Employee Net Promoter Score: Das sagt die Kennzahl aus
Der Employee Net Promoter Score basiert auf dem Net Promoter Score (NPS), der im Marketing schon lange bekannt ist und häufig eingesetzt wird. Mithilfe der ultimativen Frage „Würden Sie Marke X einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen?“ wird die Kundenloyalität erfasst. Für den ENPS werden statt der Kunden die Mitarbeiter des Unternehmens befragt. Diese geben auf einer Skala von null (sehr unwahrscheinlich) bis zehn (sehr wahrscheinlich) an, ob sie ihr Unternehmen an Freunde und Bekannte als Arbeitgeber weiterempfehlen würden – was als Indikator für Loyalität, Zufriedenheit und Engagement der Belegschaft dienen soll.
Employee Net Promoter Score: So wird er berechnet
Um den ENPS zu berechnen, ordnet man die Befragten zunächst einer von drei Gruppen zu. Personen, deren Antwort im Bereich von null bis sechs liegt, gelten als „Detraktoren“. Befragte mit einem Punktwert von sieben oder acht werden als „passiv Zufriedene“ klassifiziert. Liegt der Punktwert bei neun oder zehn, gilt die Person als „Promoter“. Der ENPS ergibt sich aus der Differenz der prozentualen Anteile von Promotoren und Detraktoren, sodass er zwischen -100 und +100 liegen kann. Finden sich in einem Unternehmen mit 100 Mitarbeitern beispielsweise 20 Detraktoren, 30 passiv Zufriedene und 50 Promotoren, so beträgt der ENPS +30.
ENPS für Führungsqualität
Nun kommen Nico Rose, Experte in der positiven Psychologie, und Professor Michael F. Steger von der Colorado State University zu dem Schluss, dass sich die entscheidende Frage für den ENPS auch rein auf die Führungsqualität anwenden lässt: „Wie wahrscheinlich ist es, dass Sie Ihre Führungskraft einem Freund oder Kollegen weiterempfehlen werden?“. Dies ist Ergebnis einer Untersuchung, bei der sie ursprünglich einen umfassenden Fragenkatalog erstellt hatten, mit dem sie 586 deutsche Arbeitnehmer online zur Wahrnehmung ihrer direkten Führungskraft befragt haben. Die Ergebnisse haben sie in Personalwirtschaft, Ausgabe 01/2018, veröffentlicht.
Rose empfiehlt nun die abgewandelte ENPS-Frage mit umfangreichen Befragungen im Wechsel in Unternehmen zu nutzen. Damit sollen die Vorteile der ENPS-Befragung (schnelle Befragung, die in kürzeren Abständen stattfinden kann) und die Vorteile einer umfassenden Befragung (tiefergehende Antwort darauf, woran es in der Führung hapert) kombiniert werden.
Kritik an Methode des ENPS
Den ENPS selbst berechnet Rose dabei nicht, sondern nutzt nur die entsprechende Frage. Damit umgeht er die Kritik, die schon länger an Methodik und Inhalt des ENPS besteht. Benjamin Haarhaus, Berater bei der Deutschen Gesellschaft für Personalwesen e.V. (DGP), erläutert in Ausgabe 3/2015 des Personalmagazins, woran es beim ENPS hapert und wie man dies Schwachpunkte ausgleichen könnte.
So liegt ein Kritikpunkt im Aufbau der Kategorien: Auf Basis ihrer Antworten werden die Mitarbeiter in Promotoren (neun bis zehn), passiv Zufriedene (sieben bis acht) und Detraktoren (null bis sechs) unterteilt. Hier drängt sich die Frage auf, wie die Wertebereiche für die drei Gruppen festgelegt wurden. Wieso sind es null bis sechs Punkte, die zu einer Einstufung als Detraktor führen, und nicht beispielsweise null bis drei? Auch die inhaltliche Bedeutung der drei Gruppen ist fragwürdig: Ist ein Punktwert von null tatsächlich genauso zu bewerten wie ein Punktwert von sechs, der sogar über der Skalenmitte liegt? Ist es sinnvoll, aus einem Punktwert von acht auf „passive Zufriedenheit“ zu schließen? Die Gruppenzuordnung ist in dieser Form kontraintuitiv und möglicherweise problematisch.
Vorschlag: Grenzen der Zuordnung neu definieren
Darum sollte die Zuordnung der Punktwerte zu den drei Gruppen revidiert werden. Intuitiv verständlich wäre es, die Punktgrenzen symmetrisch um die Skalenmitte anzuordnen. Zum Beispiel könnte man die Grenzen so festlegen, dass null bis zwei Punkte zur Einstufung als Detraktor und acht bis zehn zur Einstufung als Promoter führen. Möglich wäre auch, auf die willkürliche Gruppierung vollständig zu verzichten und nur den Mittelwert zu betrachten.
Employee Net Promoter Score: Zweifelhafte Berechnung
Ein weiterer Kritikpunkt von Haarhaus: Um den ENPS zu berechnen, wird die Differenz aus den Anteilen von Promotoren und Detraktoren gebildet. Dieses Vorgehen ist in mehrerer Hinsicht problematisch: Erstens lässt die Differenz keine Rückschlüsse auf die Antwortverteilung zu, da sich der gleiche ENPS-Wert aus vollkommen unterschiedlichen Verteilungen ergeben kann.
Vergleichen wir beispielhaft die beiden fiktiven Unternehmen A und B: Während alle Mitarbeiter von Unternehmen A die sieben oder acht ankreuzen und damit als passiv zufrieden gelten, teilt sich die Belegschaft von Unternehmen B zu gleichen Anteilen in Detraktoren und Promotoren auf. Zwar ergibt sich für beide Unternehmen ein ENPS-Wert von null, dennoch steht Unternehmen A zweifelsohne besser da als Unternehmen B.
Zweitens ist die Berechnung problematisch, weil die Differenz von Promotoren und Detraktoren suggeriert, beide Gruppen ließen sich gegeneinander aufrechnen – man also nur genügend Promotoren brauche, um die Detraktoren auszugleichen. Diese Annahme widerspricht jedoch Forschungsergebnissen, die belegen, dass Negatives in vielerlei Hinsicht schwerer wiegt als Positives. Das ist auch im Aufsatz „Bad Is Stronger Than Good“ von Roy F. Baumeister und anderen aufgeführt. Entgegen der ENPS-Annahme kann also ein einziger Detraktor für das Unternehmen mehr Schaden anrichten als mehrere Promotoren wiedergutmachen können. Ein ausgeglichenes Verhältnis von Promotoren und Detraktoren ist daher nicht erstrebenswert, sondern kann fatale Folgen haben.
Schlussendlich ist die Differenz zweier relativer Häufigkeiten nicht leicht zu interpretieren. Die Verwendung von Prozentwerten legt die falsche Interpretation nahe, +30 bedeute „30 Prozent mehr Promotoren als Detraktoren“.
Vorschlag: Nur Detraktoren als Kennzahl nutzen
Diese Kritikpunkte könnte man abmildern, wenn man auf die Verrechnung von Promotoren und Detraktoren verzichten würde. Detraktoren würden dann direkt ins Auge fallen und sich nicht durch Promotoren kaschieren lassen. Zudem würde die Interpretation der Befragungsergebnisse vereinfacht und falschen Schlussfolgerungen vorgebeugt. Möchte man nur eine einzige Kennzahl betrachten, sollte der Fokus auf den Detraktoren liegen, da diese potenziell schädlicher sind als Promotoren nützlich.
Ungenaue Messung des ENPS
Ein weiteres Problemfeld beim ENPS liegt in der Messgenauigkeit: Sie ist ein zentrales Qualitätsmerkmal psychologischer Messinstrumente. Folgt man der klassischen Testtheorie, so steigt die Messgenauigkeit mit der Anzahl der Fragen. Da der ENPS auf nur einer einzigen Frage basiert, ist er starken Zufallsschwankungen ausgesetzt, sprich: ungenau. Hat ein Mitarbeiter zum Beispiel die Acht angekreuzt, könnte der eigentliche Wert auch bei zehn oder sechs liegen. Die Ungenauigkeit des ENPS kann also dazu führen, dass Personen in die falsche Gruppe einsortiert werden und dadurch das Gesamtergebnis verzerren.
Da der Einfluss des Messfehlers mit steigender Teilnehmerzahl geringer wird, ist der ENPS vor allem bei kleineren Teams und Abteilungen anfällig für zufällige Schwankungen. Daher ist es ratsam, den ENPS nur bei größeren Teilnehmerzahlen, zum Beispiel auf Unternehmensebene, zu betrachten.
ENPS und ausführliche Umfrage kombinieren
Schlussendlich kommt Haarhaus zu einem ähnlichen Ergebnis wie Rose: Man sollte den ENPS mit tiefergehenden Mitarbeiterbefragungen kombinieren. Haarhaus schlägt vor, die angeführten methodischen Mängel des ENPS zu beheben und ihn um tätigkeitsbezogene Fragen zu erweitern. Dann könne der ENPS die jährliche Mitarbeiterbefragung zwar nicht ersetzen, aber sinnvoll ergänzen.
Hinweis: Die kompletten Ausführungen von Benjamin Haarhaus können Sie in Personalmagazin, Ausgabe 3/2015, S. 48-51, nachlesen. Darin enthalten sind auch noch Kritikpunkte zum Inhalt des ENPS.
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