Kanban in HR


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Agile Methoden in HR: Kanban

Im Blickpunkt von Kanban steht der Workflow eines Teams. Die agile Methode, die oft mit Scrum verwechselt wird, kann auch im HR-Bereich einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess in Gang setzen.

Kanban hat seinen Ursprung Ende der 1940er-Jahre in Japan. Um die Arbeitsabläufe der Mitarbeiter an die Just-in-Time- und Lean-Production anzupassen, führte der Automobilhersteller Toyota die Methode ein. Der Begriff stammt aus dem japanischen und bedeutet übersetzt Signalkarte: Die Aktivitäten der Teams wurden an einer Wand festgehalten. So ließen sich ineffiziente Teilaufgaben, die zu Verlusten führten, erkennen und minimieren. Vor gut zehn Jahren fand Kanban mit den grundlegenden Prinzipien der Toyota-Produktion auch Einzug in die Softwareentwicklung. Mittlerweile wird die agile Methode auch in anderen Bereichen und Abteilungen eingesetzt.

Definition von Kanban

Bei Kanban handelt es sich um eine agile Projekt- und Zeitmanagement-Methode (eine Definition agiler Methoden und die Abgrenzung zu agilen Techniken und Prinzipien finden Sie hier). Teams streben einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess der Workflows und Routineaufgaben an. Kennzeichen sind regelmäßige, kurze Meetings und der Einsatz eines Kanban-Boards, auf dem die zu erledigenden Aufgaben festgehalten werden. Kanban kann auch mit anderen agilen Methoden, vor allem Scrum, kombiniert werden. Die Arbeitsweise eignet sich für Teams, aber auch für Einzelpersonen.

Ablauf von Kanban: kontinuierliche Verbesserung des Workflows

In Projektteams sind Effizienzmängel ein verbreitetes Phänomen. Hier setzt Kanban an: Die Methode verbessert die Arbeitsabläufe in kleinen Schritten, indem sie versucht, die Durchlaufzeiten zu verkürzen. Es geht nicht darum, wie zum Beispiel bei Scrum oder Design Thinking, ein ganzes Projekt auf einmal durchzuziehen. Kanban strebt einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess an, der nicht zwangsweise ein Ende finden muss.

Arbeitsablauf mit dem Kanban-Board visualisieren

Zunächst visualisiert das Team den Workflow möglichst präzise und detailreich auf einem für alle sichtbaren Kanban-Board. Dafür schreiben die Teammitglieder ihre Aufgaben auf Karten, zum Beispiel Post-its, und sammeln diese Tickets in einer "Backlog"-Spalte auf der linken Seite des Kanban-Boards. Das Team stellt Zusammenhänge zwischen den verschiedenen Aufgaben im Backlog her und erstellt Aufgabenpakete, die die voneinander abhängigen Arbeitsschritte der Teammitglieder enthalten.

Mit Kanban Aufgaben bearbeiten: WIP-Limits und Pull-Prinzip

Die Kanban-Wand reicht vom Backlog, über "To Do" und "in Bearbeitung" ("In Progress"), bis hin zu "erledigt" ("Done"). Dazwischen können Teams weitere Spalten für sonstige Arbeitsphasen einfügen: Zum Beispiel die Spalte "Vorarbeit" zwischen "To-Do" und "in Bearbeitung" oder "überprüfen" zwischen "in Bearbeitung" und "erledigt".

Zunächst werden für alle Aufgabenpakete Regeln erstellt und Kapazitäten, sogenannte "Work-in-progress-Limits" (WIP-Limits), festgelegt. Die WIP-Limits begrenzen, wie viele Aufgaben eines Pakets höchstens gleichzeitig in einem Arbeitsschritt bearbeitet werden dürfen, also wie viele Post-its höchstens in einer Spalte des Kanban-Boards auftauchen dürfen. Im Kanban-Prozess wandern die einzelnen Teilaufgaben (Tickets) schließlich von links nach rechts.

Die WIP-Limits sind von großer Bedeutung: Nicht Multitasking, sondern ein "Fluss" der Teamarbeiten ist bei Kanban das Ziel. Die zu erledigenden Teilaufgaben "fließen" auf dem Kanban-Board von links nach rechts, bis sie abgeschlossen sind. Wichtig ist hierbei das sogenannte "Pull-Prinzip". Die Teilaufgaben werden von anderen Teilaufgaben, die weiter nach rechts wandern, "hinterhergezogen". Ist eine Teilarbeit abgeschlossen, sprich befindet sich der Zettel in der Spalte "erledigt", wird die nächste zu erledigende Aufgabe des betreffenden Arbeitspaketes automatisch von der Spalte "To Do" in die Spalte "in Bearbeitung" gezogen.

Das System wird stückweise optimiert, indem der "Flow" verbessert und die Durchlaufzeit dadurch verkürzt wird. Die Teams erkennen durch die Kanban-Wand Engpässe, wenn sich in einer Spalte Arbeiten aufstauen, sprich keine neuen Teilaufgaben von links nach rechts "fließen" können, da sonst das WIP-Limit in der Spalte überschritten wird. Um einen solchen Engpass aufzulösen, bieten sich mehrere Möglichkeiten an: Die laufende Arbeit kann früher im Workflow durch niedrigere WIP-Limits stärker begrenzt werden. So haben die Verantwortlichen für die Teilaufgabe in der Phase, in der sie für einen "Stau" sorgt, mehr Zeit und können den Engpass selbst beheben. Eine weitere Lösung ist, die Teamressourcen anders zu verteilen.

Kanban-Teams sind im ständigen Austausch

Während des Prozesses treffen sich die Teammitglieder regelmäßig, wenn möglich täglich, um den anderen kurz vom aktuellen Stand der eigenen Aufgaben und von möglichen Problemen zu berichten. Das Team diskutiert zehn bis 15 Minuten lang über die erledigten, laufenden und kommenden Aufgaben. Die Teammitglieder teilen ihr Wissen und helfen sich gegenseitig. Aufwendige Meetings und zeitraubende bilaterale Gespräche werden dagegen hinfällig, da neben den täglichen kurzen Treffen die jeweiligen Aufgaben für alle sichtbar am Kanban-Board festgehalten sind.

Rollen der Mitarbeiter bei der agilen Kanban-Methode

Kanban sieht - im Gegensatz zu Scrum - keine explizite Rollenverteilung der Mitarbeitenden vor. Es wird kein Teammitglied ernannt, das dafür verantwortlich ist, dass der Prozess eingehalten wird. Dennoch sollte mindestens eine Person die Prinzipien verstehen und (inoffiziell) den Kanban-Prozess leiten. Diese Rolle kann zum Beispiel ein Projektleiter, ein Produktmanager, ein Scrum Master oder ein externer Coach übernehmen. Festgelegte Rollen können sich jedoch ergeben, wenn man - wie in der Praxis oft der Fall - Elemente der Scrum- und Kanban-Methode miteinander kombiniert (die drei Rollen von Scrum finden Sie im entsprechenden Kapitel dieses Top-Themas).

Vorteile von Kanban

Kanban-Teams lernen im Verlauf des Prozesses, sich selbst zu steuern. Das Kanban-Board sorgt für Transparenz und motiviert die Teams, indem sie täglich den Fortschritt eines Projektes sehen. Außerdem können durch das Board und die kurzen, täglichen Meetings zeitaufwendige Konferenzen vermieden werden. Die WIP-Limits verhindern, dass die Teammitglieder zu viele Arbeiten gleichzeitig ausüben und sich damit überfordern. Stattdessen ermöglichen die WIP-Limits einen Fokus auf die zu erledigenden Arbeiten. Dadurch können diese schneller und effizienter erfüllt werden. Ein weiterer Vorteil ist, dass sich Kanban in den Unternehmen flexibel einsetzen lässt: Die Methode eignet sich für crossfunktionale Teams, Abteilungen, kleine Teams und Einzelpersonen.

Nachteile der Kanban-Methode

Ab einer gewissen Größenordnung eines Projekts ist die Methode ungeeignet. Das Kanban-Board wird dann unübersichtlich und die Workflows, Abhängigkeiten zwischen den Teilaufgaben sowie mögliche Störfaktoren können nur noch schwer identifiziert werden. Da Kanban Schwachstellen aufdeckt, können außerdem Mitarbeiter identifiziert werden, die weniger leisten als andere. Das wiederum kann zur Ablehnung der Methode unter den Teammitgliedern führen.

Unterschiede zwischen Scrum und Kanban

Die Elemente von Kanban und Scrum werden regelmäßig verwechselt, da sie in der Praxis oft gemeinsam eingesetzt werden. Scrum-Teams verwenden häufig Kanban-Boards, um die Iterationsschleifen zu visualisieren – umgekehrt setzen Kanban-Teams Sprints ein, um den Workflow in festgelegten Iterationszyklen zu verbessern. In der Reinform unterscheiden sich die beiden Methoden aber voneinander: Während Scrum einen teamzentrierten Ansatz wählt, mit dem Kreativprojekte umgesetzt werden, werden bei Kanban die Arbeitsschritte entlang der Wertschöpfungskette optimiert.

Bei Scrum wird ein in sich geschlossenes (neues) Projekt in Sprintzyklen umgesetzt. Die Scrum-Methode umfasst ein möglichst klar definiertes Konzept und ist beendet, sobald das Vorhaben abgeschlossen ist. Mittels Kanban werden dagegen bestehende Prozesse und Routineaufgaben in kleinen und kleinsten Einheiten verfeinert. Es handelt sich um einen fortlaufenden, evolutionären Prozess, der die tägliche Arbeit unterstützt und im Grunde kein Ende findet. Es gibt keine fest vorgeschriebenen Iterationen und Zeitgrenzen, innerhalb derer eine bestimmte Menge an Arbeit erledigt werden muss. Kanban fördert den kontinuierlichen Flow, wohingegen sich die Aufgaben von Scrum-Teams überlagern können. Außerdem werden aktuelle Prozesse von Kanban-Teams zunächst nicht verändert. Dies geschieht erst dann, wenn auf dem Kanban-Board Engpässe entstehen. Bei Scrum geht es dagegen gerade darum, mit kreativen Lösungen neue Wege einzuschlagen.

Weitere Unterschiede:

  • crossfunktionale Teams sind bei Scrum vorgeschrieben, bei Kanban optional
  • keine festgelegten Rollen bei Kanban
  • Kanban-Board wird kontinuierlich weitergepflegt, Scrum-Board wird nach jedem Sprint neu erstellt

Software unterstützt Kanban-Teams

Für Kanban bieten sich verschiedene virtuelle Tools an. Eines der bekanntesten ist Trello, bei dem die Aufgaben der Mitarbeitenden auf einem virtuellen Board festgehalten werden. Auf dieses haben alle Teammitglieder Zugriff, was den Vorteil gegenüber physischen Kanban-Board-Tafeln bietet, dass sich auch Mitarbeiter, die im Homeoffice oder "remote" arbeiten, einen Überblick verschaffen können. Daneben gibt es zahlreiche weitere Anbieter von Weblösungen und Software, darunter Microsoft Planner, Virtual Kanban, Leankit, monday.com, Zenhub, Zenkit, Kanbanize, Kanban Tool, Breeze, KB Kanboard, Taskworld und Meistertask. Außerdem können auch Whiteboard-Tools wie "Miro" oder "Mural" für digitale Kanban-Boards verwendet werden.

Personalmanagement: Kanban in HR

Viele alltägliche HR-Aufgaben lassen sich nicht mit einem Standardvorgehen abarbeiten und müssen von Fall zu Fall entschieden werden. Iterationszyklen, wie diese bei Scrum vorkommen, sind dafür oft nicht geeignet, da täglich und nicht erst nach einem Sprintzyklus von zwei Wochen auf bestimmte Fälle reagiert werden muss. Kanban bietet gegenüber anderen agilen Methoden den Vorteil, dass die Methode die tägliche Planung unterstützt und es sich nicht um ein in sich geschlossenes Projekt handelt. Durch Kanban optimiert werden können veraltete HR-Produkte und -Services, zum Beispiel ineffiziente Recruitment-Prozesse sowie Prozesse der Anwesenheitskontrolle und Urlaubsbeantragung, die nicht (mehr) zu den Alltagsbedürfnissen der Mitarbeitenden passen. Innerhalb der Personalabteilung können die Workflows mit Kanban verbessert werden. Im Gesamtunternehmen kann Kanban somit das Ansehen von HR steigern: Durch die verstärkte crossfunktionale Kommunikation und die Transparenz der visualisierten Arbeitsfortschritte, wird der alltägliche Aufwand für Personaler sowie der Erfolg der Maßnahmen über die Abteilungsgrenzen hinweg sichtbar.