Kommentar: Mehr Handlungsspielräume für die Betriebe
Ein Ende der durch Covid-19 ausgelösten Wirtschaftskrise ist nicht in Sicht. Das wirkt sich auf die Beschäftigungslage aus: Neben den 2,9 Millionen Arbeitslosen gibt es in Deutschland immer noch fünf Millionen Kurzarbeiter. Unter den Beschäftigten steigt die Angst vor Jobverlust. Gleichzeitig bereitet sich die Politik auf die Bundestagswahlen vor, die 2021 stattfinden. In dieser Situation hat der Koalitionsausschuss beschlossen, die Bezugsdauer des Kurzarbeitergeldes von bislang zwölf auf nun bis zu 24 Monate auszuweiten und die Corona-Aufstockungen zum Kurzarbeitergeld bis Ende 2021, also nach dem Wahltermin, zu verlängern.
Kritik: Steuerzahler werden doppelt belastet
Für die Verabschiedung des Gesetzes wird es eine breite Mehrheit im Parlament geben, aber auch in der Gesellschaft: Gewerkschaften wie auch Arbeitgeberverbände begrüßen die Maßnahme in großer Einigkeit. Kritik kommt aber von einigen Ökonomen, etwa dem Wirtschaftsweisen Lars Feld, der davor warnt, dass das Kurzarbeitergeld die Betriebe dazu animiert, notwendige Strukturanpassungen hinauszuschieben. Der Steuerzahler würde damit doppelt zur Kasse gebeten: Zunächst zahlt er mit der Kurzarbeit eine Verlängerung der Krankheitsphase, später nochmals die notwendige Operation in der notwendigen Gesundungsphase.
Sinnvolle Brückenlösung für die Dienstleistungsindustrie
Für die Betriebe ist die Ausweitung der Kurzarbeit ein großes Geschenk. Sie haben mehr Möglichkeiten, um die Wirtschaftskrise zu überstehen. Das betrifft zunächst einmal die Branchen, in denen Kurzarbeit verbreitet ist: Die Tourismusbranche, das Gastgewerbe und die Hotellerie. In der Vergangenheit haben diese Branchen bei Umsatzeinbrüchen häufig kurzfristig Beschäftigte entlassen, was sich negativ auf die Mitarbeiterbindung auswirkte. In dieser Krise setzen sie erstmals in großem Umfang auf Kurzarbeit, was die Beschäftigten honorieren. Viele gehen in diesen Branchen davon aus, dass das Geschäft zurückkommt, sodass Kurzarbeit in vielen Fällen gute Brücken bieten kann.
Auto- und Luftfahrtindustrie könnten Strukturwandel verschleppen
Etwas anders sieht es in der Autoindustrie und der Luftfahrt aus, die ebenfalls in großem Umfang Kurzarbeit einsetzen. Vor allem die Automobilindustrie befindet sich in einem tiefgreifenden Strukturwandel, der schmerzhafte Anpassungen notwendig macht. So mancher Betrieb könnte jetzt damit liebäugeln, weiter auf Kurzarbeit zu setzen, um den Konflikten aus dem Wege zu gehen, die mit Strukturanpassungen verbunden sind. Das wäre allerdings kurzsichtig. Wer, um bei der vorherigen Metapher zu bleiben, eine Operation hinauszögert, erhöht damit oft das Operationsrisiko und wird erst später fit, um die nächsten Schritte in Angriff nehmen zu können.
Die Regierung hat den Betrieben Luft verschafft und die Handlungsmöglichkeiten vergrößert. Es liegt jetzt an den Betrieben, das Richtige zu tun, um das Überleben zu sichern, ihre Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und sich für die Zukunft aufzustellen.
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