Virtuelles Onboarding erfordert ein Umdenken
Plötzlich ging alles ganz schnell. Mitte März zogen drei Viertel der Datev-Belegschaft aufgrund der Corona-Pandemie ins Homeoffice. Darunter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die erst ein paar Tage am neuen Arbeitsplatz verbracht hatten. Weitere kamen hinzu, die von Anfang an am heimischen Schreibtisch saßen. Diese Situation stellte auch das Datev-Team aus der Weiterbildung, das den Onboarding-Prozess verantwortet, vor ganz neue Herausforderungen. Die Personalentwicklung fragte sich: Wie können wir diese neuen Kollegen abholen, ihnen ein Gefühl von Wertschätzung und Gemeinschaft geben, ihnen dabei helfen, ein Netzwerk aufzubauen – ganz ohne persönlichen Kontakt?
"Welcome Day" digital übersetzen
Kurzerhand beschloss das Team, den gesamten Onboarding-Prozess auf virtuelle Plattformen zu heben – auch den "Welcome Day", bei dem bisher mehrmals im Jahr jeweils 120 bis 150 neue Mitarbeiter im Nürnberger IT-Campus begrüßt wurden. Die ursprünglich geplanten Plenumsvorträge, thematischen Sessions, Info-Stände der Fachbereiche und das Netzwerken in kleinen Gruppen konnte die Datev aber nicht eins zu eins übertragen. Die Personalentwickler mussten ganz neu denken und beispielsweise das Programm entzerren.
Den Anfang machten COO Julia Bangerth und Betriebsratsvorsitzender Peter Bach mit einer Begrüßung – zum ersten Mal aus ihren Homeoffices. Der Austausch gelang intuitiv: Viele Teilnehmer stellten während der Reden über den Chat Fragen – deutlich mehr als zuvor aus dem Publikum im IT-Campus. Die Hürde, sich zu Wort zu melden, war im virtuellen Raum offensichtlich niedriger, das Format wurde dadurch interaktiver. Weil es dennoch schwierig ist, mit über 100 Teilnehmern ein Gemeinschaftsgefühl herzustellen, sollten zum Schluss alle einmal ihre Kamera einschalten, um sich zumindest virtuell zuzuwinken.
Neue virtuelle Räume schaffen
Einige der Online-Sessions im Anschluss wurden in zwei Parts aufgeteilt, es wurden mehr Pausen eingeplant. Kacheln auf einer zentralen Landingpage im Intranet führten die Teilnehmer mit einem Klick in die einzelnen Videokonferenzräume. So konnten die "Neulinge" unkompliziert den Raum wechseln, falls ein Thema doch nicht ihren Vorstellungen entsprach oder sie sich für zwei parallele Sessions interessierten. Statt Info-Ständen gestaltete das Onboarding-Team zudem das Format der "Welcome Talks": Videokonferenzen, verteilt über die folgenden Monate, in denen interne Experten zu einem Thema informieren und zur Diskussion einladen.
Kennenlernen zeitlich strecken – in Eigenregie und organisiert
Auch das Kennenlernen in Kleingruppen brauchte ein neues Konzept. Denn persönliche Beziehungen entstehen und festigen sich leichter, wenn man sich analog begegnet. Deswegen streckte die Datev das Netzwerken, das bisher am Nachmittag eingeplant war, auf sieben Wochen: Die jeweils zufällig ausgewählten fünf bis zehn Teilnehmer aus unterschiedlichen Unternehmensbereichen trafen sich regelmäßig und konnten mithilfe eines digitalen "Onboarding-Guides" gemeinsam lernen. Dieser Guide beinhaltet eine Art freiwillige Selbstlern-Anleitung mit wöchentlichen Aufgaben – etwa: mit Communities of Practice in Kontakt treten, die ähnliche Interessen verfolgen, und sich in der Gruppe dazu austauschen. Nach dem Auftakt beim "Welcome Day" organisieren und moderieren die Gruppen ihre Treffen in Eigenregie. Erste Rückmeldungen zeigen: Das funktioniert erstaunlich gut. Und die Teilnehmer lernen so Projekte und Entwicklungen im Unternehmen kennen, mit denen sie sonst vielleicht nicht in Berührung gekommen wären.
Neben dem "Welcome Day" hat das Weiterbildungsteam der Datev zusätzliche Video-Formate etabliert – zum Beispiel den wöchentlichen "Learning Coffee", bei dem in kleinerem Kreis aktuelle Themen rund um das Lernen diskutiert werden. Diese Angebote richten sich an alle Mitarbeiter, sind aber natürlich auch für Einsteiger interessant.
Vorsprung durch frühzeitige Digitalisierung
Beim virtuellen Onboarding hatte die Datev einen Vorsprung: Bereits 2018 hatte das Unternehmen den gesamten Onboarding-Prozess neu konzipiert und dabei schon stark auf digitale Plattformen gesetzt. Seitdem gibt es etwa eine zentrale Landingpage im Intranet, die alle Informationen und Angebote für neue Mitarbeiter bündelt, sodass sie sich weitgehend selbstgesteuert einarbeiten können. Zudem bekommen neue Kolleginnen und Kollegen schon neun Wochen vor ihrem ersten Arbeitstag wöchentlich eine Mail mit Informationen, etwa rund um die Gesundheitsförderung im Unternehmen. Ab ihrem ersten Arbeitstag erhalten sie 25 Tage lang jeweils eine "Welcome Mail" mit Tipps – zum Beispiel dazu, wie sie das Intranet nutzen können. In diesen Rahmen fügen sich die neuen virtuellen Formate gut ein. So bleibt das Onboarding ein Teil der Employee Journey – auch in diesen außergewöhnlichen Zeiten. Und etwas zum Anfassen gibt es trotzdem: Das "Welcome Paket" schickt das Onboarding-Team seit März ins Homeoffice. Ganz analog per Post.
Fazit: Virtuelles Onboarding hat mehr Reichweite
So bietet das rein virtuelle Onboarding einige Herausforderungen, aber auch Chancen: Virtuelle Lern- und Austausch-Angebote sind niedrigschwelliger. Es können mehr Kollegen daran teilnehmen, allein schon, weil die Anfahrt wegfällt und es sich dadurch auch lohnt, kürzere Sessions zu besuchen oder sich spontan einzuwählen.
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