Das sind die HR-Influencer 2024
Es ist eines dieser Fotos, wie sie täglich in großer Zahl in die Feeds von Linkedin gespült werden: Die Person auf dem Bild schaut in die Kamera, die Pose lässig, strahlend das Lächeln. Wir kennen sie, das freundliche Gesicht begegnet uns regelmäßig, wenn wir in der Mittagspause oder in der Straßenbahn durch Linkedin scrollen.
Irgendwas hat die Person auf dem Foto mit HR zu tun, das steht schließlich im Linkedin-Profil. Was genau, gibt der Text zum Bild nicht her. "Der Weg zum Erfolg ist steinig" lautet die These dieses Mal vielleicht. Oder so was wie: "HR braucht neue Ideen" oder: "Erst Mensch, dann Mitarbeiter." Eine Aussage, die weder zum Grübeln noch zum Widerspruch anregt und qualifizierte Personalfachleute kaum überzeugen dürfte. Gut möglich, dass sich im Post ein Link findet, der zu einem HR-Softwareanbieter oder einer Stellenmarktseite führt. So genau schauen wir nicht hin. Für einen Like reicht's allemal.
HR-Influencer als digitale Meinungsmacher und Meinungsmacherinnen
Ist das heute Social Media? Es lassen sich einige aktuelle Beispiele von HR-Influencern finden, die sich in den vergangenen Jahren zu inhaltlichen Themen wie Diversity, New Work oder (vermeintlichen) Generationenkonflikten einen Namen, eine große Reichweite und viele Follower erarbeitet haben. Und die diese Bekanntheit nun nutzen, um für finanzstarke Anbieter PR zu machen. Damit verschwimmt die Grenze zwischen Werbung und inhaltlicher Botschaft. Der Anspruch, als digitale Meinungsmacherinnen und Meinungsmacher fachliche Impulse in die HR-Debatte einzubringen, wird zur Plattitüde.
Wir wollen in unserem Schwerpunkt eine Lanze brechen für mehr Substanz auf Social Media. Wie kaum ein anderes Medium ermöglichen die Sozialen Netzwerke den direkten Austausch mit der Zielgruppe. Deshalb sind Plattformen wie Instagram, Facebook, Tiktok und Linkedin für wohl alle Unternehmen unumgänglich geworden. Wie können Unternehmen mit den Spannungen und Widersprüchen umgehen, die die digitale Welt der Unternehmens-Influencer prägen? Dazu stellen wir im Folgenden drei dieser Spannungsfelder vor: die zunehmende Kommerzialisierung, der Konflikt zwischen Unternehmen und Corporate Influencer und die digitale Debattenkultur zwischen Hate und Herzchen.
Social Media zwischen Product Placement und Debatte
In unserem Ranking finden sich Personen, die klar für die Sache ihres Unternehmens auf Linkedin unterwegs sind. Bei manchen wiederum ist die Unternehmenszugehörigkeit in den Hintergrund getreten, andere kooperieren mit Unternehmen oder monetarisieren ihre Reichweite, indem sie auf ihrem Account Anzeigen zulassen oder Produkte platzieren. Die Kommerzialisierung im HR-Influencing nimmt merklich zu. Auch auf unseren Listen gibt es einige Beispiele dafür. Insbesondere trifft dies auf die Influencer unserer Kategorie der "Topstars" zu. Es ist Teil ihres Geschäftsmodells, auf Social-Media-Plattformen präsent zu sein, Follower zu sammeln und Reichweite zu generieren. Damit werben sie für sich als Speaker oder Beraterinnen sowie für ihre Öffentlichkeitswirkung, die sie zahlenden Unternehmen zur Verfügung stellen.
Es muss sich noch zeigen, inwieweit die Follower diese Entwicklung mittragen. Dem Debattenraum Social Media schadet es ohne Zweifel erheblich, wenn Influencer ihre digitale Meinungsführerschaft zu Geld machen: Der Anspruch, die HR-Debatte zu bereichern, Inhalte zu teilen und den fachlichen Austausch zu fördern, gerät ins Hintertreffen. Die Aufmerksamkeit dient nun nicht mehr der Sache, sondern ist zum Verkaufszweck geworden. Die Nutzerinnen und Nutzer müssen sehr genau hinschauen, wer da in wessen Interesse spricht. Das ist unlauter und in Zeiten von Fake News und Chat GPT auch fahrlässig. Denn den genauen Blick sparen sich die meisten offensichtlich – vielleicht sind sie vom hohen Tempo auf Social Media getrieben, vielleicht liken sie aber auch einfach nur gedankenlos und unterstützen so eine Entwicklung, die Fakt, Meinung, Werbung und KI-Halluzination unheilvoll vermengt.
Tipp: Hier können Sie das gesamte HR-Influencer-Ranking als PDF herunterladen.
Eigene Mitarbeitende zu Corporate Influencern aufbauen
Unternehmen können und müssen den Auftritt des Corporate Influencers bewusst gestalten: Welche Unternehmensziele verfolgen sie, wie passt die Rolle als Unternehmens-Influencer zu den anderen Rollen der Person und wie fügt sich der Influencer ein in die gesamte Unternehmenskommunikation nach außen oder innen? Das ist das berechtigte Interesse des Arbeitgebers und der Grund, warum Unternehmen in den Aufbau eines Corporate Influencers Zeit und Geld investieren. Denn: Auch wenn die wenigsten, wie etwa Lara Sophie Bothur von Deloitte, hauptberuflich Corporate Influencer sind – einfach mal nebenbei geht es nicht.
Neben den Mitarbeitenden, die auf Social Media zum (Corporate) Influencer heranwachsen und sich eine Reichweite erarbeiten, gibt es jene, die bereits qua Position in der Öffentlichkeit stehen. Influencer zu sein, ist in diesen Spitzenpositionen oft Teil der Stellenbeschreibung. Zu bedenken ist in allen Fällen: Zu einem Unternehmenssprachrohr bauen Follower keine digitale Beziehung auf. Es muss zumindest die Illusion entstehen, mit einer echten Person mit eigenen Zielen, Werten und Emotionen zu interagieren.
Viele HR-Influencer setzen auf unkritische Themen
Der Traum von Social Media als einer besseren, weil demokratischeren Form der Öffentlichkeit ist längst ausgeträumt. Heute ist die Sorge nicht unbegründet, dass im Kommentargewitter eine vernünftige Diskussion unmöglich ist und dass das eigene Unternehmen oder die Arbeitgebermarke im Shitstorm Schaden nehmen könnte. Wer sich mit Meinung hervorwagt, muss mit Beleidigungen und bisweilen Hass in der Inbox rechnen.
Viele HR-Influencer beschränken sich deshalb darauf, auf Themen zu setzen, die zuverlässig Likes und Herzchen bringen: Diversity schlägt hier HR-Prozesse, Workation Personalabbau und Wellbeing betriebliche Notwendigkeiten. Kritische Thesen werden weichgespült, sodass es niemandem schwerfallen dürfte, darunter einen erhobenen Daumen als bequeme Pseudo-Meinung zu hinterlassen. Hinzu kommt, dass unsere Aufmerksamkeit auf Social Media sehr kurz ist. Wenn eine Aussage uns nicht augenblicklich festnagelt, haben wir längst weitergescrollt. Die Folgen sind unsäglich verkürzte Thesen und bis zur Polemik überspitzte Polarisierungen. Unpopuläre Themen und Differenzierungen, die nicht in einen markigen Satz passen, haben es schwer. Überdies haben die Algorithmen der Plattformen einen enormen Konformitätsdruck zur Folge. Die Rechenfilter sind dafür verantwortlich, wie Inhalte verbreitet werden und was uns wann wie oft und ob überhaupt angezeigt wird – was den Regeln nicht gehorcht, ist im Nachteil. Weil beispielsweise der Linkedin-Algorithmus offensichtlich Gesichter bevorzugt, zieren viele Postings nun lächelnde Fotos ohne Aussage. Alles für den Algorithmus, der Inhalt ist zweitrangig. Die Aufmerksamkeit droht damit zum Selbstzweck zu werden.
Wenigen gelingt es, diese Logiken zu überlisten. Einige davon haben es in unsere Listen geschafft. Sie schlagen übliche Regeln und Tipps in den Wind und stechen gerade damit aus der Masse heraus. Damit zeigen sie, wie es möglich ist, klugen Content zu machen und Debatten zu pflegen. Entscheidend ist, sich die Zeit zu nehmen, die Social Media uns nicht geben möchte: um die Dinge zu durchdenken, um auf Zwischentöne hinzuweisen, um Diskussionen zu moderieren und um an den Themen dranzubleiben, die nicht sofort mit Herzchen belohnt werden (Unternehmen trügen dafür heute sogar eine Verantwortung, meint Amelie Duckwitz im Interview).
Influencer-Ranking als Benchmark und zur Abgrenzung
Social Media steht am Scheideweg: Müssen Unternehmen sich in ein paar Jahren enttäuscht von den Plattformen zurückziehen, weil auf Linkedin und Co. außer heißer Luft und Dampfplauderern nichts mehr zu holen sein wird? Oder gelingt es, Social Media als eine relevante Form von Öffentlichkeit zu erhalten? Dafür ist es wichtig, den digitalen Raum für gute Inhalte zu nutzen und Menschen zu profilieren, die faktenbasiert und inhaltlich in die Tiefe gehen und die Komplexität der Themen beherrschen. Es lohnt sich dafür zu kämpfen, denn Arbeitgeber profitieren enorm von Corporate-Influencer-Programmen. Um diese Wirkung zu erhalten, können sie sich etwas vom Journalismus abschauen: Information, Meinung und Anzeige müssen getrennt sein, denn nur so bleibt Meinungsführerschaft – gerade im digitalen Raum – auch auf lange Sicht glaubwürdig.
Zudem soll unser Ranking der HR-Influencer eine Orientierung bieten: mit Vorbildern, Benchmarks, Inspiration und Möglichkeit zur Abgrenzung.
Die HR-Influencer 2024
Das Personalmagazin zeichnet in diesem Jahr die wichtigsten HR-Influencer in drei Kategorien aus: Corporate Influencer (hauptamtliche HRler), Editor's Choice und Topstars. Grundlage war eine Liste der Redaktion mit mehr als 200 Personen aus dem deutschsprachigen Raum. Dabei haben auch die zahlreichen Einsendungen Eingang gefunden, die uns nach einem Aufruf auf Linkedin erreicht haben. Wir haben alle Kandidatinnen und Kandidaten eingehend gesichtet. Als für HR-Debatten einschlägige Plattform haben wir uns dabei auf Linkedin konzentriert. X (vormals Twitter) besitzt für diese Debatten keine Relevanz mehr; Instagram und Tiktok haben wir zurückgestellt, da der Schwerpunkt hier vor allem auf der Personalgewinnung liegt.
Folgende Auswahlkriterien haben wir zugrunde gelegt: thematischer Bezug zu HR, Posting-Frequenz und Reichweite. Personen, die aus Sicht der Redaktion keine relevanten Beiträge für das Personalmanagement erbringen, nur die Arbeitnehmerperspektive einnehmen oder reine Werbekanäle betreiben, haben wir aussortiert. Die Rankings ergeben sich nach der Anzahl der Follower (Stichtag: 22. April 2024). Ein Sonderfall ist die Liste Editor's Choice. Die Anzahl der Follower ist für diese Kategorie nicht ausschlaggebend gewesen, stattdessen finden sich hier Empfehlungen der Redaktion. Entsprechend sind die Personen auf der Liste nicht in einem Ranking geordnet. Kriterien waren etwa inhaltliche Originalität und fachliche Tiefe. Außerdem wollten wir die Bandbreite der Positionen in HR abbilden. Dabei haben wir im Zweifelsfall neue Gesichter den altbekannten vorgezogen.
Natürlich gab es strittige Fälle. Letztlich beruht die Auswahl auf einer Bewertung der Redaktion, die wir in ausführlichen Diskussionen erwogen haben.
Die Personalmagazin-Autoren: Matthias Haller, Stefanie Hornung und Claudia Müller
Dieser Beitrag ist erschienen in Personalmagazin 7/2024. Als Abonnent haben Sie Zugang zu diesem Beitrag und allen Artikeln dieser Ausgabe in unserem Digitalmagazin als Desktop-Applikation oder in der Personalmagazin-App.
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Ich fühle mich so abgeholt und bestätigt in meiner Gedankenwelt, dazu auch die ideal passende Portion Sarkasmus. Glückwunsch zu diesem hervorragenden Artikel!
Frank Knieps