Führen via Twitter – zeitgemäß oder zu kurz gefasst?
Der neue US-Präsident Donald Trump tut es täglich: In 140 Zeichen verbreitet er auf Twitter sein politisches Programm, positioniert sich zu Debattenthemen und spricht zu den USA und der Welt. Die Vorteile dieser Kommunikation liegen auf der Hand: Mit wenig Aufwand lassen sich kostenlos pointierte Informationen verbreiten, die alle erreichen.
Führen via Twitter: Mitarbeitermotivation und Feedback per Tweet?
Die große Schar seiner Twitter-Follower und die Tatsache, dass seine Tweets oft rege Debatten und eine Auseinandersetzung mit den betwitterten Themen auslösen, scheinen Trump Recht zu geben – auch, wenn das große Echo oft auf Trumps provokanten Äußerungen beruht. Ob Twitter aber auch ein Modell für eine gute Führungskommunikation im Unternehmen sein kann? Schließlich könnten Führungskräfte so über Hierachieebenen hinweg alle im Unternehmen erreichen und so Führungsgrundsätze verbreiten, Mitarbeiter motivieren und das so oft gewünschte Sofort-Feedback geben.
Über die Vor- und Nachteile dieses Modells der Führungskommunikation haben sich einige Kommunikationsexperten Gedanken gemacht – und manche können dem Führen via Twitter einiges abgewinnen. Der Schweizer Speaker, Coach und Trainer Stefan Häseli findet es etwa durchaus spannend zu verfolgen, wie Donald Trump kommuniziert. Er betrachtet dies Sache differenziert: "Man muss hier zweierlei trennen. Auf der einen Seite ignoriert er sehr oft sämtliche Regeln einer konstruktiven Kommunikation und eines wertschätzenden Feedbacks. Das ist ohne Frage etwas, das mir missfällt", so Häseli. "Das andere ist, dass er, wie kaum ein anderer versucht, mit 140 Zeichen aus dem 'Twitter-Fenster' heraus die Welt zu regieren. Und darüber sollten wir nachdenken."
Twitter als Training: Auf den Punkt kommen, Diskussionen anstoßen
Rein kommunikationstechnisch, glaubt Häseli, könne man daraus nämlich eine Menge lernen. "Denn es geht darum, eine Sache auf den Punkt zu bringen. Damit wird die Diskussion angestoßen", so der Speaker. Wichtige Aussagen in 140 Zeichen zu packen, sei sicher nicht immer richtig – aber die Kunst es zu können, sei wichtig, so Stefan Häseli, der sich bereits seit vielen Jahren mit dem Thema "Kommunikation" beschäftigt.
Er empfiehlt daher Twitter als Training: Wichtige Kernaussagen auf 140 Zeichen herunterzubrechen sei harte Arbeit – aber sehr lehrreich. "Eine Botschaft in einer 140-Zeichen-Meldung zu verfassen, ist eine Qualität, die man lernen kann und die immer wichtiger wird. Das Gespräch dazu ist aber nach wie vor und bis auf Weiteres durch nichts zu ersetzen. Klar ist, dass auch Donald Trump am Ende des Tages an Handlungen gemessen wird und nicht aufgrund seiner Posts."
Anders bewertet Häseli den Versuch, komplexe Zusammenhänge auf 140 Zeichen herunterbrechen zu wollen. Sein Fazit: "Es geht also darum, das Sowohl-als-auch zu beherrschen" – also das Twittern knackiger Botschaften auf der einen und das Vermitteln komplexer Sachverhalte im persönlichen Gespräch auf der anderen Seite.
Medial effektiv – aber wirkungsvoll?
Ähnlich differenziert sieht das Lars Klingbeil, netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. "Twitter ist der perfekte Kommunikationskanal für Donald Trump. Trump denkt und kommuniziert in Überschriften", erläutert der Digitalexperte in einem Beitrag auf Xing.
Medial effektiv sei diese Art der Kommunikation, räumt Klingbeil ein. Allerdings bezweifelt er, dass in dem Kurz-Format ein echter Diskurs stattfinden kann: "Jede Politik, jedes Thema lässt sich auf 140 Zeichen verkürzen", schreibt der SPD-Sprecher. "Die Erkenntnis, dass sich Politik viel mehr Mühe geben muss Dinge so zu kommunizieren, dass sie verstanden werden ist auch nicht neu. Aber das ersetzt niemals die Wirkung der konkreten Politik."
Eine kritischere Meinung vertritt Dorothee Bär, Staatssekretärin beim Bundesminister für Verkehr/digitale Infrastruktur: Kommunikation nach dem Prinzip "Bing-Bing-Bing" (wie Donald Trump das Posten von Tweets beschreibt) lasse Kooperation nicht mehr zu und kündige den Diskurs auf, schreibt sie ebenfalls in einem Beitrag auf Xing. "Man konnte bereits darüber streiten, ob sich Politik auf 140 Zeichen beschränken lässt", so die Staatssekretärin, "sie auf Bulletpoints und Halbsätze zu reduzieren, käme einem Totengesang auf das Erbe der Rhetorik gleich, es wäre das Ende der Dialektik als Teil der Wahrheits- und Kompromissfindung."
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