Weiterbildungsengagement stagniert – außer bei Digitalisierungsdruck
Insgesamt haben demnach im ersten Halbjahr des vergangenen Jahrs 53 Prozent der Unternehmen in Deutschland ihre Mitarbeiter weitergebildet. "Seit dem Beginn des neuen Jahrtausends ist der Anteil der weiterbildenden Betriebe damit deutlich angestiegen", sagte IAB-Direktor Joachim Möller bei der Vorstellung der Studie in Berlin. Im Jahr 2001 hatten nur 36 Prozent der Betriebe ihre Mitarbeiter im Befragungszeitraum zu einer Weiterbildung geschickt. Kurzfristig gestoppt hat den Aufwärtstrend seitdem nur die Wirtschaftskrise 2008.
Die Daten zum Weiterbildungsengagement in Deutschland beruhen auf dem IAB-Betriebspanel, für das seit 25 Jahren regelmäßig rund 16.000 Betriebe in Deutschland repräsentativ befragt werden. Unter den Begriff "Weiterbildung" fallen laut IAB-Definition alle Arten von betrieblicher Weiterbildung. Entscheidend dabei ist, dass das Unternehmen seine Mitarbeiter entweder für die Weiterbildung freistellt, diese finanziert oder beides.
Der (im Vergleich zu anderen Befragungen zum Weiterbildungsengagement deutscher Unternehmen) relativ geringe Anteil der weiterbildenden Unternehmen ergibt sich dadurch, dass die IAB-Forscher jeweils nur das erste Halbjahr des Befragungsjahrs betrachten.
Digitalisierungsdruck steigert Weiterbildungsengagement
Trotz Aufwärtstrend: Im Langzeitverlauf zeigen die Zahlen des IAB auch, dass sich das Weiterbildungsengagement deutscher Betriebe bereits seit geraumer Zeit auf ungefähr dem gleichen Level festgefahren hat: In den vergangenen fünf Jahren bewegt sich die Zahl der weiterbildenden Betriebe jeweils um die 50 Prozent.
Mehr Engagement haben 2016 nur jene Betriebe gezeigt, die die Folgen der Digitalisierung direkt zu spüren bekommen haben: Hier bilden deutlich mehr, nämlich 70 Prozent, als der Durchschnitt (53 Prozent) ihre Mitarbeiter weiter. "Betriebe mit modernen Technologien bilden aber nicht nur häufiger weiter, sondern beziehen auch größere Belegschaftsanteile in die Weiterbildung ein", ergänzte Möller. "So liegt die Teilnahmequote an Weiterbildung in Betrieben, die sich intensiv mit dem Thema Digitalisierung beziehungsweise Automatisierung beschäftigen oder die hier gut aufgestellt sind, bei rund 40 Prozent." In den anderen Betrieben würden dagegen weniger als 30 Prozent der Mitarbeiter in Qualifizierungsmaßnahmen einbezogen, so der IAB-Direktor.
Geringqualifizierte und Ältere nach wie vor Weiterbildungsverlierer
Die nun vorliegenden Zahlen zeigen auch: Nach wie vor kommen höherqualifizierte Mitarbeiter (44 Prozent), also solche mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung oder einem Studium, viel häufiger in den Genuss von Weiterbildungen als Geringqualifizierte (20 Prozent). Auch ältere Mitarbeiter sind in Seminaren und Trainings weiterhin unterrepräsentiert: Mit 27 Prozent Weiterbildungsbeteiligung liegen sie ebenfalls deutlich unter dem Schnitt von 35 Prozent über alle Beschäftigtengruppen.
Beide Gruppen gehen auch aus früheren IAB-Befragungen als Weiterbildungsverlierer hervor. Offenbar führt auch hier nur äußerer Druck zu einem Umdenken in Unternehmen: Denn die Studie zeigt auch, dass Geringqualifizierte und Ältere nur in solchen Unternehmen überdurchschnittlich häufig in Weiterbildungen vertreten sind, die von Problemen beim Recruiting berichten – die also Schwierigkeiten haben, die richtigen Mitarbeiter zu finden.
"Bei einer stärkeren Beteiligung von Geringqualifizierten an der betrieblichen Weiterbildung könnten sich deren berufliche Entwicklungs-, Einkommens- und Beschäftigungschancen verbessern", plädierte IAB-Vizedirektor Ulrich Walwei bei der Vorstellung der Studienergebnisse. Gleichzeitig könnten sich die Unternehmen so zusätzliche Potenziale erschließen. Allerdings sei die Weiterbildung von Geringqualifizierten auch eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Diese könne nicht alleine den Betrieben aufgebürdet werden.
Frauen bilden sich häufiger weiter als Männer
Die Ergebnisse, die die IAB-Forscher zum Thema "Geschlechtergerechtigkeit in der Weiterbildung" vorgelegt haben, überraschen zunächst: Denn mit 38 Prozent nahmen Frauen im ersten Halbjahr 2016 häufiger an Weiterbildungen teil als Männer.
Ist die Frauenförderung also schon in der betrieblichen Weiterbildung angekommen? Das können die Forscher derzeit nicht bestätigen. Die relativ hohe Weiterbildungsbeteiligung von Frauen sei vielmehr maßgeblich darauf zurückzuführen, dass sie häufig in Branchen beschäftigt sind, die sich durch ein überdurchschnittliches Weiterbildungsengagement auszeichnen, wie IAB-Forscherin Ute Leber erläuterte – etwa im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen oder im Bereich Erziehung und Unterricht, wo der Frauenanteil an den Beschäftigten zuletzt bei 75 beziehungsweise 70 Prozent lag. Weiterbildung sei in diesen Bereichen häufig auch gesetzlich gefordert.
Frauen im Top-Management fördern Weiterbildung von Frauen
Ein Ansatz, die Weiterbildung von Frauen in Betrieben zu fördern, ergibt sich aber aus einem weiteren Ergebnis der IAB-Befragung: Die Forscher stellten nämlich auch fest, dass Frauen in jenen Betrieben häufiger weitergebildet werden, in denen mindestens eine Frau im Top-Management sitzt. Dort liegt die Teilnahmequote von Frauen bei 39 Prozent.
"Ist die oberste Führungsebene in einem Betrieb hingegen rein männlich besetzt, beträgt die Teilnahmequote der Frauen an Weiterbildung nur 33 Prozent", sagte Leber. Dabei sei wiederum zu beachten, dass weibliche Führungskräfte vor allem in der Branche Erziehung und Unterricht sowie im Gesundheits- und Sozialwesen zu finden sind - also in jenen Bereichen, in denen Frauen generell viel an Weiterbildung teilnehmen. "Allerdings zeigt sich auch innerhalb dieser Wirtschaftszweige, dass Frauen dann häufiger an Weiterbildung teilnehmen, wenn der Betrieb von einer Frau geführt wird", so Leber.
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