Leistungsfähigkeit mit 360 Grad Feedback verbessern
Wenn Unternehmer, Bilanzbuchhalter und andere Selbstständige sich die Frage stellen, ob sie gute Leistungen erbringen, setzen sie sich in erster Linie vor allem mit sich selbst auseinander. Sie erstellen, mental im Kopf oder schriftlich, eine mehr oder weniger fundierte Eigeneinschätzung. Die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Person ist an sich absolut zu begrüßen und bringt Betroffene in der Regel durchaus weiter. Das Problem in der Praxis ist häufig, dass Dritte, etwa Kunden oder Kollegen, ein zumindest in Teilen anderes Bild von einem selbst haben und die eigene Leistungsfähigkeit oder das Auftreten anders sehen. Daher sollte man für eine Leistungsbewertung nicht nur sich selbst befragen, sondern auch ausgewählte Dritte. Der Fachbegriff hierfür heißt 360 Grad Feedback oder 360 Grad Beurteilung. Im Englischen wird auch der Ausdruck „multi source feedback“ verwendet.
Hinweis: In der hier zum Download bereitgestellten Excel-Datei finden Sie eine Vorlage für die entsprechenden Fragebögen bzw. Arbeitshilfen aus diesem Beitrag: Download Excel-Datei 360 Grad Feedback
Was ist ein 360 Grad Feedback?
Ein 360 Grad Feedback ist eine Methode zur Beurteilung von Leistungen und Fähigkeiten von Mitarbeitern oder Führungskräften und wird besonders häufig in der Personalentwicklung eingesetzt. Die Methode lässt sich auch bei Selbstständigen und Unternehmern einsetzen. Das Besondere ist, dass es Feedbacks, also Rückmeldungen von mehreren Parteien gibt. Solche Parteien können andere Mitarbeiter, Kunden, Kooperationspartner oder Lieferanten sein. Es ist grundsätzlich ebenfalls möglich, Freunde oder Bekannte einzubinden. Durch das Einbeziehen mehrerer Personen entsteht ein besseres und aussagekräftigeres Gesamtbild vom Verhalten, Auftreten und der Leistungsfähigkeit der bewerteten Person, weil jeder Bewerter eigene Blickwinkel, Erwartungen und Erfahrungen einbringt. Bewertet man seine Leistungsfähigkeit nur selbst, kann das schnell zu Verzerrungen führen, weil man z.B. der Auffassung ist, etwas besonders gut zu können, andere Personen dies aber nicht so sehen und umgekehrt. Mit einem 360 Grad Feedback bewertet man sich selbst und bezieht die Meinungen Anderer mit ein.
Ziel des 360 Grad Feedbacks
Durch ein 360 Grad Feedback gibt es konkrete Hinweise auf vorhandene Stärken und Schwächen der zu bewertenden Person. Häufig werden auch noch nicht erkannte Potenziale aufgedeckt und es besteht die Möglichkeit schlechte Gewohnheiten aufzudecken und abzustellen.
Ziel ist es, auf Basis der Ergebnisse, die Leistungsfähigkeit der zu bewertenden Person zu steigern. Das bedingt, dass die Ergebnisse der Beurteilung dazu führen, dass im Anschluss entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden.
Wie kann ein 360 Grad Feedback ablaufen?
Ein 360 Grad Feedback kann gut in mehreren Schritten umgesetzt werden. Im Folgenden wird eine Möglichkeit beschrieben, wie die Methode einfach und schnell vor allem in kleineren Betrieben oder bei Selbstständigen ablaufen kann. Je größer der Betrieb und je mehr Beteiligte eingebunden werden sollen, desto höher die Komplexität und desto länger dauern auch Auswertung und Maßnahmenumsetzung. Bei Selbstständigen und in kleineren Betrieben kann dagegen oft mit einem Fragebogen gearbeitet werden, den alle Beteiligten nutzen können. Auch die Auswertung ist daher meist schnell möglich.
Schritt 1: Voraussetzungen schaffen
Zunächst muss die Bereitschaft vorhanden sein, sich selbst überhaupt einem solchen Feedback unterziehen zu wollen. Das bedeutet auch, dass die zu bewertende Person sich zumindest in Teilen darauf einstellen muss, dass Eigen- und Fremdbild voneinander abweichen, positiv wie negativ. Es ist also eine gewisse „Kritikresistenz“ erforderlich. Dann sollte durch den zu Bewertenden festgelegt werden, wer und wie viele Dritte in das 360 Grad Feedback einbezogen werden sollen. In der Praxis genügt es meist, wenn man etwa 5 Personen einbindet, etwa Kunden, die man schon länger kennt, evtl. Mitarbeiter, Berufskollegen aus dem Netzwerk oder dem Berufsverband, aber auch Bekannte. Die ausgewählten Dritten müssen dann danach gefragt werden, ob sie bereit sind und auch über die Zeit verfügen, um teilzunehmen. Für den Fall einer Ablehnung sollte es Personen geben, die einspringen können.
Praxis-Tipp: Auswahl der bewertenden Personen entscheidend
Wenn die zu bewertende Person die Beteiligten auswählt, sollte sie strikt darauf achten, dass sie möglichst niemanden auswählt, der ihr nur „nach dem Mund redet“ oder ein „Gefälligkeitsgutachten“ ausstellt. Dann wird der Nutzen der Methode drastisch reduziert. Bei der Anfrage an die betreffenden Personen sollte das auch klar artikuliert werden, dass eine möglichst objektive Bewertung ohne Beschönigungen gewünscht wird, auch wenn es u.U. schwerfallen kann, solche Aussagen zu akzeptieren. Bei der Auswahl hilft es ggf. zunächst einen Bewerter zu benennen, mit dem man dann gemeinsam weitere Personen einbindet.
Genaue Information zu Inhalten und Abläufen unabdingbar
Auch wenn die Methode schon relativ alt ist, ist sie vielen Dritten nicht wirklich bekannt, weder bezogen auf die Inhalte noch auf die Abläufe. Daher sollte vor dem Start genau erläutert werden, worum es geht und wie Feedback und Auswertungen konkret ablaufen sollen. Das kann mündlich geschehen oder man entwickelt einen kurzen Infoflyer, in dem die zentralen Aspekte erläutert werden. Es muss auch kommuniziert werden, dass die Rückmeldungen ehrlich und offen erfolgen sollen. Punkte, die kritisch sind, sollten nicht verschwiegen werden.
Schritt 2: Fragebogen erstellen
In der Praxis hat es sich bewährt, für die Umsetzung einen Fragebogen zu erstellen, den alle Beteiligten ausgehändigt bekommen. Ein Beispiel für einen Fragebogen finden Sie in Tabelle 1 (s. Downloaddatei am Anfang dieses Beitrages). Er ist bewusst einfach gehalten und enthält lediglich 20 Fragen, die sich meist in wenigen Minuten beantworten lassen. Die Fragen sind beispielhaft zu verstehen und können beliebig ausgetauscht, angepasst und ergänzt werden. Wichtig ist in jedem Fall, dass keine wertenden, suggestiven oder hypothetische Fragen gestellt werden und möglichst keine Fremdworte oder im Betrieb übliche Abkürzungen verwendet werden. Auch sollte darauf geachtet werden, dass die Fragen einfach und klar in den Strukturen gehalten sind.
Bewertung mit Noten und verbalen Aussagen möglich
Ein Punkt, der im Vorfeld ebenfalls beantwortet werden muss, ist, ob der Fragebogen nur Bewertungen vorgibt, z. B. Sehr gut, gut usw. Oder ob man die Möglichkeit vorsehen möchte, offene Fragen zu stellen, bei denen vor allem auch individuelle Kommentare möglich sind, die bei der späteren Maßnahmenumsetzung helfen können. Beide Varianten haben ihre Vor- und Nachteile. Mit einer einfachen Bewertung lässt sich die Auswertung schnell und präzise erstellen. Dafür muss man sich im Vorfeld aber sehr genau überlegen, wie man die Fragen formuliert und man geht das Risiko ein, dass ein Bewerter bei Unsicherheiten eher vorsichtiger agiert und etwa besser bewertet. Zudem bekommt man keine zusätzlichen Hinweise dazu, wie und warum eine Bewertung erfolgt ist.
Bei einer Variante mit individuellen Kommentaren dauert die Auswertung etwas länger, die Anforderungen an die Fragenstellung sind aber etwas weniger hoch und man erhält wichtige Hinweise, warum ein Dritter sich für eine Antwort entschieden hat, und evtl. auch dazu, welche Möglichkeiten oder Wünsche an Verbesserungen er oder sie sieht.
Der Fragebogen wurde so konzipiert, dass sowohl eine Benotung als auch individuelle Kommentierungen vergeben werden können. Es können je Frage Noten von z. B. 1-6 vergeben und individuelle Kommentierungen vorgenommen werden. Damit verbindet der Bogen die Vorteile beider beschriebenen Möglichkeiten. Für die spätere Auswertung müssen sowohl die zu bewertende Person als auch die ausgewählten Bewerter je einen Bogen ausfüllen.
Praxis-Tipp: Einbindung anderer Personen bei Fragebogenerstellung
Auch für die Erstellung des Fragebogens sollte geprüft werden, ob man noch ein oder besser sogar zwei andere Personen einbindet. Damit lässt sich eine zu einseitige Betrachtungsweise oder gar eine unbeabsichtigte Beeinflussung vermeiden. Oft werden bei einer alleinigen Konzeption unbewusst Themengebiete auswählt, bei denen man tendenziell gut abschneidet und evtl. Sachverhalte, die Dritten vielleicht wichtig sind, eher ausblendet.
Schritt 3: Eigen- und Fremdbewertung durchführen
Der Fragebogen kann im nächsten Schritt an alle Beteiligten verteilt werden. In der Praxis hat es sich bewährt, die Fragen zunächst gemeinsam durchzusprechen, für den Fall, dass es trotz sorgfältiger Vorbereitung Unklarheiten gibt. So lassen sich evtl. noch mögliche Missverständnisse und Fehlinterpretationen vermeiden. Bei Bedarf sollten die Fragen noch angepasst werden.
Dann sollte jeder Bewerter die Möglichkeit bekommen, den Bogen für sich in Ruhe auszufüllen und ihn innerhalb einer zu benennenden Frist wieder zurückzugeben, etwa innerhalb von 2-4 Tagen. Dabei muss auch geklärt werden, ob die Bewerter anonym bleiben oder namentlich genannt werden sollen. Auch hier gibt es Vor- und Nachteile. Bei einer anonymen Bewertung erfolgt diese meist noch offener und ehrlicher und enthält auch kritischere Antworten. Werden die Namen genannt, besteht die Möglichkeit, nachzuhaken, wenn es unvollständig oder unklar ist. Hier muss sich die zu bewertende Person für eine Vorgehensweise entscheiden, die aus ihrer individuellen Sicht am günstigsten ist. Wichtig ist, dass die Beantwortung in jedem Fall schriftlich erfolgt.
Schritt 4: Einschätzungen auswerten
Für die Auswertung werden zunächst die Noten in ein Formular, wie es beispielhaft in Tabelle 2 (s. Downloaddatei am Anfang dieses Beitrages) zu sehen ist, übertragen. Und zwar zunächst die Eigeneinschätzung (Spalte Eigen), dann die Bewertungen der bis zu 5 Bewerter. Aus den Einschätzungen kann ein Mittelwert gebildet werden. Die Kommentare der Bewerter sollten ebenfalls in das Formblatt übernommen werden, um zu sehen, warum es bei der Fremdbewertung zu einer bestimmten Einschätzung gekommen ist. Auf Grund der eher geringen Anzahl beteiligter Personen ist der Arbeitsaufwand dennoch eher gering.
Schritt 5: Maßnahmen für Verbesserungen prüfen
Nach Abgabe und Auswertung der Bögen durch die zu bewertende Person sollte allen Beteiligten zunächst ein Dank für die Mitarbeit und Unterstützung ausgesprochen werden, verbunden mit der Zusage, dass man ebenfalls bereit ist, als Bewerter an einem 360 Grad Feedback teilzunehmen, wenn das einer der ausgewählten Dritten wünscht. Bei der Gelegenheit kann ggf. noch gefragt werden, ob es Dinge gegeben hat, die nicht behandelt wurden oder die für künftige Feedbacks wichtig sein können (z.B. „Wie lautet Ihre abschließende Beurteilung der Maßnahme und gibt es etwas, was Sie noch anmerken möchten?", soweit sich auf den Bewertungsbögen keine entsprechenden Anmerkungen finden.
Aus den Auswertungen ergeben sich für die bewertete Person regelmäßig konkrete Hinweise für möglichen Handlungsbedarf. Diese sollten möglichst zeitnah aufgegriffen und in Maßnahmen überführt werden. Faustregel: etwa 3-5 Tage nach Vorlage der Ergebnisse. Soweit es die Ergebnisse hergeben, sollten je 3 Maßnahmen zur Reduzierung der Schwächen, zur Erschließung noch nicht genutzter Potenziale und der Verbesserung der Stärken definiert und umgesetzt werden.
Tabelle 3 (s. Downloaddatei am Anfang dieses Beitrages) zeigt eine Arbeitshilfe, die sich für den Einstieg nutzen lässt. Wichtig ist, dass man nicht mehr als 2-3 Maßnahmen gleichzeitig angeht, um sich nicht zu verzetteln. Gibt es ausgeprägte Schwächen, sollte hier begonnen werden, diese abzustellen, weil sich so Auftreten oder Leistungsvermögen oft am ehesten verbessern lässt. Danach kann überlegt werden, wie sich bisher nicht genutzte Potenziale erschließen lassen. Erst dann kann man sich mit dem Ausbau der Stärken befassen, da es hier ja schon gut läuft.
Wichtig ist in jedem Fall, dass festgehalten wird, wer die Umsetzung verantwortet (bei Selbstständigen kann auf den Punkt meist verzichtet werden) bis wann etwas abgeschlossen werden soll und ob zusätzliche Ressourcen wie Stunden oder Geld zusätzlich zu den bisher beanspruchten Ressourcen erforderlich sind.
Schritt 6: Zentrale Aspekte dokumentieren
Der gesamte Ablauf des Feedbacks, von der Planung und Vorbereitung bis zur Bewertung und Maßnahmenumsetzung sollte schriftlich in einem zusätzlichen Dokument festgehalten werden, zumindest in Stichworten. Das hilft dabei, die nächsten Durchführungen schneller und effizienter vorzunehmen.
Schritt 7: 360 Grad Feedback jährlich wiederholen
Der Nutzen der Analyse lässt sich deutlich verbessern, wenn man die Methode jährlich wiederholt. Dann treten positive Effekte in der Regel noch dauerhafter ein und man vermeidet, dass sich alte Gewohnheiten langsam wieder einschleichen.
Fazit und Ausblick
Ein so genanntes 360 Grad Feedback ist eine Methode zur Bewertung von Verhalten, Leistungen und Fähigkeiten von z.B. Führungskräften, Mitarbeitern, Selbstständigen und Unternehmern. Das besondere ist, dass zum einen eine Eigeneinschätzung (Selbstbild) erstellt und mehrere Dritte gebeten werden, ihre Einschätzung (Fremdbild) abzugeben. Die Erfahrungen zeigen, dass Eigen- und Fremdbild so gut wie nie vollkommen übereinstimmen.
Das bietet für die zu bewertende Person die große Chance, Hinweise aufzugreifen, die aus Sicht der Dritten dazu beitragen, z.B. Schwächen zu beseitigen oder bisher nicht genutzte Potenziale zu erschließen. Bei der Umsetzung ist eine systematische Vorgehensweise sinnvoll, die sicherstellt, dass alle Beteiligten einen Nutzen daraus ziehen können. Denn auch Dritte profitieren, etwa, wenn die zu bewertende Person ihr Zeitmanagement oder ihre Zuverlässigkeit gegenüber Kunden verbessert.
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