Nachgehend

OVG Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 27.07.2018; Aktenzeichen OVG 6 S 34.18)

 

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 555 Euro festgesetzt.

 

Gründe

Der Antrag,

dem Antragsgegner vorläufig zu untersagen, gegenüber der Antragstellerin aus den Feststellungsbescheiden zur Erhebung der Ausgleichsabgabe 1997 und 1998 nach § 11 Abs. 2 SchwbG vom 15. November 1999 und 14. September 1999 zu vollstrecken,

ist ohne Erfolg.

Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Form der Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn diese Regelung um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dazu hat der Antragsteller die besondere Dringlichkeit der Anordnung (Anordnungsgrund) und das Bestehen des zu sichernden Anspruchs (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung (ZPO). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Antragstellerin hat einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht.

Ein Anspruch auf Aussetzung der Vollstreckung hinsichtlich der Feststellungsbescheide betreffend die Ausgleichsabgabe 1997 und 1998 besteht nicht. Gegenüber privaten Arbeitgebern kann das Integrationsamt die im Feststellungsbescheid titulierter Abgabenforderung nach den Vorschriften über das Verwaltungszwangsverfahren vollstrecken; es gelten die jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften über das Vollstrekkungsverfahren, § 66 Abs. 3 SGB X.

Nach § 13 VwVGBbg ist die Vollstreckung einzustellen oder zu beschränken, wenn 1. der Zweck erreicht wurde, 2. der zu vollstreckende Verwaltungsakt aufgehoben wurde, 3. die Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes nachträglich entfallen ist, 4. der mit dem Verwaltungsakt geltend gemachte Anspruch erloschen ist, 5. die mit dem Verwaltungsakt geforderte Leistung gestundet wurde.

Die genannten Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Hinsichtlich der Regelungen in den Nummern 1, 2, 3 und 5 ist dies unstreitig. Der mit dem Verwaltungsakt geltend gemachte Anspruch ist – entgegen der Auffassung der Antragstellerin – auch nicht erloschen. Dabei bedarf es vorliegend keiner Klärung bis zu welchem Zeitpunkt einer Ausgleichsabgabe nach § 11 Abs. 2 SchwbG, § 77 SGB IX a.F. nunmehr § 160 SGB IX festgesetzt werden kann (h.M. vier Jahre: vgl. Goebel in jurisPK-SGB IX; Knittel, SGB IX, Kommentar, 7. Auflage, Rn. 70 zu § 77 m.w.N.).

Dabei ist nicht zu verkennen, dass nach den hier maßgeblichen Vorschriften des §11 SchwbG das Gesetz den Arbeitgeber verpflichtet, die Ausgleichsabgabe zu zahlen, solange er seiner Beschäftigungspflicht nicht genügt. Mithin die Abgabepflicht kraft Gesetzes im Zeitpunkt der Nichterfüllung entsteht. Die Verpflichtung zur Leistung der Ausgleichsabgabe ist danach nur die gesetzliche Folge des Nichterfüllens der Beschäftigungspflicht. Die Ausgleichsabgabe entsteht mit dem Zeitpunkt der Nichterfüllung der Beschäftigungspflicht und wird zum 31. März des folgenden Kalenderjahres fällig. Erst wenn der Arbeitgeber die Ausgleichsabgabe länger als 3 Monate nicht abführt, wird von der Hauptfürsorgestelle (jetzt Integrationsamt) ein Feststellungsbescheid erlassen. Dieser Bescheid hat keine rechtsbegründende Funktion, sondern dient nur der Beitreibung (vgl. Neumann/Pahlen in Schwerbehindertengesetz, Kommentar, 9. Auflage, Rdnr. 17, 22 zu § 11).

Bei dem Feststellungsbescheid handelt es sich ohne Zweifel um einen Verwaltungsakt, für den die Regelungen über das Verfahren nach SGB X gelten (vgl. Knittel, a.a.O., Rn. 52 zu § 77; auch: BVerwG, Urteil vom 15. Dezember 2004 – 5 C 70/03 – zitiert nach juris). Denn das Schwerbehindertengesetz galt im Zeitpunkt des Erlasses der hier in Rede stehenden Feststellungsbescheide gemäß Art. II § 1 Nr. 3 SGB I (BG Bl. I 1975, S. 3015, 3025) als besonderer Teil des Sozialgesetzbuches.

Die Verjährung von im Feststellungsbescheid festgestellter Ausgleichsabgaben richtet sich mithin hier nicht nach den oben genannten Zeiträumen für eine Feststellung sondern nach § 52 SGB X. Nach § 52 Abs. 1 SGB X hemmt ein Verwaltungsakt, der zur Feststellung oder Durchsetzung des Anspruchs eines öffentlich-rechtlichen Rechtsträgers erlassen wird, die Verjährung dieses Anspruchs. Nach Abs. 2 beträgt die Verjährungsfrist 30 Jahre, wenn ein Verwaltungsakt im Sinne des Abs. 1 unanfechtbar geworden ist. Ein solcher Fall ist hier gegeben. Vorliegend handelt es sich bei den in Rede stehenden Feststellungsbescheiden jedenfalls um Verwaltungsakte zur Durchsetzung des Anspruchs. Danach haben auch Festsetzung- und Leistungsbescheide, mit denen eine Leistung festgestellt bzw. festgesetzt wird, verjährungshemmende Wirkung bzw. – wie hier – zur Folge, dass die 30jährige Verjährungsfrist gilt. Zwar ist die Vorschrift erst seit dem 1. Januar 2002 gültig, jedoch hat sich die Rechtslage insoweit nicht maßg...

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