Szenario Sonnenschein
Was wäre, wenn – das Wetter schlechter würde. Oder besser? Oder gleich bliebe? Anhand dieser scheinbar banalen Frage erläutert Gregor Figura, Projektleiter für KI-unterstützte Personalplanung Deutsche Telekom AG, worauf es bei der strategischen Personalplanung ankommt: Eventualität auszuloten, Szenarien zu entwerfen und Schlüsse daraus zu ziehen.
Mehr Daten in kürzerer Zeit untersuchen
Bisher geschah das größtenteils manuell. Expertenrunden trafen sich, um Daten auszuwerten und Modelle zu entwickeln. Die Ergebnisse waren nicht schlecht, das Vorgehen jedoch mühsam und zeitraubend. „Früher gab es bei uns den Spruch: Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß. Doch eigentlich gilt der für die Telekom genauso“, sagt Figura. Was er damit meint: Aus den ungeheuren Datenmengen, die das Unternehmen besitzt, ließen sich möglicherweise wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Vorausgesetzt, jemanden gelänge es, sie auszuwerten.
Diesen Jemand haben Figura und seine Kollegen nun gefunden, eine künstliche Intelligenz. In einem Pilotprojekt mit dem Softwareunternehmen HR Forecast, analysiert ein Algorithmus die Unternehmensdaten einer Gesellschaft, um ein Treibermodell für Personalkosten zu erstellen. Dazu zählen Information wie Anzahl der Kunden oder Investitionen in Netzausbau aber auch externe Daten wie Situation auf dem (lokalen) Arbeitsmarkt oder sogar das Wetter. Das Team verspricht sich davon Rückschlüsse auf bisher unbekannte Treiber der Personalentwicklung. „Klar kennen wir die großen Einflussfaktoren und haben deren Auswirkungen bereits in früheren Prognosemodellen getestet. Nun geht es darum, Muster herauszufiltern, die wir noch nicht gesehen haben.“ Die Stärke des Algorithmus liegt in seiner Schnelligkeit. Innerhalb kürzester Zeit lassen sich neue Szenarien entwickeln und Parameter verändern.
Korrelationen und Kausalitäten erkennen
Dabei sind die Prognosen der KI nicht unbedingt genauer. Doch sie sind schneller und umfangreicher. Es ist also die Anzahl der Szenarien, die sich mithilfe des Algorithmus durchspielen lässt, die einen enormen Vorteil bedeutet. „Je mehr künftige Entwicklungen wir simulieren können, desto besser können wir unsere Personalplanung darauf ausrichten“, sagt Figura. Im Umkehrschluss heißt das: Wer alle Eventualitäten mitberücksichtigt, wird seltener von einer Entwicklung überrascht. Außerdem spart das KI-gestützte Verfahren Zeit. Die können die Mitarbeiter nutzen, um Ergebnisse zu bewerten und Handlungsempfehlungen auszusprechen. Und darauf kommt es letztlich an. Die KI erkennt Korrelationen, die Experten Kausalitäten.
Eine der größten Hürden für den KI-Einsatz liegt in der Granularität der Daten, also deren Verdichtungsgrad. „Im Rahmen des Pilotprojekts haben wir viel Zeit darauf verwendet, die benötigten Daten einzusammeln und aufzubereiten“, sagt Figura. Denn von Excel-Tabellen bis SAP-Systemen ist so ziemlich alles dabei. Während einige Systeme nur Snapshots, das heißt Momentaufnahmen, liefern, bilden andere historische Entwicklungen über Jahre ab. Die Daten daraus zusammenzuführen und zu vereinheitlichen ist mitunter sehr aufwendig – und blieb in der Vergangenheit meist an den Mitarbeitern hängen.
Wetter als Variable in der Personalplanung
„Natürlich gibt es den Wunsch und die Überlegung, Systeme zu konsolidieren. Doch realistisch betrachtet ist das in einem Unternehmen mit 200.000 Mitarbeitern extrem schwierig“, sagt Figura. Allein die Größe und Struktur des Konzerns mit verschiedenen Ländergesellschaften lässt einen Systemwechsel rasch zum Mammutprojekt anwachsen. Eine Art Behelfslösung sind sogenannte Layer, die Schnittstellen zwischen den Systemen schaffen. Laufen alte Systeme aus, können sie nach und nach durch eine einheitliche Lösung ersetzt werden. Doch das braucht Zeit.
Die wollen Figura und seine Kollegen nutzen, um grundlegende Prognosen für die Personalplanung zu treffen. „Uns interessiert das große Ganze“, sagt Figura. So beschäftigt er sich beispielsweise nicht damit, Kündigungswahrscheinlichkeiten zu berechnen. Solche Prognosen sind aus datenschutzrechtlicher Perspektive ohnehin heikel. Es gehe ihm weniger um das Individuum als vielmehr um grundlegende Entwicklungen, sagt Figura. Denn die Telekom nimmt Bedenken ihrer Mitarbeiter und Sozialpartner sehr ernst und verabschiedete aus diesem Grund im Juli 2018 ihre selbstbindenden „Leitlinien für künstliche Intelligenz“. Diese könnten ein Schritt hin zu einer umfangreicheren Analytics-Vereinbarung sein, die zweckgebundene Datenvereinbarungen ersetzen könnte.
Doch zurück zum Wetter und der Frage, was wäre, wenn. „Früher wären wir nicht unbedingt auf die Idee gekommen, die Variable „Wetter“ in unsere Modelle einzubeziehen“, erzählt Figura. Denkbar ist, dass extreme Hitzewellen zu einem größeren Wartungsbedarf an Netzanlagen führen. „Also ist es möglich, dass wir künftig mehr Techniker während der Sommermonate benötigen“, sagt Figura. Entsprechend könnte das im strategischen Personalplanungsprozess berücksichtigt werden. Und weil sie mittlerweile von einer KI unterstützt werden, testen sie Regen, Schnee und Hagelszenarien gleich noch mit.
Dieser Artikel ist zuvor in Personalmagazin 01/2020 erschienen. Die gesamte Ausgabe lesen Sie auch in der Personalmagazin-App.
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