Irgendwie erinnert mich das momentan alles so ein bisschen an die Einführung der DSGVO. Schon lange war bekannt, dass sie kommen würde. Unternehmen hatten reichlich Zeit, sich darauf vorzubereiten. Was passierte? Je näher der Stichtag rückte, umso kopfloser rannten Personaler landauf, landab durch die Abteilungen. Genauso ist es mit Google for Jobs. Auch hier war abzusehen, dass das, was seinerzeit in den USA seinen Anfang nahm und die Jobsuche revolutionieren würde, auch zu uns schwappen würde. Bereits im Juni 2017 hatte ich hier in meiner Kolumne dargestellt, wie Google das Recruiting aufmischt.
Google for Jobs: viel Aufmerksamkeit mit nur einem Klick
Was bisher geschehen ist? Nun, ehrlich gesagt, nicht viel – was durchaus verwundert, jammern die Unternehmen doch unisono tagein, tagaus über den sogenannten "Fachkräftemangel". Gewünscht ist eine Lösung, die mit wenigen Handgriffen und ohne groß nachzudenken, umgesetzt werden kann. Und kaum gibt es eine solche Lösung, von der alle – egal ob Kleinunternehmen, Mittelstand oder Großkonzern profitieren können – wird sie weitestgehend ignoriert.
Dabei war es nie zuvor so einfach, mit wenigen Mausklicks so viel Aufmerksamkeit und damit Bewerbungen zu erzielen. Und nie war es für Bewerber leichter, gebündelt Zugang zu einer Fülle an Jobangeboten – zugeschnitten auf ihre Suchanfragen – zu gelangen. Google macht es für beide Parteien so einfach wie eine Bestellung bei Amazon. Eigentlich sollten doch nun alle in Jubelrufe ausbrechen, oder?
Unternehmen ignorieren Google for Jobs bisher weitgehend
Schaut man sich an, wie es um die Affinität von HR zu Google for Jobs bestellt ist, zeigt zum Beispiel die vergangene Ausgabe der Studie "Recruiting-Trends" (Uni Bamberg), dass da noch viel Luft nach oben ist: Erst 40 Prozent der Personaler, so die Studienautoren, haben von Googles Job-Initiative gehört. Und nur 20 Prozent sehen einen "sehr starken Einfluss auf die Personalgewinnung" ihres Unternehmens. Die restlichen 80 Prozent sind sogar der Meinung, das Ganze habe überhaupt keine Relevanz. Natürlich nicht. Es ist nur eben so, dass nahezu alle Welt nach allem googelt. Auch nach Jobs.
Ein Blick auf das aktuelle Zeitgeschehen spiegelt die Studienergebnisse anschaulich wider: Eine von mir durchgeführte Schnell-Analyse der Dax-30-Unternehmen zeigt, dass diese in Sachen Google for Jobs sichtlich schlecht vorbereitet sind. Gut 60 Prozent haben ihre Hausaufgaben in Sachen Auffindbarkeit bisher sträflich vernachlässigt. Dabei hat jedes dieser Unternehmen im Schnitt mindestens 1.000 offene Stellen. Zudem rekrutiert man global und hätte innerhalb der vergangenen zwei Jahre wertvolle Erfahrungen sammeln können – Google for Jobs ist bereits in über 100 Ländern verfügbar. Wieder einmal ist man versucht, Ex-Personalvorstand Thomas Sattelberger zu zitieren, der Deutschlands Personalern eine Digitalkompetenz attestiert, die gleich null geht.
Unternehmen schaffen es selten mit Jobanzeigen in die Google-Box
Schaut man sich darüber hinaus an, was via Google in der blau hervorgehobenen Box ausgespielt wird, so fällt sofort auf, dass die Ergebnisse stark von Linkedin und Xing dominiert werden, die hier in Deutschland am meisten Ergebnisse beisteuern. Danach folgen viele bekannte und weniger bekannte Jobbörsen und profitieren vom Traffic, den Google ihnen auf die Seiten spült. Jobs, die direkt von den Karriereseiten der Unternehmen kommen, finden sich indes eher selten. Übrigens ein globales Phänomen: Auch in anderen Ländern verpasst HR den Einstieg in eine bessere Recruiting-Welt, wie meine Beobachtungen der vergangenen zwei Jahre ergeben. Hier dominieren, ebenso wie bei uns, Jobbörsen und Personaldienstleister die Suchergebnisse.
Win-Win für Google und Jobbörsen?
Natürlich sind nicht alle Marktteilnehmer von Google for Jobs begeistert und so sucht man Indeed oder Stepstone in den Ergebnissen vergeblich. Dabei ist es Googles Ansinnen gar nicht, den Jobbörsen-Markt zu torpedieren, im Gegenteil. Es ist ein Deal, von dem beide Seiten profitieren: Google von den Jobbörsen und diese vom zusätzlichen Traffic. Auch HR könnte von mehr Bewerbungen und einer Zunahme der Besuche auf der Karriere-Website profitieren. Wenn es denn wollte. Aber es ist eben so wie bei der DSGVO. Oder wie beim Zahnarztbesuch. Man zögert es so lange hinaus, bis die Schmerzen unerträglich werden. Und dann ist es oft zu spät.
Da Google-Produktmanager Nick Zakrasek, der eigens aus Mountain View nach Berlin eingeflogen war, nun bei einer Pressekonferenz den offiziellen Deutschlandstart von Google for Jobs verkündet hat, gibt es spätestens jetzt keine Ausreden mehr.
Unser Kolumnist Henner Knabenreich ist Geschäftsführer der Knabenreich Consult GmbH. Er berät Unternehmen bei der Optimierung ihres Arbeitgeberauftritts. Zudem ist er Initiator von www.personalblogger.net und betreibt den Blog personalmarketing2null.de.
Lesen Sie auch:
So verändert Google for Jobs die Stellensuche
Eine Box mischt die Jobsuche auf
Sicht der Bewerber: Noch startet die Jobsuche im Online-Portal