüfen, welches dieser Unternehmen als Arbeitgeber i. S. des DBA und damit als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist. Entsprechendes gilt, wenn ein im Ausland ansässiger Arbeitnehmer bei einem im Inland ansässigen verbundenen Unternehmen (Art. 9 OECD-MA) tätig ist.
Definition der Arbeitnehmerentsendung
Das 183-Tage-Schreiben beinhaltet nun u.a. auch die Definition der Arbeitnehmerentsendung (Rn. 149, 150): Eine grenzüberschreitende Arbeitnehmerentsendung (Personalentsendung) ist die Entsendung von Beschäftigten für eine bestimmte Zeit seitens eines Unternehmens (entsendendes Unternehmen) an ein anderes Unternehmen (aufnehmendes Unternehmen) derselben multinationalen Unternehmensgruppe in einem anderen Staat.
Das aufnehmende verbundene Unternehmen wird zum Arbeitgeber im abkommensrechtlichen Sinne (wirtschaftlicher Arbeitgeber), wenn
- der Arbeitnehmer in das aufnehmende Unternehmen eingebunden ist und
- das aufnehmende Unternehmen den Arbeitslohn (infolge seines eigenen betrieblichen Interesses an der Entsendung des Arbeitnehmers) wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen. Eine "willkürliche" Weiterbelastung des Arbeitslohns führt nicht zur Begründung der Arbeitgebereigenschaft, ebenso wie eine unterbliebene Weiterbelastung die Arbeitgebereigenschaft beim aufnehmenden Unternehmen nicht verhindern kann.
Für die Entscheidung, ob der Arbeitnehmer in das aufnehmende Unternehmen eingebunden ist, ist das Gesamtbild der Verhältnisse maßgebend. In den Fällen der internationalen Arbeitnehmerentsendung ist das in Deutschland ansässige aufnehmende Unternehmen, das den Arbeitslohn für die ihm geleistete Arbeit wirtschaftlich trägt oder nach dem Fremdvergleichsgrundsatz hätte tragen müssen, zum Lohnsteuerabzug verpflichtet (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG). Der wirtschaftliche Arbeitgeberbegriff ist damit auch für Zwecke des Lohnsteuerabzugs zu beachten.
Fremdvergleichsgrundsatz bei der Arbeitnehmerentsendung
Die Ausführungen zum wirtschaftlichen Arbeitgeber finden sich im BMF-Schreiben v. 12.12.2023, IV B 2 - S 1300/21/10024 :005, in den Rn. 151 ff. In der Neuauflage wurden weitere Ausführungen ergänzt. Insbesondere muss die Übernahme der Kosten für eine Arbeitnehmerentsendung dem Fremdvergleichsgrundsatz (vgl. dazu auch BMF, Schreiben v. 6.6.2023, Kapitel III A) entsprechen. Die Kosten sind von dem Unternehmen zu tragen, in dessen Interesse die Entsendung erfolgt. Bei den neuen Ausführungen ergibt sich eine Überschneidung mit den Erläuterungen im BMF-Schreiben vom 9.11.2001 (Verwaltungsgrundsätze – Arbeitnehmerentsendung), die nun weitgehend im 183-Tage-Schreiben aufgegangen und damit redundant sind.
Beispiel 1:
Ein internationaler Hotelkonzern betreibt durch eine Anzahl von Tochtergesellschaften weltweit Hotels. S, eine in Spanien ansässige Tochtergesellschaft, betreibt in Spanien ein Hotel. D, eine weitere Tochtergesellschaft der Gruppe, betreibt ein Hotel in Deutschland. D benötigt für fünf Monate einen Arbeitnehmer mit spanischen Sprachkenntnissen. Aus diesem Grund wird X, ein in Spanien ansässiger Angestellter der S, zu D entsandt, um während dieser Zeit an der Rezeption im Inland tätig zu sein. Der Angestellte X bleibt während dieser Zeit bei S angestellt und wird auch weiterhin von S bezahlt. Die Tochtergesellschaft D vergütet der Tochtergesellschaft S die Aufwendungen für den Angestellten X nach dem Fremdvergleichsgrundsatz.
Für den Zeitraum der Tätigkeit des Arbeitnehmers X im Inland ist D als wirtschaftlicher Arbeitgeber des X anzusehen. Die Entsendung des X zwischen den international verbundenen Unternehmen erfolgt im alleinigen Interesse des aufnehmenden Unternehmens D. Der Angestellte X ist in dem genannten Zeitraum in den Geschäftsbetrieb von D eingebunden. Infolgedessen trägt D wirtschaftlich die Arbeitsvergütungen nach dem Fremdvergleichsgrundsatz. Obwohl X sich an nicht mehr als 183 Tagen in Deutschland aufhält, wird Deutschland das Besteuerungsrecht für die Vergütungen des X für den genannten Zeitraum zugewiesen.
Der Angestellte X ist in Deutschland nach innerstaatlichem Recht beschränkt steuerpflichtig, weil die Tätigkeit in Deutschland ausgeübt wurde (§ 49 Abs. 1 Nr. 4 Buchstabe a EStG).
D ist inländischer Arbeitgeber (§ 38 Abs. 1 Satz 2 EStG). D zahlt den Arbeitslohn zwar nicht an X aus, trägt ihn aber wirtschaftlich und ist daher zum Lohnsteuerabzug verpflichtet. Der Lohnsteuerabzug für X ist daher von D durchzuführen.
Vereinfachungsregelung
Bei einer Arbeitnehmerentsendung zwischen international verbundenen Unternehmen von nicht mehr als drei Monaten (auch jahresübergreifend für sachlich zusammenhängende Tätigkeiten) spricht eine widerlegbare Anscheinsvermutung dafür, dass das aufnehmende Unternehmen mangels Einbindung des Arbeitnehmers nicht als wirtschaftlicher Arbeitgeber anzusehen ist. Es sind aber stets die tatsächlichen Verhältnisse des Einzelfalls maßgeblich.
Bei einer grenzüberschreitenden Arbeitnehmerüberlassung nimmt grundsätzlich der Entleiher die wesentlichen Arbeitgeberfunktionen wahr. Der Leiharbeitnehmer ist regelmäßig in den Betrieb des Entleihers eingebunden. Dementsprechend ist bereits mit Aufnahme der Tätigkeit des Leiharbeitnehmers beim Entleiher dieser als Arbeitgeber i. S. des DBA anzusehen.
Betriebsstätte im Tätigkeitsstaat
Erfolgt die Zahlung zu Lasten einer Betriebsstätte des Arbeitgebers im Tätigkeitsstaat, sind die Voraussetzungen für die alleinige Besteuerung im Ansässigkeitsstaat nach Art. 15 Abs. 2 Buchstabe c OECD-MA nicht erfüllt. Maßgebend für den Begriff der "Betriebsstätte" ist die Definition in dem jeweiligen Abkommen (Art. 5 OECD-MA). Der Arbeitslohn wird zu Lasten einer Betriebsstätte gezahlt, wenn die Zahlungen wirtschaftlich der Betriebsstätte zuzuordnen sind. Nicht entscheidend ist, wer die Vergütungen auszahlt oder in seiner Teilbuchführung abrechnet.
Beispiel 2:
Der in Deutschland ansässige A ist vom 1. Januar 01 bis 31. März 01 bei einer Betriebsstätte seines deutschen Arbeitgebers in Frankreich tätig (nicht innerhalb der Grenzzone, Art 13 Abs. 5 DBA-Frankreich). Der Lohnaufwand ist der Betriebsstätte als Betriebsausgabe zuzuordnen.
Das Besteuerungsrecht für den Arbeitslohn steht Frankreich zu. A hält sich zwar nicht länger als 183 Tage in Frankreich auf. Da der Arbeitslohn aber zu Lasten einer französischen Betriebsstätte des Arbeitgebers geht, bleibt das Besteuerungsrecht von Deutschland nicht erhalten. Frankreich kann als Tätigkeitsstaat den Arbeitslohn besteuern. Deutschland stellt die Einkünfte frei (unter Progressionsvorbehalt, § 32b EStG).
Hinweis: Wird ein Arbeitnehmer, der einer Betriebsstätte zuzuordnen ist, im Stammhaus seines Arbeitgebers tätig, steht dem Tätigkeitsstaat wegen der dortigen Ansässigkeit des Arbeitgebers grundsätzlich das Besteuerungsrecht zu. Das gilt auch dann, wenn die Tätigkeit nur von kurzer Dauer ist.
Tätigkeiten im Homeoffice
In den letzten Jahren ist vermehrt die Diskussion aufgekommen, ob Tätigkeiten im Homeoffice eine Betriebsstätte begründen können. Dazu hat sich die Verwaltung in einer aktuellen Änderung des AO-Anwendungserlasses ebenfalls positioniert (AEAO zu § 12; BMF, Schreiben v. 5.2.2024, IV D 1 - S 0062/23/10003 :001): Die Tätigkeit eines Arbeitnehmers in dessen häuslichem Homeoffice begründet in der Regel keine Betriebstätte des Arbeitgebers. Auch abkommensrechtlich begründet ein häusliches Homeoffice nach deutscher Anwenderstaatsperspektive in der Regel keine Betriebstätte.
Das gilt auch bei:
- Übernahme der Kosten für das Homeoffice und dessen Ausstattung durch den Arbeitgeber;
- Abschluss eines Mietvertrages über häusliche Räume des Arbeitnehmers zwischen Arbeitgeber (Mieter) und Arbeitnehmer (Vermieter), außer der Arbeitgeber ist im Einzelfall tatsächlich befugt, die Räume anderweitig zu nutzen;
- Fällen, in denen Arbeitnehmer kein anderer Arbeitsplatz durch den Arbeitgeber zur Verfügung gestellt wird.
Grund hierfür ist, dass der Arbeitgeber typischerweise nicht über eine ausreichende Verfügungsmacht über die häuslichen Räumlichkeiten des Arbeitnehmers verfügt. Anderes kann gelten, wenn ein Arbeitnehmer Leitungsfunktionen ausübt und diese Verfügungsmacht des Unternehmens vermitteln.