Negative Candidate Experience: Recruitingkrise beim BAMF


Negative Candidate Experience: Recruitingkrise beim BAMF

Das BAMF hat alle Hände voll zu tun: mit dem Flüchtlingszuzug und damit, infolgedessen neu geschaffene Stellen besetzen. Die Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz fordert daher Sonderschichten. Doch ob das hilft? Kolumnist Henner Knabenreich bezweifelt das: Denn das BAMF habe eine Recruitingkrise.

Stellen Sie sich einmal vor, Sie müssten eine ganze Menge Stellen mit qualifizierten Kräften besetzen. Was würden Sie tun? Auf "Post & Pray" setzen und die Hände im Schoß zum Gebet falten und auf die Bewerber warten? Und wenn Ihnen diese dann tatsächlich trotz eines umständlichen Bewerbungsprozesses ihre Aufwartung machen, sie noch ein paar Monate warten lassen, weil Sie gerade alle Hände voll zu tun haben? Und außerdem steht ja Weihnachten vor der Tür.

Recruiting-Krise: Wer oder was wird eigentlich gesucht?

Ist ja so abwegig nicht dieses Szenario, oder? Was bei vielen Arbeitgebern leider gängige Praxis ist, passiert aktuell auch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF). Wegen des erhöhten Arbeitsaufwands durch die Flüchtlingskrise wurden dort rund 1.000 Stellen neu genehmigt.

Allerdings gibt es innerhalb des BAMF offenbar selber eine Krise. Eine Recruiting-Krise nämlich. Denn dort scheint man nicht wirklich zu wissen, wen man eigentlich sucht. Diesen Eindruck könnte man zumindest haben, wenn man den Stellentitel einer der Vakanzen liest: "Volljuristinnen und Volljuristen sowie Akademiker mit Hochschulabschluss der Studiengänge Volks- oder Betriebswirtschaft, der Wirtschaftswissenschaften oder mit einem vergleichbaren geisteswissenschaftlichen Abschluss".

Keine Informationen zu Arbeitgeber und Perspektiven

Also irgendwie jeder, der ein Studium hat, möge sich bitte bewerben? Die Stellenanzeige selbst weist dann eine Fülle an Anforderungen auf, verschweigt aber die Aufgaben an sich.

Abgesehen davon, dass schon allein der Stellentitel kaum über eine klassische Suchabfrage in Google oder einer Stellenbörse aufzufinden ist, weist die Website des BAMF selbst starkes Optimierungspotenzial auf. Denn Informationen über den Arbeitgeber, die Perspektiven oder was Mitarbeitern geboten wird, findet man dort selbst mit der Lupe nicht.

Bewerbungsprozess fordert einiges an Nerven ab

Allerdings ist die Tragödie damit noch nicht zu Ende. Denn allein der Bewerbungsprozess verlangt dem Kandidaten einiges an Geduld und gute Nerven ab.

Zunächst einmal muss dieser sich online bewerben. Das aber ist nur nach vorheriger Anmeldung mit Anforderung eines Passworts möglich. Erst dann hat er Zugriff auf ein sieben Seiten umfassendes Bewerbungsformular mit diversen Restriktionen. So ist es beispielsweise nicht möglich, einzelne Formularseiten zu überspringen, pro Formularfeld gibt es zudem eine maximale Zeichenzahl.

Nach diesem Online-Verfahren, welches laut BAMF "unnötigen Aufwand und Kosten" vermeiden soll, muss der Bewerber dann seine "vollständigen Bewerbungsunterlagen unter Angabe der im Online-Bewerbungsverfahren vergebenen Bewerbungsnummer" per Post einsenden.

Prachtexemplar negativer Candidate Experience

Während solch ein Bewerbungsverfahren schon eine Zumutung darstellt und auf so einige eine eher abschreckende Wirkung haben dürfte, wird einem ganz nebenbei ein Prachtexemplar einer negativen Candidate Experience präsentiert. Hier erfährt der Bewerber alles andere als Wertschätzung. Eher das Gegenteil ist der Fall.

So auch im weiteren Prozess. Nach einigen Wochen Wartezeit bekommen Bewerber nämlich eine Nachricht, dass sich aufgrund der sehr großen Anzahl an Bewerbungseingängen die Vorauswahl noch etwas verzögert und sich die Auswahlverfahren noch einige Monate hinziehen werden.

Positiv zu bewerten ist, dass es überhaupt eine Zwischenmeldung gibt. Denn viele Arbeitgeber bleiben selbst diese ihren Bewerbern schuldig.

Allerdings dürfte auch klar sein, dass die wirklich guten Bewerber sich nicht so lange hinhalten lassen und sich selbstredend vom Arbeitgeber BAMF abwenden.

Blogger und Berater Henner Knabenreich

Henner Knabenreich ist Geschäftsführer der Knabenreich Consult GmbH. Er berät Unternehmen bei der Optimierung ihres Arbeitgeberauftritts. Zudem ist er Initiator von www.personalblogger.net und betreibt selbst den Blog  personalmarketing2null.de.