Bestuhlung bei Tagungen und Meetings

Stühle und Tische sind von jeher wichtige Bestandteile eines Seminarraums. Mehr denn je zählt bei heutigen Teilnehmern der ergonomische Komfort. Wie gehen Hoteliers und Raumplaner mit dieser Herausforderung um, wenn sie zusätzlich noch auf eine platzsparende Lagerbarkeit der Möbel achten müssen?

Fleißige Kirchgänger wissen, warum im Gottesdienst so gut wie niemand einschläft: Eine schnurgerade Rückenlehne, eine harte und kleine Sitzfläche und fehlende Armlehnen verhindern jedes Nickerchen im Ansatz. Aber nicht nur Kirchgänger wissen, dass sich unter diesen Bedingungen die Muskulatur nach etwa einer Stunde komplett verspannt. Unser Körper sucht bei langen Sitzungen unwillkürlich Halt und ermüdet schneller, wenn eine Bank oder ein Stuhl ihn nicht stützen.

Tagungshoteliers tun gut daran, nur ergometrisch perfekte Veranstaltungsstühle einzukaufen. Doch aus berechtigtem Eigennutz haben die Hotelchefs noch zusätzliche Interessen: Vor allem sollten die Stühle leicht transportierbar sein und nicht zu viel Lagerraum beanspruchen, wenn sie einmal nicht gebraucht werden. Ungünstig an ergonomisch ausgeprägten Stühlen ist jedoch, dass sie nicht so effizient zu stapeln sind wie Stühle mit nur wenigen körpergerechten Merkmalen. Tagungsstühle mit Armlehnen etwa haben per se mehr Gewicht und stehen im Lager weiter auseinander, sodass die vorhandene Staufläche schneller knapp wird. „Bei der Frage, inwieweit Ergonomie und Stapelbarkeit vereinbar sind, fällt man im Grunde immer auf einer Seite vom Pferd“, bemerkt Jan Ströter, Hotelleiter der IHK Akademie Westerham, dazu.

Mit einem Test zum besten Stuhl

In dem Seminardomizil, das 25 Tagungsräume besitzt, entschloss man sich daher zu einem Test: Um herauszufinden, worauf es den Kunden beim Sitzen hauptsächlich ankommt, wurden verschiedene Stuhltypen von echten Teilnehmern unter Realbedingungen erprobt. Im Ergebnis kristallisierten sich drei Auswahlkriterien heraus:

  • Armlehnen sind grundlegend wichtig (Stühle ohne Armlehnen werden als besonders ungünstig empfunden, wenn die Tagung ganztags andauert).
  • Sowohl Arm- als auch Rückenlehnen sowie die Sitzflächen sollten gepolstert sein.
  • Die Sitze sollten unbedingt eine sehr gerade Fläche aufweisen.

„Gemäß dieser Testergebnisse wurden unsere Stühle dann in Kooperation mit dem damaligen Hersteller individuell angefertigt“, berichtet Ströter. „Dabei wurde auch Wert darauf gelegt, dass die Stühle eine praxistaugliche Stapelbarkeit besitzen. Unter dem Strich konnten wir so den bestmöglichen Kompromiss erzielen.“

Rollbare Möbel im Trend

Einen ganz eigenen Weg in Sachen Seminar-Equipment geht das Hotel Kloster Holzen im bayerischen Allmannshofen: In seinen zehn Tagungsräumen sind sämtliche Stühle und Tische mit fahrbaren Rollen ausgestattet. Die insgesamt 300 Stühle und 150 Tische wurden im Jahr 2011 vom Spezialhersteller Kusch & Co. geordert. Hoteldirektor Philipp Flamm berichtet, wie es dazu kam: „Als wir uns seinerzeit nach neuem Tagungsmobiliar umschauten, waren uns vor allem drei Aspekte wichtig: ein ansehnliches Design, Flexibilität im Einsatz und Ergonomie. Von letzterer sollten aber nicht nur unsere Gäste profitieren, sondern auch unsere Mitarbeiter.

Faktisch wird der Transport des Mobiliars für unsere Mitarbeiter wesentlich erleichtert, denn Tische und Stühle werden nun nicht mehr geschleppt, sondern rückenschonend verlagert.“ Auch für die Kunden seien die rollbaren Möbel leicht in der Handhabung, aber trotzdem gemütlich. Die Möglichkeit zum mühelosen Umstellen komme insbesondere dem dynamischen Tragen zugute: „Je nach Seminarsituation können die Kunden die Räumlichkeiten flexibel und geschwind selbst gestalten“, betont Flamm.

Mit Sitzsack und Designstuhl

Eine andere Atmosphäre – aber ebenfalls zur exklusiven Nutzung konzipiert – bieten die Kreativräume im nahe der Zugspitze gelegenen Hotel am Badersee in Grainau bei Garmisch-Partenkirchen. In einem der Räume ist das Arbeitssetting wie ein 360-Grad-Walderlebnis gestaltet: Viel sichtbares Kiefern- und Zirbelholz sowie ein riesiges Wandbild mit einer Lichtung prägen das Erscheinungsbild. „Die Philosophie dahinter ist, ein Gefühl zu vermitteln, als wäre man mit Freunden im Wald unterwegs und an einer schönen Stelle legt man eine Rast ein, um Projekte zu besprechen oder Ideen zu entwickeln“, erklärt Sonja Wilms, die Marketingleiterin des Hotels. Die Entwicklung des ungewöhnlichen Tagungsambientes geschah auf Eigeninitiative. „Wir hatten seit einiger Zeit den Trend beobachtet, dass Firmen Loungeumgebungen und „Gemütlichkeitsecken“ zu Teamarbeitszwecken nutzen“, so Wilms. „Davon ausgehend haben wir uns gefragt, was passt zu uns? Angesichts unserer Umgebung sind wir dann auf das Thema Wald gekommen.“

In dem mittlerweile gut gebuchten Waldraum (77 Quadratmeter) kommt den Teilnehmern die Aufgabe zu, sich selbst einen Rastplatz zu bauen. Dazu stehen 24 grüne Sitzsäcke sowie Holzbänke und Holzbeistelltischchen zur Verfügung. Die mit Styropor-Kügelchen gefüllten Sitzsäcke des Herstellers Fatboy können so positioniert werden, dass eine Rückenlehne entsteht, die das Sitzen bequem macht. Von Tagungskunden werden sie durchaus ganztags genutzt, aber auch halbtags im Wechsel mit „klassischen“ Sitzgelegenheiten – im ungebrauchten Zustand können sie übereinander gestapelt und gelagert werden.

Individuell nutzbare Schreibunterlagen

Als Schreibunterlage benutzen die Teilnehmer Beistelltischchen in Baumstammoptik, die das Hotel eigens entworfen und angefertigt hat. Das war notwendig, weil es im Handel keine Tischchen gibt, die hoch genug sind, um von der 55 Zentimeter hohen Fatboy-Sitzfläche aus die Tischplatte bequem zu erreichen. Die für die Tischchen verwendeten Baumscheiben aus der heimischen Douglasie (80 Zentimeter Durchmesser und 15 Zentimeter Dicke) stammen vom Anbieter Plodeck. Daneben hat das Hotel noch weiteres zur Raumatmosphäre passendes Mobiliar selbst entworfen: Etwa die vom Hausschreiner gefertigten Holzbänke, zu denen einklappbare Füße gehören, damit die Bänke übereinander stapelbar sind. Außerdem wurde auch die Idee eines Whiteboards in Baumoptik umgesetzt: Es ist an einer Staffelei montiert und lässt sich in die Horizontale klappen, sodass eine Tischform entsteht, bei der sich Gruppen besser um das Whiteboard verteilen können Die Staffelei hat zudem Rollen, mit denen sich das Whiteboard beliebig verschieben lässt.

Wechsel von Formaten kommt immer häufiger vor

Ob Sitzsäcke, Strandstühle oder Sitzbälle: Sie alle werden in der Regel nur vorübergehend im Wechsel mit gewohnten Tagungsstühlen genutzt – etwa bei eingeschobenen Gruppenarbeiten oder im Verlauf von kreativen Treffen, Design Thinking- und Open Space-Veranstaltungen.

Das Hohenwart Forum bei Pforzheim verzeichnet bei neuen Tagungsformaten derzeit einen Anteil von „deutlich unter 5 Prozent aller Veranstaltungen“, sagt Gerhard Hötger, der Geschäftsführer des evangelischen Tagungs- und Bildungszentrums. „Es häuft sich allerdings, dass sich während einer Tagung die Formate ändern und dies sogar mehrfach bei einer Veranstaltung: von der U-Form zum Stuhlkreis oder zu Tischgruppen (Arbeitsinseln für vier bis acht Personen) und wieder zurück zum U. In der Regel erfahren wir erst kurzfristig davon. Dazu werden flexible Möbel und ausreichend Lagerflächen benötigt, was natürlich mit einem Mehraufwand verbunden ist, der sich im Angebot und im Preis nur schwer darstellen lässt.“ Um den Kundenwünschen entgegenzukommen, hat sich das Hotel robuste Sitzsäcke und Sitzkissen in verschiedenen Größen besorgt. Von der Nachfrage her dominieren im Hohenwart Forum nach wie vor der Stuhlkreis und das U-Format. Und wie steht es mit den neuen Formaten wie Open Space, World-Café und Barcamps? „Die nehmen zwar zu, bleiben aber die Ausnahme“, meint Hötger, „als Tagungshaus muss man dennoch darauf vorbereitet sein.“


Dieser Artikel ist in ungekürzter Fassung in der Sonderpublikation "Tagen" der Fachzeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" aus dem Oktober 2019 erschienen.


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