Entwickelt wurde der WAI in den 1980er-Jahren in Finnland u. a. von dem Arbeitsphysiologen Juhani Illmarinen als Bewertungsverfahren zur Frühberentung. Seit den 1990er-Jahren wird der WAI als Instrument zur Bestimmung des Niveaus der individuellen Arbeitsfähigkeit verwendet. Das Befragungsverfahren wird mittlerweile weltweit in Unternehmen oder zu Forschungszwecken in Längs- oder Querschnittsstudien eingesetzt und als international valide bezeichnet.
In Deutschland besteht seit 2003 ein für Unternehmen offenes WAI-Netzwerk, das die Anwendung durch Beratung, Austausch, Praxisbeispiele und Software unterstützt.
Im Kontext des Demografischen Wandels gewinnt der WAI zunehmend an Bedeutung als eine Arbeitsgrundlage für alternsgerechte Arbeitsgestaltung sowie zur Evaluation von Maßnahmen individueller betrieblicher Gesundheitsförderung.
Der WAI-Fragebogen beinhaltet 7 Dimensionen mit 10 Fragestellungen und wird in einer Kurz- und einer Langversion angeboten. Die Langversion fragt unter WAI 3 eine höhere Anzahl von Krankheiten ab.
Beide Versionen beinhalten die folgenden 7 Fragenkomplexe mit insgesamt 10 Fragen (Tab. 1).
WAI 1: Derzeitige im Vergleich zur besten je erreichten Arbeitsfähigkeit Wenn Sie Ihre beste je erreichte Arbeitsfähigkeit mit 10 Punkten bewerten, wie viele Punkte würden Sie sich dann für Ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit geben? |
0–10 Punkte |
WAI 2: Arbeitsfähigkeit in Relation zu den Arbeitsanforderungen Wie schätzen Sie Ihre derzeitige Arbeitsfähigkeit in Relation zu den körperlichen und psychischen Anforderungen ein? |
2–10 Punkte |
WAI 3: Anzahl der aktuellen, vom Arzt diagnostizierten Krankheiten (Langversion = 50 Krankheiten, Kurzversion = 13 Krankheiten) |
1–7 Punkte |
WAI 4: Geschätzte Beeinträchtigung der Arbeitsleistung durch die Krankheiten Behindert Sie derzeit eine Erkrankung oder Verletzung bei der Arbeit? |
1–8 Punkte |
WAI 5: Krankenstand im vergangenen Jahr Krankheitsbedingte Ausfalltage während der letzten 12 Monate |
1–5 Punkte |
WAI 6: Einschätzung der eigenen Arbeitsfähigkeit in 2 Jahren Glauben Sie, dass Sie, ausgehend von Ihrem jetzigen Gesundheitszustand, Ihre derzeitige Arbeit auch in den nächsten 2 Jahren ausüben können? |
1, 4 oder 7 Punkte |
WAI 7: Psychische Leistungsreserven Haben Sie in der letzten Zeit Ihre täglichen Aufgaben mit Freude erledigt? Waren Sie in letzter Zeit aktiv und rege? Waren Sie in der letzten Zeit zuversichtlich, was die Zukunft betrifft? |
1–4 Punkte |
Tab. 1: Fragen im WAI-Fragebogen
Auswertung/Ergebnisse
Durch Addition können 7–49 Punkte erreicht werden. Unter WAI 2 werden außerdem körperliche und psychische Anforderungen erfasst und gewichtet. Dafür existiert eine Anleitung. Der WAI/ABI stuft sich in 4 Ergebniskategorien (Tab. 2).
Punkte |
Arbeitsfähigkeit |
Ziel von Maßnahmen |
7–27 |
schlecht |
Arbeitsfähigkeit wiederherstellen |
28–36 |
mittelmäßig |
Arbeitsfähigkeit verbessern |
37–43 |
gut |
Arbeitsfähigkeit unterstützen |
44–49 |
sehr gut |
Arbeitsfähigkeit erhalten |
Tab. 2: Ergebniskategorien des WAI
Je niedriger die Punktzahl ist, desto größer ist beim Befragten die Diskrepanz zwischen den gestellten Arbeitsanforderungen und der individuellen Bewältigungsfähigkeit. Umgekehrt bedeutet dies, je höher die Punktzahl ist, desto besser stehen die Arbeitsanforderungen in der Balance mit den vorhandenen Potenzialen und Ressourcen des Beschäftigten.
Was der WAI kann und was er nicht kann
- Der WAI zeigt die subjektiv empfundene Arbeitsbewältigungsfähigkeit des Befragten auf und ist geeignet, diese mit objektiven Daten, wie z. B. Arbeitsunfähigkeitsdaten, Beschätigungsdauer, Arbeitszeiten/Schichtarbeit, zusammenzuführen: "Der WAI ist gut geeignet, die Ansichten der Beschäftigten in Bezug auf ihre konkrete Arbeitsfähigkeit am Arbeitsplatz mit allen Stärken und Schwächen abzubilden." In den Antworten spiegeln sich mittelbar die individuelle berufliche Situation des Befragten (Arbeitsinhalt, Arbeitsorganisation, soziales Arbeitsumfeld), dessen private Bedingungen (belastendes oder stützendes Umfeld) sowie dessen individuelle Voraussetzungen (funktionelle Kapazität, Gesundheitszustand, Motivation, Kenntnisse und Fertigkeiten) wider und liefern hier Ansatzpunkte für Präventionsmaßnahmen.
- Der WAI trifft keine Aussage über die tatsächliche Arbeitsleistung, die Leistungsfähigkeit oder die Gesundheit des Beschäftigten.
- Der WAI hilft, Belastungsschwerpunkte im Betrieb zu ermitteln.
- Der WAI ist ein Erhebungsinstrument zur Feststellung von Handlungsbedarf, nicht von konkreten Maßnahmen.
- Der WAI ist als Handlungsaufforderung gleichermaßen an Beschäftigte und Arbeitgeber zu verstehen, individuelle Potenziale zu stärken oder Rahmenbedingungen der Arbeit zu verbessern.
Das "Work-Ability-Konzept" bildet den Rahmen für die Bedarfsanalyse und die Planung von Präventionsmaßnahmen, die die Arbeitsfähigkeit verbessern und eine alter(n)sgerechte Arbeitsgestaltung ermöglichen sollen. Die WAI-Ergebnisse werden i. d. R. zwischen dem Befragten und dem Betriebsarzt diskutiert, um erste Präventionsmaßnahmen zu erarbeiten.