Offboarding: Warum auch der letzte Eindruck zählt
Der "Gallup Engagement Index" analysiert jährlich die emotionale Bindung von Arbeitnehmenden in Deutschland an ihr Unternehmen. Laut der jüngsten Befragung von Ende 2020 will in etwa jeder Dritte Beschäftigte seinen Arbeitgeber verlassen. Nur 61 Prozent der Befragten beabsichtigen, in einem Jahr noch bei ihrem derzeitigen Unternehmen zu sein. Zum Vergleich: 2019 waren es noch 73 Prozent.
Vor diesem Hintergrund gewinnt die Begleitung von Mitarbeitenden bei ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen markant an Bedeutung. Und genau darum dreht es sich beim Offboarding.
Was ist Offboarding? Eine Definition
Im Personalmanagement bezeichnet das Offboarding oder Exit-Management den professionell organisierten Austritt eines Mitarbeitenden aus dem Unternehmen. Das Ziel ist dabei, eine positive Atmosphäre für den aus dem Unternehmen scheidenden Mitarbeitenden zu gestalten. Denn: Bei Mitarbeitenden zählt nicht nur der erste Eindruck, sondern immer auch der letzte. Inhaltlich wird zwischen zwei Arten des Offboardings unterschieden: dem technischen beziehungsweise systematischen Prozess und dem sozio-emotionalen Prozess in Form eines Austrittsinterviews. Unternehmen sollten beide Prozesse reibungslos und wertschätzend gestalten.
Offboarding der Mitarbeitenden kommt häufig zu kurz
Es gibt viele verschiedene Gründe, weshalb ein Arbeitsverhältnis endet. Aber besonders schwer ist es für ein Unternehmen, wenn ein Mitarbeitender kündigt, den das Unternehmen hätte halten wollen. Die Kündigung eines Teammitglieds bedeutet Unsicherheit für alle, insbesondere für die Kolleginnen und Kollegen. Sie wissen nicht, wer als nächstes kommt und wie lange es dauert, den neuen Mitarbeitenden einzuarbeiten. Da kommt Offboarding häufig zu kurz – aus Zeitmangel oder weil es als unangenehme Aufgabe seitens HR, der Führungskraft, der Kolleginnen und Kollegen oder des Mitarbeitenden empfunden wird.
Ein professioneller Offboarding-Prozess lohnt sich
Derweil lohnt sich die Investition in einen reibungslosen und wertschätzenden Offboarding-Prozess gleich mehrfach. Die Gründe reichen von der sozialen Verantwortung des Unternehmens gegenüber den Mitarbeitenden über einen drohenden Imageverlust bis hin zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten.
Schafft es ein Unternehmen, dem scheidenden Mitarbeitenden das Gefühl zu geben, dass seine Person und Arbeit nach wie vor geschätzt werden, ist dieser eher dazu bereit, Wissen weiterzugeben und eine saubere Übergabe und Dokumentation sicherzustellen. Im besten Fall werden entsprechende Übergabeprotokolle direkt in einem digitalen Tool hinterlegt, das erleichtert das Onboarding des Nachfolgers erheblich.
Hinzu kommt, dass ehemalige Mitarbeitende immer auch Botschafter des Unternehmens sind. Um einen Imageverlust zu vermeiden, ist es deshalb besonders wichtig, die genauen Gründe der Trennung zu erfahren und die eventuell bestehende Unzufriedenheit zu ergründen. Dadurch lässt sich auch zukünftig eine ungewollte Fluktuation vermeiden oder senken.
Sollte ein Mitarbeitender das Unternehmen unfreiwillig verlassen, herrscht ein besonders hohes Konfliktpotenzial. In diesem Fall kann professionelles Offboarding, beispielsweise in Form einer Orientierungs- und Outplacement-Beratung, dazu beitragen, dass eine juristische Auseinandersetzung vor Gericht vermieden wird.
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Digitale Prozesse im Offboarding schaffen Erleichterung
Gerade für administrative Aufgaben beim Offboarding empfiehlt es sich, manche Tasks in digitalen Prozessen zu erledigen. Das spart Zeit und macht Zuständigkeiten klar. Digitalisierung im Offboarding kann bei der Ablage und Archivierung wichtiger Dokumente in einer digitalen Personalakte beginnen. Abmahnungs- und Kündigungsschreiben sowie Arbeitszeugnisse lassen sich dort etwa speichern.
Aber auch zur Kontaktpflege gerade mit Mitarbeitenden, deren Weggang vom Unternehmen bedauert wird, gibt es digitale Tools. Die Profile von Leistungstragenden in digitalen Talent Pools zu sichern, hilft dabei, Rückkehrmöglichkeiten zu eröffnen und Interesse zu signalisieren. (Lesen Sie dazu: Wie Sie einen Talent Pool aufbauen).
Datenschutz und Datensicherheit beim Exit Management
Ein gut organisiertes Offboarding ist aber auch aus Datenschutz-Gründen wichtig. Fehlt ein klar definierter Prozess, kann eine unübersichtliche Lage hinsichtlich der ausgegebenen Arbeitsmittel sowie der Rechte des Betroffenen entstehen. Es droht zudem die Gefahr, dass personenbezogene Daten, Know-how und Geschäftsgeheimnisse verloren gehen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Austritt des Mitarbeitenden unerwartet oder durch eine fristlose Kündigung erfolgt.
Das Risiko einer Datenschutzpanne kann deutlich minimiert werden, indem bereits beim Eintritt des Mitarbeitenden ins Unternehmen festgehalten wird, über welche Endgeräte sowie Zutritt- und Zugriffsrechte er verfügt. Beim Austritt des Mitarbeitenden sollte im Sinne der Datensicherheit vor allem darauf geachtet werden, dass alle Zugriffsrechte auf Hardware, Software und Laufwerke entzogen werden, die Rückgabe sämtlicher Hardware und gegebenenfalls auch des geschäftlich genutzten Smartphones erfolgt sowie keine Zugangs- und Zutrittsmöglichkeiten mehr bestehen (Rückgabe von Schlüssel oder Token).
Ein konstruktives Offboarding-Gespräch führen
Wesentlicher Bestandteil eines professionellen Offboarding-Prozesses ist ein gut vorbereitetes Austrittsinterview. (Eine Checkliste für ein erfolgreiches Austrittsgespräch finden Sie hier). In der Regel ergeben sich daraus wichtige Aufschlüsse über die Abwanderungsgründe des Mitarbeitenden. Bei guter interner Kommunikation und Absprache kann das Gespräch der direkte Vorgesetzte führen. Wird jedoch vermutet wird, dass der Abwanderungsgrund auch aufgrund der Führungskraft besteht, sollte das Gespräch durch die HR-Abteilung erfolgen.
Um gut auf das Gespräch vorbereitet zu sein, sollten Führungskraft beziehungsweise HR-Mitarbeiter im Vorfeld einen Leitfaden erarbeiten, der alle relevante Punkte, die im Gespräch besprochen werden sollen, enthält. Bei Mitarbeitenden, die das Unternehmen eigentlich gerne gehalten hätte, sind folgende Punkte sinnvoll:
- Festlegen von "Schlüsselkriterien", zu denen sich das Unternehmen Rückmeldung wünscht wie zum Beispiel Onboarding-Prozess, Unternehmenskultur, Arbeitsbedingungen, Führungsstil, Personalentwicklung, Vergütungssystem.
- Hinweis an den Mitarbeitenden, dass das Unternehmen an seiner "ungeschminkten" Meinung und Einschätzung interessiert ist und dass sich ein kritisches Feedback in keiner Weise negativ auswirkt (beispielsweise auf die Zeugniserstellung).
- Dank an den Mitarbeitenden für dessen Einsatz und Feedback. Angebot, (falls gewünscht) weiterhin in Kontakt zu bleiben – auch im Sinne einer eventuellen erneuten Zusammenarbeit.
Checkliste Offboarding
Offboarding beinhaltet auch einige teils administrative Aufgaben, um die sich HR, die Führungskraft oder die IT-Abteilung im Sinne eines reibungslosen und professionell organisierten Austritts kümmern sollten. Wir haben hier die wichtigsten Punkte für Sie zusammengefasst:
Aufgaben Führungskraft:
- Austritt frühzeitig kommunizieren
- Technischen Prozess anstoßen
- Wissenstransfer sicherstellen
- Verabschiedung planen
- Letztes fachliches Mitarbeitergespräch führen
- Weiterhin Kontakt pflegen
Aufgaben HR:
- Kündigungsbestätigung übergeben
- Letzten Arbeitstag berechnen
- Finanzielle Ansprüche und sonstige Verträge prüfen
- Arbeitszeugnis erstellen und übergeben
- Austrittsgespräch führen
- Nachbesetzung planen
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