Neue Skills und Kompetenzen im Personalmanagement
Die Frage, wie KI den Arbeitsmarkt verändert, steht momentan im Zentrum vieler Studien. So prognostiziert das Weltwirtschaftsforum, dass bis 2027 rund zwei Prozent der derzeitigen Stellen wegfallen dürften – auch aufgrund KI-basierter Automatisierung. Die Investment-Bank Goldman Sachs rechnet damit, dass generative KI künftig rund ein Viertel aller Jobs überflüssig machen wird. Und eine Untersuchung der ChatGPT-Macher von Open AI fand heraus, dass rund 80 Prozent der amerikanischen Arbeitskräfte bei mindestens einem Zehntel ihrer Arbeitsaufgaben durch KI-basierte Sprachmodelle beeinflusst werden dürften.
KI: Hoffnung und Sorgen der Beschäftigten
Obschon diese Erhebungen den KI-Technologien zugleich Potenzial für Produktivitätssteigerung und wirtschaftlichem Wachstum attestieren, lösen die erwarteten Veränderungen bei vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern Sorge aus. Die Boston Consulting Group erhob laut Handelsblatt, dass rund 40 Prozent der Beschäftigten in Deutschland angesichts des wachsenden Einflusses von KI um ihre Jobs fürchten.
Vor diesem Hintergrund verändern sich auch die Parameter des Personalmanagements. So beeinflusst Automatisierung einerseits die Arbeit der Personalverantwortlichen selbst, andererseits auch die Kompetenzprofile, nach denen sie suchen.
Aufgabenspektrum des Personalmanagements wächst
Was die Funktion der Personalverantwortlichen selbst betrifft, erscheint eine vollständige Automatisierung angesichts ihrer wachsenden Aufgabenvielfalt unberechtigt. Schließlich diversifiziert sich ihre Rolle unter dem Eindruck einer Arbeitswelt im Umbruch fachlich und thematisch immer weiter aus. Dabei gewinnt sie an strategischer Bedeutung für das Unternehmen als Ganzes: Von einer spezifischen Zuständigkeit für HR-Prozesse erweitert sie sich zu einer ganzheitlichen Verantwortung für das Zusammenspiel einer wechselseitigen Personal- und Organisationsentwicklung.
Neben den klassischen Aspekten des Personalmanagements fallen dadurch zunehmend auch Themen wie IT, Compliance, Legal und Kommunikation in ihren Zuständigkeitsbereich. Laut einer Studie von PWC und der Universität St. Gallen dürften bis 2030 vor allem die Bereiche Recruiting, Personalentwicklung sowie Change- und Transformationsmanagement an Bedeutung gewinnen. Mit Blick auf diese zusehends strategische Verantwortung und die damit verbundene Aufgabenfülle ist es sinnvoll, zu prüfen, bei welchen operativen Aufgaben KI-Anwendungen Personalverantwortliche entlasten können.
Chatbots verbessern Mitarbeiter- und Bewerbererfahrung
Potenzial dafür liegt vor allem in repetitiven Routineaufgaben. Chatbots etwa eignen sich hervorragend, um häufig gestellte Fragen zu Themen wie Urlaubsantrag, betrieblichem Gesundheitsmanagement oder Corporate Benefits schnell und rechtssicher zu beantworten. Die Beschäftigten erhalten die gewünschte Auskunft unmittelbar und unabhängig von den Arbeitszeiten der Personalabteilung. Diese hohe Responsivität sorgt für eine gute Mitarbeitererfahrung und spiegelt dabei das Informationsverhalten wider, das die Mitarbeitenden auch aus ihrem Privatleben kennen.
Ähnliches gilt für den Einsatz von Chatbots im Bewerbermanagement. Diese bieten Bewerberinnen und Bewerbern eine niedrigschwellige Möglichkeit, mehr über die offene Stelle und das Arbeiten im betreffenden Unternehmen zu erfahren. Zugleich eröffnen sie den Unternehmen die Chance, sich als digitale und zukunftsorientierte Arbeitgeber zu positionieren. Vor allem für jüngere Bewerberinnen und Bewerber, für die digitale Arbeitsprozesse eine Selbstverständlichkeit sind, spielt dies eine Rolle. Außerdem senkt die schnelle Rückmeldung durch den Chatbot das Risiko, dass die Bewerbenden aufgrund langer Wartezeiten schon früh im Bewerbungsprozess abspringen.
Hat ein Kandidatin oder eine Kandidatin schließlich zugesagt, können Chatbots auch im Onboarding-Prozess unterstützen, indem sie Fragen beantworten, den Neuen wichtige Infos zum Unternehmen an die Hand geben oder zu häufig benötigten Dokumenten verlinken. Um Vorbehalten hinsichtlich des Datenschutzes vorzubeugen, sollten Personalverantwortliche beim Einsatz von Chatbots darauf achten, transparent darzulegen, ob und wo Anfragen gespeichert werden und wie mit den anfallenden Daten verfahren wird.
Automatisierte Texterstellung, datengestützte Entscheidungsfindung
Ein weiteres Feld, in dem generative KI-Tools den HR-Bereich entlasten können, ist die Texterstellung. So können entsprechende Tools vor allem standardisierte Texte wie Stellenausschreibungen vorschreiben, um Zeit zu sparen. Wichtig dabei ist, die KI mit den richtigen Informationen zu versorgen und das Ergebnis anschließend gründlich zu prüfen.
Darüber hinaus kann Automatisierung auch neue Wege der Personalsuche erschließen. Ein Beispiel ist das Data Driven Recruiting. Gemeint ist der Ansatz, Daten zur Entscheidungsfindung im Recruiting-Prozess zurate zu ziehen und diesen dadurch effizienter und transparenter zu gestalten. Grundlage dafür ist die Erhebung relevanter Kennzahlen, zum Beispiel der Klickzahlen auf Stellenausschreibungen, der Conversion Rate, die misst, wie viele Klicks zu einer Bewerbung geführt haben, oder der Time-to-Hire, also der Dauer bis zur Besetzung einer vakanten Stelle. Ab einem gewissen Umfang bietet es sich an, die systematische Erhebung und Auswertung solcher KPIs automatisiert vorzunehmen. Die Analyseergebnisse ermöglichen Personalverantwortlichen, datenbasiert und damit vergleichsweise objektiv zu entscheiden. Darüber hinaus hilft die Datengrundlage, die Auffindbarkeit von Stellenanzeigen zu verbessern oder Jobtitel entsprechend der Suchnachfrage zu optimieren.
Mehr Datenanalyse, weniger Buchhaltung
Um von Möglichkeiten wie diesen zu profitieren, brauchen Personalverantwortliche ein entsprechendes Skill-Set. Die zitierte Studie von PWC folgert, dass vor allem Fähigkeiten im Bereich Daten- und Technologiemanagement ins Gewicht fallen. Entsprechend schätzen die befragten HR-Expertinnen und -Experten Big Data- und People Analytics-Kompetenzen für ihre Tätigkeit um 23 Prozent wichtiger ein als noch 2019.
Auch die gesuchten Kompetenzen und Profile auf Kandidatenseite verändern sich: Während repetitive Routinetätigkeiten automatisiert werden, ist die menschliche Arbeitskraft vor allem in Tätigkeiten mit kreativem und strategischem Anspruch gefordert. Die zitierte Studie des Weltwirtschaftsforums wird hier konkret: Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in Rechnungswesen und Buchhaltung, Beschäftigte in administrativen Bereichen wie Dateneingabe, Materialerfassung oder Lagerverwaltung sowie Kassenpersonal und Personal für den Ticketverkauf werden künftig weniger gebraucht. Dafür dürften bis 2027 rund 30 Prozent mehr Stellen für Expertinnen und Experten in Datenanalyse, Machine Learning und Cybersicherheit entstehen.
Empathie, Kreativität und analytisches Denken sind gefragt
Entsprechend dieser Entwicklungen werden Datenkompetenz, Kreativität und analytisches Denken zu Schlüsselkompetenzen. Schließlich helfen diese Fähigkeiten, sich in ein Problem hineinzuversetzen und die entscheidenden Fragen zu stellen, um es präzise zu beschreiben. Nur wenn diese Vorarbeit geleistet ist, können konkrete Befehle formuliert werden, auf Basis derer KI-Anwendungen hilfreiche Ergebnisse liefern.
Der Mensch hat das letzte Wort
Trotz des großen Einsatzpotenzials der Technologie bleibt der menschliche Faktor im Personalmanagement entscheidend. So fehlt KI-Anwendungen die Empathie und emotionale Intelligenz, um zwischenmenschliche Nuancen zu erfassen und Stimmungen zu interpretieren. Am Ende könnten sie zum Beispiel nicht beurteilen, ob „die Chemie stimmt“ und ein Kandidat oder eine Kandidatin auch wirklich in ein Team passt. Zudem kann eine technologische Anwendung keine Verantwortung für Personalentscheidungen übernehmen. Ob jemand eingestellt wird oder nicht, wird am Ende immer in der Verantwortung der menschlichen HR-Profis liegen.
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