Goinger Kreis präsentiert Digital HR Manifesto

Der Goinger Kreis hat das "Digital HR Manifesto" erarbeitet und damit zwölf Anforderungen an digitale HR-Instrumente gestellt. Der Verein warnt deutsche Unternehmen davor, im Hype um die Digitalisierung die eigene Innovationskraft aufs Spiel zu setzen.

Der praxisorientierte Verein "Goinger Kreis" beschäftigt sich seit 15 Jahren mit Themen der Personalarbeit an der Schnittstelle von Unternehmen und Gesellschaft. Zu den Mitgliedern zählen Personalverantwortliche, Wissenschaftler und Berater. Knapp zwei Jahre hat er an dem Digital HR Manifesto gearbeitet. Eine der Thesen: "Die" Digitalisierung gebe es nicht, sondern hinter dem scheinbar einheitlichen Begriff verbärgen sich höchst unterschiedliche Anwendungsfelder und teilweise fragwürdige Philosophien.

Genormte Lösungen funktionieren nicht im strategischen Bereich

Der Goinger Kreis ist sich einig, dass sich HR-Manager von der Digitalisierung unter Zugzwang gesetzt fühlen und in der Konsequenz administrative und strategische Aufgaben zum Teil unüberlegt vermischen. Natürlich sei es sinnvoll, in eine elektronische Gehaltsabrechnung oder eine Bewerber-App zu investieren, um effizient und attraktiv für Bewerber zu sind. „Aber nicht die digitale Reisekostenabrechnung entscheidet darüber, wer am Markt die Nase vorn hat. Klassenprimus wird der, der bei der Auswahl, Führung, Entwicklung und Zusammenarbeit von Menschen die richtigen Weichen stellt.“, erklärt Thomas Marquardt, Global Head of Human Resources bei Infineon Technologies und Sprecher des Goinger Kreises. So könnten digitale Tools administrative Prozesse zweifellos effizienter machen. „Aber im strategischen Bereich, wo es gerade nicht um genormte Lösungen geht, gelten andere Kriterien.“, so Marquart weiter.

Gefragt sind Querdenker und offene digitale Systeme

In einer eigenen Arbeitsgruppe hat sich der Goinger Kreis mit den verschiedensten Publikationen und Instrumenten zur Digitalisierung der Personalarbeit beschäftigt. Das Fazit: Obwohl viel von Autonomie, Empowerment und Vertrauen die Rede sei, treffe dies auf viele der tatsächlich angebotenen digitalen HR Instrumente nicht zu. Besonders die Wandlungsfähigkeit des Menschen sei für den Goinger Kreis ein starkes Argument gegen mechanistisches Denken. Axel Klopprogge, Leiter der Arbeitsgruppe Digitalisierung und Personalarbeit, erklärt: „Die Fähigkeit des Menschen, querzudenken, Emotionen zu zeigen, sich für die Beziehung zu anderen Menschen zu entscheiden, sich zu verändern und gegen alle Wahrscheinlichkeit Dinge möglich zu machen, ist kein Störfaktor, sondern die Quelle unternehmerischen Erfolgs. Und immer mehr zeigt sich: Wenn man diese menschlichen Fähigkeiten unterdrückt, werden Mitarbeiter krank.“ Wertschöpfende Personalarbeit ziele deshalb darauf ab, Systeme zu implementieren, die Freiräume für Entwicklung, Vielfalt und Innovation schaffen.

Digital HR Manifesto: Zwölf Anforderungen an digitale HR-Instrumente

In diesem Sinne will der Goinger Kreis das Digital HR Manifesto als Plädoyer für eine Personalarbeit verstanden wissen, die den Menschen als Wertschöpfungs- und Differenzierungsfaktor fördert. Digitale HR-Instrumente müssten so beschaffen sein, dass sie die Erfolgsfaktoren menschlichen Handelns unterstützen, statt sie als Störfaktor beseitigen zu wollen. Insgesamt zwölf Anforderungen stellt der Verein an digitale HR-Instrumente:

Offene Gestaltungsräume sind wichtiger als vorstrukturierte Lösungen.

  1. Digitale Instrumente mehren die Vielfalt an Alternativen und Denkrichtungen, statt sie möglichst schnell auf eine Lösung zu reduzieren.
  2. Digitale Instrumente fördern Mut, Entscheidung und Beharrlichkeit, statt zu suggerieren, eine gute Datenlage ersetze die aktive Entscheidung.
  3. Digitale Instrumente laden bei allen Tätigkeiten zum aktiven Mitdenken, Ausprobieren und Verbessern ein, statt Menschen zu willenlos Ausführenden zu degradieren.

Fähigkeit zur Veränderung ist wichtiger als irrtumsfreie Prognose.

  1. Digitale Instrumente lassen zu, dass sich Menschen entwickeln, statt das Bild eines in sich konsistenten und unveränderlichen Wesens zu zeichnen.
  2. Digitale Instrumente ermöglichen, dass sich Aufgaben und Anforderungen wandeln, statt eine statische Passgenauigkeit anzustreben.
  3. Digitale Instrumente unterstützen die empathische Beziehung zwischen Menschen als Erfolgsfaktor, statt sie zu eliminieren, zu automatisieren oder vorzutäuschen.

Vertrauensvolle Beziehung ist wichtiger als starre Normierung.

  1. Digitale Instrumente machen Ideen und Probleme in ihrer Unterschiedlichkeit sichtbar, statt Meinungen und Verhalten zu vereinheitlichen.
  2. Digitale Instrumente schaffen konkrete und praktisch erlebbare Entscheidungsmöglichkeit, statt alles in vorgeprägte Muster zu zwängen.
  3. Digitale Instrumente erlauben feedbackfreie Räume für Geheimnisse und Vorläufiges, statt alles sofort der Bewertung auszusetzen.

Individuelle Verantwortung ist wichtiger als anonyme Prozesse.

  1. Digitale Instrumente stärken auch in der Netzwerkarbeit die Verantwortung des einzelnen, statt sie durch folgenlose Beliebigkeit zu verwässern.
  2. Digitale Instrumente halten den außergewöhnlichen Weg offen und ermöglichen bewusste Ausnahmen, statt Initiativen jenseits des Status quo zu blockieren.
  3. Digitale Instrumente machen die Maßstäbe und Methoden transparent, nach denen Menschen und ihre Leistungen beurteilt werden, statt sich hinter Algorithmen zu verstecken.

Hintergrundinformationen zu einzelnen Ergebnissen des Goinger Kreises sowie des Digital HR Manifesto finden Sie hier.


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