Anforderungen an ein gutes HCM-Reporting

Welche Kennzahlen aus dem HR-Bereich beeinflussen die Investoren? Das Personalmagazin sprach mit einer Expertin für "Environmental and Social Governance" (ESG) über die Ansprüche an ein gutes HCM-Reporting (Human Capital Management). 

Personalmagazin: Wie stark schauen Sie vor Investitionen in andere Unternehmen auf deren HCM-Kennzahlen?

Vanda Rothacker: Bei Union Investment sind HCM-Kennzahlen und -Tatbestände bereits seit Langem fester Bestandteil der systematischen ESG-Analyse. Für das Monitoring des HCM nutzen wir im Portfoliomanagement das aktive Research unserer ESG-Analysten, sowie Rohdaten von ESG-Ratingagenturen, die wir in Form des "S"-Scores in unsere proprietäre Datenplattform Siris implementieren. Darüber hinaus integrieren wir externes Research zu HCM wie zum Beispiel die Corporate Human Rights Benchmark. Auf dieser Grundlage identifizieren wir materielle soziale Risiken wie auch Chancen in den Geschäftsprozessen unserer Investments.

"Soziales" rückt durch die Pandemie in den Fokus

Personalmagazin: Der Fokus auf HCM-Sachverhalte intensiviert sich. Liegt das an der Pandemie?

Rothacker: Ja, aber nicht nur. Generell werden in Krisenzeiten in der Unternehmensorganisation und -kultur überlebenswichtige Eigenschaften erkennbar. So kann es sich als elementar erweisen, dass ein Unternehmen sein Geschäftsmodell schnell und flexibel an veränderte Rahmenbedingungen anpasst. Mit Blick auf ESG rückt hier der Punkt "Soziales" in den Fokus. Ein Konzern, der sich etwa um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Motivation und eine gute Unternehmenskultur sorgt, kann auf motiviertere, leistungsfähigere und flexiblere Mitarbeitende zurückgreifen. Als Nebeneffekt des People-before-Business-Gedankens ergibt sich ein Imagegewinn. Dieser hebt das Unternehmen in Krisenzeiten und auch in der Folge positiv von jenen ab, die durch kurzfristiges, rein gewinnorientiertes und in Teilen unsoziales Handeln auffallen. In der Pandemie hat sich daher der Fokus auf HCM verschärft. Auswertungen zeigen, dass das mediale Inte­resse am Umgang von Unternehmen mit ihren Mitarbeitenden in der Krise exponentiell angestiegen ist. Zudem werden Menschenrechtsverletzungen intensiver beobachtet und thematisiert.

Personalmagazin: Aber HCM ist kein klassisches Krisenthema?

Rothacker: Nein, ganz und gar nicht. HCM-Faktoren werden auch künftig noch stärker in den Fokus rücken. Zum einen haben die regulatorischen Anforderungen – Stichworte hier sind EU-Taxonomie, Offenlegungsverordnung, EU Sustainable Corporate Governance Initiative – verbunden mit einem verpflichtenden Reporting zugenommen. Zum anderen hat das vergangene Jahr gezeigt, dass Missstände im sozialen Bereich zu Kursverlusten führen können, wodurch sich die hohe Relevanz dieser Aspekte für uns als aktiven Investor begründet.

Wichtige HCM-Kennzahlen

Personalmagazin: Welche HCM-Kennzahlen sind für Ihre Investments besonders wichtig? 

Rothacker: Hier muss zwischen grundlegenden und sektorspezifischen Kennzahlen unterschieden werden. Die Bandbreite für sektorspezifisch relevante Kennzahlen ist groß. Sie reicht von Unfallzahlen, Arbeitnehmerzufriedenheit, über Data Privacy, Health and Safety bis zu Unruhen unter den Arbeitnehmenden. Dabei umfasst das "S" von ESG nicht nur Mitarbeitende selbst, sondern das gesamte Umfeld, also beispielsweise auch Kunden oder Lieferanten. Als grundlegend relevante HCM-Kennzahlen betrachten wir unter anderem Menschenrechte, moderne Sklaverei, Kinderarbeit, Arbeitsbedingungen, aber auch Diversität und Inklusion. Dabei sind Menschenrechte traditionell ein Schwerpunkt, der bis hin zur bewussten oder unbewussten Unterstützung von Menschenrechtsverstößen durch Dritte reicht – etwa durch mangelhafte Kontrolle der Lieferketten.

Personalmagazin: Wie sieht ein idealer HCM-Report aus?

Rothacker: Wir können nur Informationen auswerten, die zur Verfügung stehen. Transparenz sollte daher an oberster Stelle stehen, ebenso die Aktualität. Die Informationen sollten leicht auffindbar und gut zugänglich sein. Hierzu bietet sich ein integriertes Reporting an. Daneben ist es von besonderer Bedeutung, eine gewisse Vergleichbarkeit mit anderen Unternehmen sicherzustellen. Darüber hinaus ist die Verlässlichkeit der Daten von Relevanz. Daher sollte der Nachhaltigkeitsbericht auditiert werden, mindestens mit einer begrenzten, besser noch mit einer hinreichenden Sicherheit. 

Personalmagazin: Welches Unternehmen würden Sie als ein Vorbild für beispielhaftes HCM-Reporting nennen?

Rothacker: Ein Musterschüler, der auf allen Ebenen überzeugt, ist schwer zu finden. Es gibt aber Unternehmen, die die Wichtigkeit erkannt haben und sich kontinuierlich verbessern. Dies wird auch belegt durch das Abschneiden in der Corporate Human Rights Benchmark, im Know-The-Chain-Ranking oder in der Workforce-Disclosure-Initiative. Diese Rankings unterstützen wir zum Teil aktiv und nutzen die Ergebnisse innerhalb unserer ESG-Analysen und im Engagement. Hierauf bezogen kann Adidas als Beispiel genannt werden. Der Konzern belegt im Ranking von Know-The-Chain den ersten Platz. Er publiziert mehr Informationen zu Richtlinien und Praktiken in Bezug auf Zwangsarbeit als der Wettbewerb und konnte sich im Vergleich zu 2016 im absoluten Ergebnis verbessern.


Dieses Interview erschien zuvor in Personalmagazin Ausgabe 11/2021. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der Personalmagazin-App.


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